26.09.2024

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Ukraine

Deutsche Gemeinden verzweifeln

Erst litten die Dorfbewohner unter den Sowjets, nun kämpfen sie gegen die Russen ums Überleben

Bodo Bost
29.08.2024

Pastor Alexander Gross ist Synodalpräsident der Deutschen Evangelisch-Luthe-rischen Kirche in der Ukraine (DELKU) mit Sitz in Odessa. Die Verbindung zur Kirchenleitung in Moskau ist seit Februar 2022 unterbrochen. Denn zwei der insgesamt 18 Gemeinden, Berdjansk und Donezk, wurden von der russischen Armee 2014 und 2022 besetzt.

Pastor Gross wurde in einer deutschstämmigen Familie im Nordkaukasus geboren. Seit etwa 20 Jahren betreut er die Gemeinden Neuburg [Nowohradkiwka] und Peterstal [Petrodolynske] in der Region Odessa, in einem früheren Siedlungsgebiet von Schwarzmeerdeutschen, in das seit Beginn der 1990er Jahre wieder einige vertriebene Bewohner aus Zentralasien zurückgekehrt waren. 1805, etwa zehn Jahre nach der Gründung Odessas, hatten Familien vor allem aus Württemberg 30 Kilometer westlich von Odessa zwei deutsche Kreise mit etwa 20 deutschen Dörfern gegründet. Die Mehrheit waren Lutheraner. 1944 wurden die letzten der etwa 500.000 Schwarzmeerdeutschen nach Zentralasien deportiert. Nur die zwei Dörfer Neuburg und Peterstal wurden ab 1991 von Rückkehrern aus Zentralasien mit deutscher Hilfe wieder neu besiedelt.

Die lutherische Gemeinde in Neuburg hat kürzlich das gesamte Gelände rund um die ehemalige Kirche zurückübertragen bekommen. Nach dem Willen der Kommune soll sich die kleine Gemeinde nun um die Ruine kümmern. Das alte Kirchengebäude wäre ein idealer Ort, um die vielen diakonischen Hilfen, die hier geleistet werden, zu bündeln und um die Gemeinde zu versammeln. Nur ist es momentan kaum vorstellbar, wie seine Reparatur bezahlt werden könnte.

Peterstal liegt zehn Kilometer nördlich von Neuburg. Nach der Verfolgung in der Sowjetzeit wurde die Gemeinde 1992 wiedergegründet, die schlichte kleine Kirche 1998 eingeweiht. In verschiedenen Gebäuden der Gemeinde, darunter auch einige Container aus den 1990er Jahren, sind inzwischen rund 20 Flüchtlinge aus Schlangendorf [Smijiwka] untergebracht. Dieses wieder neu angesiedelte Vorzeige-Dorf in der Oblast Cherson war im Februar 2022 ohne Kämpfe unter die russische Kontrolle gekommen. Als die Soldaten nach zwei Monaten zum ersten Mal in den Ort kamen, gingen sie von Haus zu Haus und stahlen, was sie konnten. Viele waren betrunken und zerstörten mit ihren Panzern die Infrastruktur des Ortes. Die Dorfbewohner sahen viel Schreckliches. Im November 2022 wurde das Dorf durch die ukrainische Armee zurückerobert.

Doch danach begann der permanente Beschuss durch die russischen Truppen. 70 Prozent der Gebäude sind inzwischen zerstört. Die Äcker der Bauern sind verseucht. Die Wasserversorgung ist nach der Sprengung des Kachowka-Stausees am 6. Juni 2023 schwierig geworden. Auch die Kirche von Schlangendorf, eines der schönsten neu renovierten Kirchengebäude der DELKU, hat etliche Treffer abbekommen. Die letzten 20 Russlanddeutschen haben Schlangendorf mit ihren Familien mittlerweile schweren Herzens verlassen. Von Deutschland erhoffen sich die Flüchtlinge neben der materiellen Hilfe aber ebenso ein Gebet.


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