20.04.2024

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Prachtvolle Trachten

Deutsch-polnische Hochzeit im Pyritzer Weizacker

In den Trachtengruppen lebt das pommersche Brauchtum

Silvia Jäger
09.06.2020

Der Pyritzer Weizacker ist eine der schönsten Gegenden Pommerns. Diese Region war die Kornkammer Pommerns und die Weizenfelder haben ihre Bauern reich gemacht. Dieser Reichtum drückte sich auch in den Trachten aus. Je reicher der Bauer, je größer sein Hof, desto farbenprächtiger bestickt waren Umhang und Schürze der Bäuerin, desto mehr (bis zu 12) Unterröcke trug sie.

Ebenso reichhaltig wurde eine Hochzeit im Pyritzer Weizacker gefeiert, sie dauerte drei Tage und drei Nächte. Wer eher verschwand, den holte man zurück. Wenn er Widerstand leistete, band man ihn in einen Sack und karrte ihn mit der Schubkarre zurück ins Hochzeitshaus. Um Mitternacht erschienen Schimmel, Schnabbuk und der maskierte Führer in langem Mantel mit großem Lärm von der Straße her.

Mit Schimmel und Schnabbuk

Der Schnabbuk, ein ziegenhaftes Ungeheuer mit langer roter Schlappzunge und schrecklichen Zähnen im klappenden Unterkiefer, sorgte durch derbe Späße dafür, dass sich alle Gäste auf Stühle und Tische flüchteten. Ohne Schimmel und Schnabbuk war eine Hochzeit im Weizacker keine Hochzeit. Sie brachten Glück in die Ehe.

Solch eine Hochzeit im namensgebenden Ort Pyritz wollten nun auch im Juni 2020 das Folkloreensemble der Ihna Erlangen zusammen mit dem polnischen Zespoł Pieśni i Tańca Ina feiern. Dass die beiden Gruppen quasi gleich heißen, ist kein Zufall, denn beide haben ihre Namen vom pommerschen Fluss Ihna. Früher lag er in Deutschland und heute liegt er in Polen.

Vor über 25 Jahren führte das Tanz- und Folkloreensemble Ihna das Projekt „Die Ihna an der Ihna“ durch und fuhr nach Polen, um den namensgebenden Fluss und die daran liegenden Städte kennen zu lernen und pommersche Folklore sowie das Leben dort bis 1945 zu präsentieren. Betreut wurde die Gruppe von Zbigniew Łukaszewski, einem jungen Studenten, der an der Universität in Stettin selbst in einer Folkloregruppe tanzte. Inspiriert durch diese gemeinsamen Tage, gründete er das polnische Zespoł Pieśni i Tańca „Ina“, das die Folklore und das Leben an der Ihna ab 1945 bis zum heutigen Tag repräsentiert.

Seit dieser Zeit pflegen die beiden Ensembles einen sehr engen Kontakt und haben bisher 22 Begegnungen durchgeführt. Durch diese vielen gegenseitigen Besuche, bei denen die Unterbringung stets auch in Gastfamilien erfolgte, wurden zahlreiche persönliche Kontakte und Freundschaften geschlossen, die bis heute erhalten sind.

Erbe bewahren

In gemeinsamen Begegnungen 2018 und 2019 bereiteten die beiden Gruppen das Projekt „Ina und Ihna, do you want to marry me“ vor, bei dem die Tanzfolge „Hochzeit im Pyritzer Weizacker“ von der deutschen Ihna an die polnische Ina weitergegeben wurde und eine gemeinsame Erstaufführung in Pyritz sollte nun Ende Juni 2020 stattfinden, kann aber wegen der Corona-Pandemie nun leider nicht erfolgen.

Die polnische Ina hat dafür extra für 8 Paare die Pyritzer Weizackertracht angeschafft, somit ist die Zeit, in der die deutsche Vergangenheit der Region ausgeblendet wurde, zumindest dort längst vorbei. Die Bewahrung der Kultur der Ostgebiete erfährt dadurch eine weitere Anerkennung. Und bei dieser langjährigen Verbindung der beiden Tanzgruppen ist die Hochzeit sicherlich nur verschoben, bis man sie nach pommerscher Sitte mit großer Ausstattung und zahlreichen Gästen wieder feiern kann.

• Info Das Tanz- und Folkloreensemble Ihna ist eines der bekanntesten Ensembles in Deutschland. Es bietet abendfüllende Veranstaltungen mit deutscher Folklore, aufbereitet in spritzigen Tanzpotpourris und detailreichen Suiten, die kleine Geschichten erzählen, alles begleitet von Live-Musik. Seit nunmehr 60 Jahren hat das Ensemble nationale und internationale Auftritte absolviert und gilt als Botschafter der deutschen, im Besonderen pommerschen Kultur. Seit nunmehr zehn Jahren wird außerdem ein Akrobatik- und Showprogramm mit Zirkus- und Varieténummern geboten, mit dem sie ebenfalls überregional bekannt wurden.
https://ihna.de


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Kommentare

sitra achra am 09.06.20, 10:59 Uhr

Schön, dass diese Tradition weiter fortgeführt wird. Das verbindet die Völker miteinander und füllt das historische Vakuum, das nach der Vertreibung der Deutschen entstanden ist. Die geteilte Kultur ist ein Stück Heimat für beide Völker, auch ein Beweis dafür, dass man Kultur und Heimatbindung nicht durch das Verschieben von Streichholzschachteln vernichten kann.
Übrigens, das Pyritzer Hochzeitsritual sieht sehr nach einem wendischen Brauch aus.

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