Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
1928 hinterließ der Osten des Reiches neben seiner Schönheit auch mit einer beeindruckenden Gastfreundschaft einen derart bleibenden Eindruck, dass den Paddlern aus allen Teilen Deutschlands am Ende der Abschied schwerfiel
Wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet der Kanu-Wassersport einmal im Osten Deutschlands auf große Begeisterung treffen würde? Denn Anfang des 20. Jahrhunderts standen vor allem Boxen, Ringen und das elegante Fechten sportlich im Vordergrund Ostpreußens.
Doch setzte sich gerade an den seichten Ostseeufern sowie den an Flüssen und Seen gelegenen Ortschaften neben dem Segeln zunehmend auch das Paddeln im Kanu durch, während der Rudersport weitestgehend eine elitäre Attitüde aufwies und primär in akademischen Kreisen ebenso beheimatet wie beliebt war. Aber eine Paddeltour im Kanu? Das konnten sich indes viele Leute leisten. das Vergnügen war problemlos zu praktizieren und machte darüber hinaus so richtig Spaß. Also hieß es immer öfter, alle Ostpreußen an die Paddel und volle Muskelkraft voraus.
So erfolgte am 7. Dezember 1913 in Hamburg auf Veranlassung des Hamburger Canoe-Clubs „Alsterbrüder“ von 1910 die Gründung des „Deutschen Kanu-Verbandes“. Hatten doch zuvor Hamburger Kaufleute die ersten Exemplare solche bisher unbekannten, außergewöhnlichen neuen Boote von Reisen aus Nordamerika mitgebracht. Auf der besagten Versammlung wurde eine Kommission zur Ausarbeitung der Satzung gewählt. Am 15. März 1914 fand dann ebenso in Hamburg im „Hotel zum Kronprinzen“ am Hauptbahnhof eine Versammlung statt. Der Vorstand bestand aus dem 1. Vorsitzenden Alfred Korn, einem Einzelpaddler aus Hamburg, dem 2. Vorsitzenden Calandrelli vom Berliner Kanuklub, dem 1. Schriftführer Hans Burghagen von den Alsterbrüdern 1910, dem 2. Schriftführer Hugo Borrmann aus Berlin, dem Schatzmeister Zenetti, auch ein Einzelpaddler, und dem Sportwart Brehm vom Uhlenhorster Hockeyklub aus Hamburg. Die 1. Internationale Kanu-Wettfahrt fand am 28. Juni 1914 dann auch auf der Außenalster der Hansestadt an der Elbe statt.
Verbandstreffen mit Spaßfaktor
Schon bis 1928 zählte der Kanu-Verband über 20.000 Mitglieder. Durch Vorschreiben des Schwimmenkönnens seiner Mitglieder, Abhalten von Fahrkursen und Aufstellung gewisser Bekleidungsrichtlinien versuchte die Gemeinschaft zudem die Unfälle beim Paddeln einzudämmen. Daneben gab der Verband Fahranleitungen, anschauliche Wasserkarten und Stromführer heraus.
Vom 15. bis 21. Juli 1928 hielt der Deutsche Kanu-Verband den Deutschen Kanutag 1928 erstmals in Ostpreußen ab. Mit der Durchführung wurde der Kreis Masuren im D.K.V. beauftragt. Neben einer rein geschäftlichen Tagung in Elbing waren Zeltlager und Wanderfahrten durch ganz Ostpreußen und besonders Masuren vorgesehen. Der Spaß sollte keinesfalls zu kurz kommen. Die Teilnehmer dieser Ostlandfahrt konnten sogar zwischen zwei Anfahrmöglichkeiten entscheiden. Die erste Route führte vom Fernbahnhof Charlottenburg in bereitgestellten Sonderwagen über Marienburg mit Besichtigung der gewaltigen und beeindruckenden Schlossanlage nach Elbing. Die zweite führte hingegen von Swinemünde über Danzig nach Elbing.
Am 16. Juli fand eine kurze Festtagung des Deutschen Kanu-Verbandes mit Begrüßung durch den Vorsitzenden des Masurenkreises im Deutschen Kanu-Verband und Organisator des Kanutages, Franz Patzig, im Beisein aller Teilnehmer und der Behörden statt. Die am nächsten Tag durchgeführte gemeinsame Fahrt aller Teilnehmer und Wanderfahrer führte in Motorbooten durch den Oberländischen Kanal bis Osterode bzw. bis zum Zeltlagerplatz in Pillauken.
An der Veranstaltung nahmen auch über 40 rheinische Paddler mit ihren Faltbooten teil. Mit der Bahn ging es über Berlin nach Swinemünde und von dort mit dem modernen Motorschiff des Ostseedienstes vom Norddeutschen Lloyd „Hansestadt Danzig“ nach Zoppot. Nach einer Besichtigung der Danziger Altstadt und einem Besuch der Stadt Elbing fuhren die Kanuten von Elbing mit dem Motorboot „Oberland“ Richtung Osterode.
Ein Teilnehmer berichtet voller Freude und Enthusiasmus: „Seen, Flüße, Kanäle wechseln ab und bald wird unser Motorboot mit uns auf den Wagen gesetzt und den Berg heraufgezogen. Wir passierten fünf solcher schiefer Ebenen oder Rollberge. Der Oberländer Kanal verbindet das Haff mit den 100 Meter höher liegenden Seen des Oberlandes. Gegen Abend holen uns Osteroder Kameraden und Einwohner in Motorbooten ab.
Ostpreußisch perfekt organisiert
In Kiellinie fahren wir an der Stadt vorbei zur Pillaukenbucht des Drewenzsees. Die Zeltstadt war schon gegründet. Hamburger Jugend und Faltbootfahrer der Reichswehr empfingen uns freudig. Wohltuend wirkte die Ruhe im schnell aufgebauten ostpreußischen Zeltluftkurort. Die Osteroder Kameraden hatten alles gut organisiert, Zeitungen, Obst, Milch und Lebensmittel wurden bis ans Zelt gebracht. Es waren Stunden der Erholung fernab vom lauten, quirligen Gewühl in der Stadt inmitten herrlicher, einsamer Natur ...!“
Wandertouren und Regatten
Und der begeisterte Paddler berichtet weiter: „Morgens wurden sportliche Begebenheiten und das Lagerleben gefilmt, nach dem Essen fuhren circa 150 Boote nach Osterode, wo eine geschlossene Auffahrt stattfand. Der Bürgermeister begrüßte uns aufs Beste und der Verbandsvorsitzende dankte für die ostpreußische Gastfreundschaft, die wir überall auf unserer Ostlandfahrt angetroffen haben. Im Anschluss fand eine Regatta statt, abends nach der Siegesfeier erfolgte die Rückfahrt und am Lagerfeuer saßen wir bei Gesang und Musikdarbietungen noch lange zusammen.
Am nächsten Tag wurde eine Wanderfahrt zum Schillingsee gemacht. Am Abend gabs Abschiedsessen, Tanz und einen recht gemütlichen rheinischen Abend. Freitag in der Früh brachte uns das Motorboot Punkt 6 Uhr zum Bahnhof Osterode. Unter den Klängen ,Muß i denn' fuhr unser Zug aus dem uns so lieb gewordenen Städtchen in Richtung Hohenstein hinaus, wo wir das Tannenberg Nationaldenkmal mit seinen acht wuchtigen Türmen besichtigten. Nachmittags legten wir auf dem Waplitzer Heldenfriedhof einen Eichenkranz mit D.K.V.-Wimpel nieder. Spuren des Krieges sind an Häusern, Bäumen und Brückengeländern noch deutlich zu sehen. Am Bahnhof Waplitz ist großer Abschied, denn nun wird in Gruppen das wasserreiche Ordensland durchwandert. Mit lieben Kameraden fahren wir die einsamen, urwüchsigen, unvergleichlich schönen Seen und Flüsse des Oberlandes, des Ermlandes und des wohl schönsten Teiles Ostpreußens, Masuren. Nach schönen Wandertagen mussten wir das uns so lieb gewordene Ostpreußen wieder verlassen. Noch lange wird es in unseren Herzen weiterklingen: ,Nach Ostland wollen wir fahren!'“
Neues Ostlager wurde gegründet
„Die einzigartigen Schönheiten der oberländischen Gewässer, die sich den Teilnehmern in zahlreichen anschließenden Wanderfahrten erschlossen, haben den Verband bewogen, in diesem „Paradies der Faltbootfahrer“ ein Lager zu gründen, wie er eines auf Rügen bereits besitzt und ein anderes an der Edertalsperre zur Zeit schafft“, schrieb das „Rheinische Volksblatt“ vom 4. April 1929.
„Das neue ,Ostlager' wird aus einer Anzahl von Blockhäusern bestehen, die es Wassersportlern, auch Familien mit Kindern ermöglichen, sich längere Zeit dort aufzuhalten. Die Stadt Osterode hat dafür einen Platz inmitten grüner Wiesen und nahe dem Hochwalde zur Verfügung gestellt.“ Die feierliche Einweihung erfolgte im August 1929.