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Ukraine

Deutsche Ortsnamen kehren zurück

„Dekommunisierungsreform“ von 2016 machte sie möglich: Namensrückbenennungen im Raum Odessa

Bodo Bost
26.11.2021

Güldendorf, so nennen die ukrainischen Einwohner ihr Heimatdorf am nördlichen Stadtrand Odessas. Offiziell heißt der Ort im Schwarzen-Meer-Gebiet der Ukraine seit 1945 jedoch Krasnosilka.

Um die Erinnerung an die ehemaligen Bewohner zu löschen, bekamen damals die deutsche Wolgarepublik, deutsche Kreise und deutsche Siedlungen in der Sowjetunion neue sowjetische Namen. Aber wie in anderen Vertreibungsgebieten kannten auch die Neusiedler die Namen ihrer einst deutschen Orte. So auch in Güldendorf. Deshalb nennen viele ukrainische Bewohner den Ort auch heute noch so.

Als vor einigen Jahren die Ukraine begann, im Zuge ihrer Dekommunisierungsreform Straßennamen und Orte von sowjetischen Namen zu säubern, hatten auch die Einwohner von Güldendorf Hoffnung geschöpft: „Krasnosilka klingt nach rotem (krasni) Dorf, aber nach einer Prüfung durch die Stadtverwaltung wurde entschieden, dass Krasnosilka von dem Adjektiv krasno (schön) abstammt, also übersetzt schönes Dorf heißt. Der Name Krasnosilka blieb.

Bewohner sprechen von Güldendorf

Die Bewohner des Ortes änderten jedoch ihre Sprachgewohnheiten nicht und wollten von dem sowjetisch klingenden Namen ihres Ortes nichts mehr wissen. Sogar das Ortsschild wurde abmontiert. Ein Klub für Intellektuelle und ein Tanzverein wurden in Güldendorf umbenannt, eine Initiative gründete während des Lockdowns eine Firma mit dem Namen „Taxi nach Güldendorf“. In der alten deutschen Kirche wollen die Güldendorfer ein Kulturzentrum einrichten, das auch ein Erinnerungsort für die ehemaligen Einwohner werden soll. Die heutigen Güldendorfer würden sich dort auch gern austauschen mit Nachkommen der deutschen Güldendorfer.

In anderen Gemeinden der Ukraine hat eine Umbenennung bereits stattgefunden: 2016 wurde das einst deutsche Lenintal bei Odessa im einstigen deutschen Großliebentaler Rajon wieder in Liebental umbenannt. Von 1941 bis 1944 hieß der Ort in der rumänischen Besatzungszone Adolfstal und danach bis 2016 Lenintal.

Auch Güldendorf, das 1817/1830 von überwiegend aus Württemberg stammenden Familien gegründet wurde, gehörte zum Großliebentaler Rajon. Herzog Richelieu hatte das Gebiet nach der Gründung von Odessa 1794 im Auftrag des Zaren gekauft. 1944 wurden alle Güldendorfer in den Warthegau vertrieben.

Liebental wurde bereits umbenannt

Nach Ende des Krieges gelangte ein Teil von ihnen in die Bundesrepublik Deutschland und in die DDR, ein anderer wurde von den Sowjets nach Sibirien und Zen-tralasien zur Zwangsarbeit deportiert. In ihre Heimat Güldendorf durften die Menschen auch Jahrzehnte nach Stalins Tod nicht zurückkehren. Heute leben keine Deutschen in Güldendorf oder in Liebental. Allerdings in den Nachbarorten Peterstal oder Alexanderhilf gab es in den 1990er Jahren Containersiedlungen für russlanddeutsche Heimkehrer aus Zen-tralasien, von denen trotz starker Abwanderung nach Deutschland noch einige geblieben sind. In Peterstal (Petrodolinskoje) ist sogar die erste deutsche evangelische Kirche nach 1945 wieder gebaut worden.

Um Odessa herum gab es bis 1944 einen Gürtel deutscher Siedlungen und Kreise mit bis zu 250.000 Deutschen. Der bekannteste Ort war Lustdorf, dort war die mondänste Strandpromenade Odessas, deshalb wurde der Ort schon zur Zarenzeit in die Stadt eingemeindet und erhielt Straßenbahnanschluss, angeblich die längste Straßenbahnlinie der Welt. Auch die dortigen Deutschen, ebenfalls aus Württemberg, wurden 1944 vertrieben und der Ort in Tschernomorka (Schwarzmeerdorf) umbenannt. Heute sprechen jedoch alle wieder in der Gegend von Lustdorf, weil dieser Name auch ein Qualitätsetikett ist.

Lustdorf, die „Perle am Meer“ heißen heute auch offiziell wieder der Strand des Ortes und ein Feriendorf, und viele Eigenheimbesitzer werben mit Lustdorf, um ihre Wohnungen zu vermieten. Auch eine Biermarke Lustdorf gibt es. Lustdorf ist heute der Geheimtipp in der durch den Verlust der Krim überlaufenen Urlaubsregion Odessa. Vor allem bietet Lustdorf den mit Abstand saubersten Strand der gesamten Region, ohne Algen und Quallen.


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Kommentare

Peter Nachgang am 28.11.21, 14:54 Uhr

Hallo, ja hier in Niederschlesien und Oberschlesien ist eine Tendenz zur Ansiedlung zu spüren. Sprechen Sie mit uns, wir helfen.
Peter

Jan Kerzel am 26.11.21, 01:43 Uhr

Nicht nur Ortsnamen kehren zurück, sondern mittelfristig werden auch Deutsche zurückkehren, bzw. sich neu ansiedeln. Und das wird für sie auch bitter nötig sein. Es wird sicherlich auch hilfreich sein an alte Siedlungstraditionen anzuknüpfen, bei einer oft sehr freundlich gesinnten einheimischen Bevölkerung, die um das kulturelle Erbe weiß. Vom Baltikum bis hinunter nach Odessa wird es viele synergetische und freiheitliche Optionen geben. Strategien einer Aus- und Abwanderung müssten aber noch erarbeitet werden. Ins Blaue hinein geht nichts oder wenig. Der PAZ stünde es gut an, hier mit Informationen und Fachaufsätzen einen Beitrag zu leisten. Back to the roots, Heimkehr zu sich selbst.

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