16.10.2024

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Innenpolitik

Deutschland erlebt Tage der Ruhe vor dem großen Sturm

Nach den Wahlen im Osten bereiten sich die Parteien allmählich auf die nächste Bundestagswahl vor. Dabei werden sie alle von alten Problemen eingeholt

René Nehring
16.10.2024

Es ist merkwürdig still im Land der Ampel. Herrschte im September noch große Aufregung ob der Ergebnisse der Landtagswahlen im Osten der Republik, so sind dieser Tage aus allen Richtungen deutlich leisere Töne zu vernehmen. Gehen etwa den führenden Protagonisten des Politikbetriebs nur wenige Wochen nach der Sommerpause schon wieder die Kräfte aus? Können die Parteien ihre eigenen Phrasen nicht mehr ertragen? Oder ist die augenblickliche Stille nur die sprichwörtliche Ruhe vor dem großen Sturm, der spätestens mit der Neuwahl des Bundestags in einem Jahr, vielleicht aber auch schon durch ein Platzen der jetzigen Bundesregierung im November über das Land hereinbricht?

Fakt ist: Trotz der Ruhe sind Deutschlands Parteien keineswegs untätig. So verabschiedete die Kanzlerpartei SPD auf einer Klausurtagung ein Strategiepapier, in dem sie unter anderem für eine Anhebung des Mindestlohns, diverse Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von E-Autos und zur Senkung der Energieko­sten sowie für eine Aufweichung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse plädiert. Was sich wie ein alter Hut anhört, ist auch einer. Es dauerte nicht lange, bis Kommentatoren die Genossen darauf hinwiesen, dass ihre aktuellen Pläne auffallend dem ähnelten, was sie sich bereits vor vier Jahren vorgenommen hatten.

Auch die Ampelpartner der Sozialdemokraten stimmen sich allmählich auf den kommenden Wahlkampf ein. Bei den Grünen, die bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg böse Klatschen bekamen und anschließend sogar den Parteivorstand verloren, scheint klar, dass sie mit Vizekanzler Robert Habeck als Spitzenmann ins Rennen gehen werden. Dass jener sich vor wenigen Tagen in einem Podcast zufrieden mit seiner bisherigen Arbeit als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz zeigte und stolz erklärte, er habe so viele Gesetze und Verordnungen umgesetzt wie kein anderer Wirtschaftsminister vor ihm, dürften die meisten Wähler angesichts des historischen Niedergangs der einheimischen Wirtschaft in den letzten Jahren jedoch kaum als eine Verheißung sehen.

Der FDP hingegen ist dieser Niedergang durchaus bewusst. Zumindest deuten jüngste Pläne von Finanzminister Christian Lindner an, dass er die Arbeitnehmer in den nächsten Jahren durch Steuersenkungen und die Anhebung des Kindergeldes deutlich entlasten will. Ob die Wähler dadurch vergessen, dass die Liberalen seit ihrem Eintritt in die Ampelkoalition jeden Unsinn vom Wärmepumpenzwang über den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie bis hin zum Gleichstellungsgesetz – das den Bürgern ermöglicht, einmal im Jahr ihr Geschlecht zu ändern – mitgetragen haben?

Die Personalien stehen, vieles andere ist nicht geklärt
CDU und CSU hatten bereits vor einigen Wochen mit ihren Vorbereitungen auf die nächste Bundestagswahl begonnen und dabei mit der Einigung auf den gemeinsamen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ein potentielles Streitthema aus dem Weg geräumt. Zudem hat sich die CDU unlängst ein neues Grundsatzprogramm gegeben, sodass sie glaubhaft verkünden kann, heute eine andere politische Kraft zu sein als zu Zeiten Angela Merkels. Dennoch vermittelt die Union keinerlei Aufbruchstimmung. Zwar ist sie in Umfragen regelmäßig so stark wie die Ampelparteien zusammen, doch fehlt ihr für einen echten Politikwechsel ein angemessener Partner. Mit ihrer Brandmauerrhetorik haben sich Christdemokraten und Christsoziale nach links und rechts eingeengt, sodass schon jetzt zu erahnen ist, dass die Veränderungen unter einem Unions-Kanzler nur geringfügig ausfallen dürften. Dass jüngste Umfragen einer schwarz-roten Koalition eine stabile Mehrheit bescheinigen, dürfte viele Wähler zudem an die Ära Merkel erinnern, als Union und SPD zwölf von

16 Jahren gemeinsam regierten und das stete Anwachsen des Protestpotentials links und rechts erst ermöglichten.
In der AfD indes, die im Osten der Republik ganze Regionen für sich gewinnen konnte, dürfte nach den Jubeltagen des Septembers allmählich die Erkenntnis greifen, dass sie noch immer keinerlei Perspektive hat, über unser Land nicht nur zu reden, sondern auch dessen Schicksal zu gestalten. Zwar hat sich das Spitzenduo aus Alice Weidel und Tino Chrupalla darauf geeinigt, mit Weidel als Kanzlerkandidatin in die kommende Bundestagswahl zu ziehen, doch bekommen die Anhänger der „Alternative“ in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gerade aufgezeigt, dass ihre Partei selbst bei einem Wahlergebnis von über dreißig Prozent keine aktive Rolle spielt. Und noch immer ist nicht im Ansatz erkennbar, mit welchen Angeboten die AfD ihre etablierten Wettbewerber davon überzeugen könnte, mit ihr vielleicht doch irgendwann ein Bündnis einzugehen.

Ähnlich ergeht es auch den Neulingen vom BSW. Zwar werden der Sahra-Wagenknecht-Partei gegenüber mangels Alternativen die Brandmauern still und leise abgetragen, doch zeigt sich schon jetzt, bei den Koalitionsverhandlungen nach den Landtagswahlen, dass das BSW bei Übernahme von Regierungsverantwortung schnell manch unangenehme Kröte schlucken werden muss, was ihrem Ruf als frische politische Kraft zweifellos schaden dürfte. Dies belegt auch eine aktuelle Insa-Umfrage, der zufolge die Neulinge in der Sonntagsfrage einen Verlust von zwei Prozentpunkten hinnehmen müssen und bundesweit bei nur noch acht Prozent der Wählerstimmen stehen.

Nochmal zurück zur Ampel: Vor wenigen Tagen meldete die „Welt“, dass die Bundesministerien in den vergangenen Jahren ihr Personal um fast fünfzig Prozent aufgestockt haben. Und zwar vor allem in den oberen Besoldungsgruppen. Insofern können die gegenwärtigen Regierungsparteien im kommenden Wahlkampf zwar nicht behaupten, sonderlich viel für das Land erreicht zu haben – aber immerhin einiges für die eigenen Leute.


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