Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Der ästhetische Charme alter Lettern hat einen kleinen Historismus hervorgebracht
In nahezu jeder größeren Stadt der ehemaligen deutschen Ostgebiete entstehen Initiativen und Gruppen, die sich für die Bewahrung deutscher Inschriften einsetzen. Die bekannteren darunter sind „Posens Narben“ (Blizny Poznania), die sich für den Erhalt des historischen Erbes des Posener Landes engagiert sowie gleich mehrere Breslauer Gruppen, darunter „Breslau schaut unter dem Putz hervor“ (Spod tynku patrzy Breslau). Auch eine Reihe Einzelakteure sind aktiv, wie der Blogger Maciej Wlazło aus Breslau, Izabela Korniluk oder Grzegorz Wanatko aus Grünberg [Zielona Góra]. Sie alle setzen sich dafür ein, dass deutsche Inschriften wiederhergestellt werden.
Korniluk und Wanatko arbeiten im Museum des Lebuser Landes, das einen Großteil von Ostbrandenburg abdeckt. Sie sind unterwegs, Reste alter Schriftzüge, Reklamen und Schilder in Grünberg zu entziffern. Mithilfe alter Adressbücher konnten sie etwa dem Schriftzug „Malermeister“ den Namen des Handwerkers Heinrich Seidel zuordnen. Im Grünberger Marschallamt, wo sich einst die Brennerei Raetsch befand, hängt nun ein restauriertes Cognac-Raetsch-Reklameschild. Auch am heutigen Städtischen Sozialamt wurde die historische Beschriftung der einstigen Schule saniert.
Auch in Oberschlesien wird derzeit dran gearbeitet, historische deutsche Schriftzüge für die Nachwelt zu bewahren. „Vergessenes Erbe / Vergessene Inschriften“ (Zapomniane dziedzictwo) ist eine Internetplattform, die Schriftzüge in Ober- und Niederschlesien festhält. Betrieben wird sie von Dawid Smolorz. Aufgewachsen in den oberschlesischen Großstädten Hindenburg [Zabrze] und Gleiwitz stieß Smolorz sehr früh auf deutsche Inschriften auf alter Bausubstanz: „In den 80er Jahren war ich Teenager und damals hatte der polnische Staat bereits größere Probleme in seinem Kampf gegen die optischen Relikte der deutschen Vergangenheit. So bin ich auf meinem Weg zu Schule zum Beispiel an Beschriftungen wie: ‚Löschwasserstelle 50 Meter' vorbeigegangen“, erinnert sich der Journalist und Autor. „Ich empfand das als eine Art Nachrichten aus einer früheren Zeitepoche“, sagt er.
Schnell merkte Smolorz, dass auch in anderen Städten in Nieder- und Oberschlesien noch zahlreiche solcher Überbleibsel sichtbar waren. Schon damals empfand er diese Schriftzüge als etwas Schönes, „Die Fraktur, die Buchstaben sind sehr ästhetisch“. Es interessierte den späteren Germanisten und Übersetzer, welche Geschichten sich hinter diesen Inschriften verbargen. Ähnlich neugierig und auf der Suche nach Geschichten von einst war der Fotograf Thomas Voßbeck. Als die beiden vor Jahren aufeinandertrafen, Smolorz übersetzte für den Berliner, hatte Voßbeck keine Ahnung, dass in Oberschlesien nach 1945 Deutsche geblieben und noch so viele Überreste des Deutschen in der Region zu finden waren. Voßbeck wuchs in der DDR auf, und die deutschen Ostprovinzen waren dort ein Tabuthema. Es war ein Glücksfall für ihn, in Smolorz jemanden zu finden, der ihn durch die Geschichte Schlesiens führte. „Nach Jahren des gemeinsamen Reisens und Arbeitens ist Oberschlesien für ihn eine zweite Heimat geworden“, bekennt Smolorz.
Für Smolorz gilt die Regel: „Je schlechter der Zustand einer Stadt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass hinter dem alten Putz noch Spuren vergangener Zeiten zum Vorschein kommen.“ So sind Smolorz und Voßbeck im niederschlesischen Waldenburg [Wałbrzych] auf Schilder der ehemaligen Bäckerei Max Griegers gestoßen. „Dies stellt ein deutliches Beispiel für eine ‚Entdeutschungspolitik' dar, die an diesem Objekt scheinbar schludrig durchgeführt wurde. Denn die einzelnen Buchstaben wurden zwar abgeschlagen, aber der Text blieb trotzdem weitgehend lesbar“, so Smolorz. Die Bäckerei befand sich im Stadtteil Dittersbach [Dzietrzychów], der sich durch die Melchiorgrube [Mieszko] seit Mitte des 19. Jahrhunderts von einem Bauern- und Weberdorf zu einem Industrieort entwickelte.
In Oberschlesien um Oppeln sind Relikte deutscher Vergangenheit mühelos zu finden, sagt Smolorz: „Auf etlichen Dächern von Häusern oder Scheunen sind noch Aufschriften, wie ‚Gott mit uns' zu lesen“. Hier verblieben nach dem Krieg die meisten Deutschen.
Doch Smolorz und Voßbeck dokumentieren auch kürzlich restaurierte Gebäude, bei denen die Inschriften saniert wurden. In der Hindenburger Bahnhofstraße [ul. Dworcowa] strahlt ein Ladenschild aus der Vorkriegszeit in altem Glanze. Auch bei der Renovierung eines Bürgerhauses in der Nähe des Gleiwitzer Bahnhofs wurde eine Inschrift freigelegt und nachgezogen. Über seine Funde und die Geschichten, die dahinter stecken, berichtet Smolorz übrigens am 8. November um 18 Uhr im Schlesischen Museum zu Görlitz.