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So soll es bald wieder sein: Bürgermeister Lambert Steinwich blickt auf „seine“ Stadt mit den Türmen (von links) Sankt Marien, Sankt Nikolai und Sankt Jakobi
Foto: WikimediaSo soll es bald wieder sein: Bürgermeister Lambert Steinwich blickt auf „seine“ Stadt mit den Türmen (von links) Sankt Marien, Sankt Nikolai und Sankt Jakobi

Geschichte

Des Bürgermeisters Drei-Kirchen-Blick

Lambert Steinwich – Es war sein Verdienst, dass Stralsund im Westfälischen Frieden Teil Schwedens wurde

Peer Schmidt-Walther
09.02.2025

Manch ein Spaziergänger im Park am Stralsunder Wulflam-Ufer reibt sich die Augen. Dort, wo einst ein Denkmal stand, ragt nur noch ein nackter steinerner Sockel aus der Erde. Aufklärung über das, was hier quasi im Busch liegt, verschafft ein Schild am Rande des Teichwanderwegs: „Bürgermeister / Lambert Steinwich / Zur Erinnerung An / Die Ruhmvolle Ver- / Teidigung Stralsunds / Gegen Wallenstein / Im Jahre / 1628“.

Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 ist zwar lange her, aber das Gedächtnis an einen seiner berühmtesten Bürgermeister lebt in der vorpommerschen Hansestadt am Sund fort. Er war kein Landeskind, sondern wurde 1571 in Düsseldorf geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Siena sowie der Promotion zum Dr. jur. in Basel zog es ihn in den Norden.

Nachdem er 1601 für kurze Zeit als freiberuflicher Anwalt in Anklam tätig war, wechselte er nach Stralsund, denn die Stadt brauchte einen zweiten Syndikus. Als Subsyndikus startete er hier seine Karriere. Schon 1606 wurde er zum ersten Stadtjuristen berufen. Sechs Jahre später feuerte ihn jedoch sein Dienstherr, Herzog Philipp-Julius von Pommern-Wolgast. Steinwichs harscher Vorwurf an die Durchlaucht war für selbigen denn auch zu starker Tobak: Landfriedensbruch.

Bereits 1616 durfte er, nach einem anwaltlichen Zwischenspiel, in die Sundstadt zurückkehren und wieder in der alten Stellung arbeiten. Sein Ansehen strahlte bald jedoch weit über die Stadtmauern hinaus ins Land, sodass ihn sogar die Stadt Lübeck als Generalsyndikus der Hanse anwarb. Aber sein Stralsund wollte er partout nicht verlassen, und so wurde er zum Landrat im Ausschuss der Landstände und zum Bürgermeister befördert.

1628 belagerte Albrecht von Wallenstein, Oberbefehlshaber der Kaiserlichen Truppen, die Stadt im Kampf gegen die Protestantische Union. Steinwich erwies sich bei der Gelegenheit als hervorragender Diplomat.

So verhandelte der Bürgermeister geschickt mit dem katholischen Feldherrn sowie gleichzeitig mit den Schweden und Dänen, die Stralsund helfen sollten. Da nützte es auch dem gefürchteten Generalissimus nichts, dass er seinen berühmten Spruch verkündete: „Stralsund muss herunter, und wenn es mit Ketten an den Himmel gefesselt wäre!“ Es gelang Wallenstein nicht, denn die nordischen Nachbarn halfen der Hansestadt.

Infolge des daraufhin geschlossenen Allianzvertrages mit dem Königreich Schweden zog man über der Stadt die gelb-blaue Fahne auf. 1648 wurde sie aufgrund des Westfälischen Friedens endgültig ein Teil von Schweden – letztlich Verdienst von Steinwich – und blieb dieses auch bis zum Jahr 1815. Zu DDR-Zeiten seufzte man gern: „Wäre das doch auch noch heute so!“

Zwischen Schweden und DDR
Die Schwedenzeit gereichte der Stadt zum Wohl, denn so wurde sie beschützt und vor Zerstörung bewahrt. 1629 raffte die Pest den rührigen Stadtchef hinweg. In der Nikolaikirche wird sein Leben auf einem Epitaph in lateinischer Sprache umfangreich gewürdigt.

Erst viel später sollte dem Retter Stralsunds auch ein öffentliches Denkmal gewidmet werden. Ausgewählt wurde dazu ein sinnträchtiger Platz vor dem einst belagerten Knieper Tor. Der Bildhauer Wilhelm Jacobi bekam von der Bürgerschaft den Auftrag, ein Denkmal zu schaffen. Die ursprünglich vorgesehene exponierte Stelle verwarfen die Stadtverordneten jedoch und entschieden sich für den Alten Markt an der Ecke zur Semlower Straße.

Am 25. Juli 1904 wurde der in Bronze gegossene Bürgermeister feierlich aufgestellt. Bis 1937 war er quasi ein Symbol für die Stadt: unerschütterlich und verteidigungsbereit gegen Widersacher.

Die neuen Machthaber seit 1933 sahen das jedoch anders, weil sie andere Interessen hatten. Sie brauchten den Marktplatz für Aufmärsche ihrer Parteitruppen. Offiziell wurde zur Begründung gesagt, dass das der architektonischen Tradition des Platzes widerspreche. Also musste Steinwich am 22. Juni 1937 weichen und umziehen. Neuer Standort wurde am 19. Mai 1938 der Park am Wulflam-Ufer im „Bürgermeisterviertel“.

In diesem entstanden fast zur gleichen Zeit backsteinerne Wohnblocks für Marineangehörige, die zur nahegelegenen Garnison Frankenkaserne und Dänholm gehörten. Von hier aus konnte Steinwich fortan über den idyllischen Frankenteich auf die von der Marienkirche überragte Stadt blicken. Daran änderten auch nichts die DDR-Herrscher, denn auch die brauchten Aufmarschraum im Zentrum. Später auch mit zunehmender Motorisierung Parkplätze.

Idee gestorben
Nach der Wende gab es verschiedentlich Initiativen, den berühmten Stadtoberen wieder aus dem Busch zu holen und ihn auf den Alten Markt an seinen angestammten Platz zu setzen. Die Befürworter und Gegner beharkten sich damals öffentlich in der Presse und in der Bürgerschaft. Es gab sogar Sponsoren, die das samt einer Denkmalrestaurierung und aller Kosten übernehmen wollten.

Es nützte alles nichts. Denn mittlerweile wurden vom Stadtbauamt Tatsachen geschaffen: nämlich ein – zur Freude der Kinder – im Sommer bodengleicher Springbrunnen im Kopfsteinpflaster. Damit war die Idee gestorben. Aber auch die Deutsche Marine zelebriert hier wie ihre Vorgängerinnen in der ältesten deutschen Marinestadt (heute mit Standort der größten Marineschule, MTS, in Parow am Nordrand Stralsunds) von Zeit zu Zeit Vereidigungen von Rekruten.

Am 15. Oktober 2024 ereilte Steinwich erneut das Schicksal – doch jetzt im positiven Sinne: Er wurde von seinem bereits 2022 erneuerten Sockel abmontiert und in die Hände eines Restaurators gegeben. Schon vor Weihnachten sollte die für 23.500 Euro aufgefrischte Skulptur an ihren Park-Platz zurückgekehrt sein. Doch ihr Sockel bleibt auch noch im Januar 2025 verwaist. Doch bald wird er wieder über „seine“ Stadt schauen können.


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Kommentare

Ernst-Günther Zimniok am 09.02.25, 13:18 Uhr

Vielen herzlichen Dank für diesen schönen Artikel. Jetzt kann ich mit dem Namen Lambert Steinwich etwas anfangen, denn ich bin 1958 in die Lambert Steinwich Schule eingeschult worden. Ich bin kein Stralsunder, aber mein Vater war in Parow zur Offiziersausbildung stationiert . Das ist nun bald 57 Jahre her.
Nochmals vielen Dank!
Liebe Grüße aus Chemnitz
Ernst-Günther Zimniok

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