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Memel

Der Wiederaufbau der St. Johanniskirche geht voran

Archäologische Ausgrabungen am Ort einer der ältesten Kirchen des Memellands sollen Ende des Jahres enden

Hans-Jürgen Müller
21.02.2022

Es sind zuversichtliche Nachrichten, die uns im Jahr des 770. Jubiläums der Stadtgründung Memels [Klaipedas] erreichten. Anfang Dezember 2021 fand ein Gespräch über die aktuellen Pläne zum Wiederaufbau der St. Johanniskirche statt. Beteiligt daran waren Lilija Petraitiene, die Vorsitzende des Stiftungsrats für den Wiederaufbau der St. Johanniskirche, Arnold Piklaps, langjähriges Vorstandsmitglied in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, darüber hinaus Vorstandsmitglied des Vereins der Deutschen in Memel, und der Verfasser dieser Zeilen.

Historische Bedeutung unbestritten

Unbestritten ist heute die historische Bedeutung der St. Johanniskirche als eine der ältesten Kirchen Memels und sicher auch die bedeutendste Kirche des Memelgebiets. Bereits am 27. Juli 1258 wurde ihr der Status einer Stadtkirche zuerkannt. Über den ursprünglichen Standort gibt es keine sicheren Erkenntnisse. 1540 wurde das Kirchengebäude zum ersten Mal durch einen Brand zerstört, 1571 wurde es wieder aufgebaut. An der heutigen Stelle am Ende der Marktstraße wurde die Kirche erst 1696 bis 1706 neu errichtet. Durch den großen Stadtbrand von 1854 wurde die Kirche erneut zerstört.

Der Wiederaufbau der St. Johanniskirche zwischen 1856 und 1858 erfolgte nach den Plänen des preußischen Architekten Friedrich August Stüler als dreischiffiger Hallenbau. Der Bau des 75 Meter hohen Turms wurde erst 1864 vollendet. Er bot den Besuchern eine hervorragende Aussicht auf die Stadt. Auch König Friedrich Wilhelm IV. nahm Einfluss auf die Gestaltung der Kirche. Er schenkte der Gemeinde das von Bouterwieck gemalte Altarbild „Christus auf dem Oelberge“. Ein Reiseführer aus dem Jahr 1898 vermerkt: „Eine Gedenktafel unweit des Altars spricht vom Aufenthalt der königlichen Familie 1807 und erinnert daran, dass die Königin Luise in der alten Kirche am Charfreitage, den 27. März desselben Jahre, mit dem Hofe und der Gemeinde das heilige Abendmahl empfangen hat“. Bis 1944/45 hatte die St. Johanniskirche den Status einer Stadtkirche für alle Bürger Memels. Der letzte Gottesdienst fand am 8. Oktober 1944 statt. Das Gebäude wurde 1944/45 erheblich beschädigt, die Sowjets beseitigten die Trümmer des Gotteshauses.

Grundsteinlegung im Jahr 2012

Erst Litauens Wiedererlangung der Souveränität 1991 schuf die Voraussetzung für den Wiederaufbau dieser bedeutenden ostpreußischen Kirche. Es vergingen viele Jahre, bis zur großen Wende des Jahres 2012. Anlässlich des 760. Stadtjubiläums Memels fand am 1. August des Jahres eine feierliche Grundsteinlegung statt: beteiligt waren daran der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche Litauens, Mindaugas Sabutis, der Bürgermeister Vytautas Grubilauskas und der Vorsitzende für den Wiederaufbau der St. Johanniskirche, Jurgis Ausra. Bürgermeister Grubilauskas wandte sich persönlich in einem ersten Aufruf nicht nur an die Bürger der Stadt und an alle Litauer, sondern auch an alle Deutschen und „Liebhaber“ der Stadt, diesen Wiederaufbau zu unterstützen.

Ein Jahr später kam Joachim Gauck als deutscher Bundespräsident nach Memel und erreichte damit neue Aufmerksamkeit für dieses ehrgeizige Projekt. Am 13. Dezember 2013 erfolgte endlich die Gründung einer Stiftung zum Wiederaufbau der Kirche. Der Stadtrat Memels beschloss 2015, die Kirche in ihrer historischen Form wiederaufzubauen. Dem engagierten Bauingenieur Linus Skwirblies, Vorstandsmitglied im Verein der Deutschen in Memel, gelang es, die Originalzeichnungen Stülers ausfindig zu machen, und er konnte diese dann am 25. Juli 2017 dem Gemeindekirchenrat und den Vertretern der Stadtverwaltung übergeben. Auch unterstützte Skwirblies zwei Jahre später, am 13.Oktober 2019, den Auftritt des bekannten Flensburger Bach-Chors unter der Leitung von Professor Matthias Janz in der katholischen Kirche der Stadt auf einem erfolgreichen Benefizkonzert für den Wiederaufbau der Kirche.

Der endgültige Durchbruch kam am 14. Januar 2021, als das litauische Parlament in Wilna (Vilnius) ohne Gegenstimme beschloss, den Wiederaufbau der St. Johanniskirche zum Projekt von nationaler Bedeutung zu machen. Im August 2020 begannen die archäologischen Ausgrabungen, die von der Memeler Universität durchgeführt und voraussichtlich erst Ende dieses Jahres abgeschlossen sein werden. Die archäologischen Untersuchungen werden vom Departement für Denkmalschutz beim litauischen Kulturministerium mit 50.000 Euro, von der Stadtverwaltung Memels mit 105.000 Euro und von der evangelisch-lutherischen Gemeinde mit 20.500 Euro finanziert.

Der Wiederaufbau erfolgt nach einem Drei-Stufen-Plan. Gemäß diesem Plan fand der Beginn der konkreten Bauvorbereitung statt. Am 2. Juli 2021 wurde als nächster Schritt ein Vertrag für die Vorbereitung dieses Bauprojekts unterschrieben:

Für die erste Stufe ist der Wiederaufbau des Kirchturms vorgesehen. Für die Projektplanung sind 169.000 Euro veranschlagt worden, für den Wiederaufbau werden zirka drei Millionen Euro benötigt.

Die zweite Stufe sieht den Wiederaufbau des Kirchengebäudes vor. Für die Projektplanung sind etwa 363.000 Euro notwendig, die Kosten für den Wiederaufbau betragen zirka 12,6 Millionen Euro.

Die dritte Stufe umfasst das Projekt für die Innenausstattung: Hier werden voraussichtlich 72.000 Euro benötigt.

Insgesamt wird der Wiederaufbau der St. Johanniskirche 17 bis 18 Millionen Euro erfordern. Die Finanzierung dieses Vorhabens wird sicher für die nächste Zeit die zentrale Herausforderung sein.

Es ist besonders erfreulich, dass seit dem Beginn der Ausgrabungen das öffentliche Interesse der Bürgerschaft am Wiederaufbau der St. Johanniskirche deutlich gestiegen ist. Dies spiegelt sich in vielen Berichten der Memeler Tageszeitungen wider.

Eine neue Bürgerinitiative für die Förderung des Wiederaufbaus wurde noch kurz vor dem Weihnachtsfest 2021 in Memel gestartet. Die Idee hatte die Archäologin Raimonda Nabazaite. Sie schuf ein „Wanderbuch St. Johanniskirche“. Die Aufgabe dieses Buches wird darin bestehen, praktische Ideen der Bürgerschaft zu sammeln, die geeignet sind, Spenden für den Aufbau zu erwirtschaften. Der Rektor der Memeler Klaipeda, Professor Arturas Razbadauskas, erhielt als erster das Buch. Eine erfolgreiche Auktion von Kunstwerken zugunsten der St. Johanniskirche konnte noch im Dezember durchgeführt werden.

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Memel mit ihrem Pfarrer Reinholdas Moras und ihre Förderstiftung mit Lilija Petraitiene an der Spitze engagieren sich tatkräftig für den Wiederaufbau der historischen St. Johanniskirche, der auch eine symbolische Bedeutung hat und letztlich auch besonders geeignet ist, Deutsche und Litauer zusammenzuführen.


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Kommentare

sitra achra am 21.02.22, 18:14 Uhr

Die Balten scheinen allem Anschein nach nicht unsere Feinde zu sein. Ich bin beeindruckt von diesem großen bürgerlichen Engagement und für das Ausmaß der historisch-kulturellen Erinnerung. Wir wollen hoffen, dass die Neobolschewisten nicht einen Strich unter diesen wahrhaft europäischen Wiederaufbau machen und in ihrer triebhaften Wut das Erreichte wieder zerstören.

Chris Benthe am 21.02.22, 06:43 Uhr

Das sind wunderbare Nachrichten. Das wärmt das Herz. Danke für den Artikel.

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