13.12.2024

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Bildung

Deutschland im Kulturkampf

Wolfgang Herles legt eine Streitschrift vor, in der er die Bürger zu gesundem Menschenverstand ermutigt

Ansgar Lange
13.01.2024

Wir sind Pisa-Problemland. Deutschlands Schüler werden offenkundig immer dümmer. Woran liegt das? Der bekannte Publizist Wolfgang Herles liefert eine überraschende Erklärung. Man könnte meinen, die Bildungsmisere sei Absicht, so der Autor, der sowohl für das konservative Magazin „Tichys Einblick“ als auch für den linken „Freitag“ schreibt.

„Der Staat, der seine Bürger nicht zu freien Individuen heranbildet, sondern sie durch Nudging, Dauerbelehrung und Propaganda dressiert und manipuliert, legt auf eine umfassende Bildung der Bevölkerung keinen Wert“, schreibt er in seinem neuen Buch „Mehr Anarchie, die Herrschaften“. Deutschland befinde sich längst im Kulturkampf. Die offenkundigen Bildungsdefizite seien ein „Einfallstor“, „durch das die linken Kulturkämpfer gegen das Bürgerliche vorrücken“.

Bürger als willenlose Lemminge
Herles unterstellt den links-grünen Protagonisten der großen Transformation der Gesellschaft, dass sie die Bildungsmisere billigend in Kauf nehmen. Denn Ahnungslosigkeit sei kein Handicap bei der Errichtung einer neuen Gesellschaft, sondern Voraussetzung. Diejenigen, die der frühere ZDF-Journalist als Gegner identifiziert, wollen mit Identitätspolitik, Cancel Culture, Gendern, Fortschrittsfeindlichkeit, Kapitalismuskritik etc. den Weg für eine neue Gesellschaft bahnen. Bürger, die nicht mehr gründlich informiert sind, verhalten sich wie Lemminge. Medien bereiteten dieser Entwicklung Vorschub, indem sie bei Themen wie Covid, Energie und Migration nicht mehr wie kritische Korrektive, sondern wie Regierungssprecher auftreten.

Herles möchte die lammfrommen Bürger, die eigentlich in der Mehrheit sind, dazu animieren, sich nicht von einer frechen, lauten und nahkampfgeschulten Minderheit bevormunden zu lassen. Das Problem: „Die Mitte ist nicht kampfbereit. Unbeteiligte, vor der Glotze erschlaffte Zuschauer – korrekt hört es sich noch beängstigender an: die Erschlaffenden – empfinden die Zumutungen der grünen Ideologen als lästig, doch sie spüren noch nicht, dass mehr angegriffen wird als ihr Portemonnaie. Wann erkennen sie, dass Wohlstandsverlust, staatliche Gängelung, Sprachverstümmelung und das Moralgedonner aus allen Rohren nicht voneinander zu trennen sind?“

Zunächst skizziert der vormalige Moderator der ZDF-Kultursendung „aspekte“ die Lage. Das Land befinde sich im Würgegriff der „Habeckbürger“, wie er die neuen Spießbürger witzig-treffend nennt. Der Spießer ist Konformist, der sich einen autoritären Staat mit Stillstand, Verboten und Verzicht wünscht. All dies sieht er in der grünen Ideologie, die inzwischen ja regierungsamtlich wurde, angelegt. Mit seiner süffig-sarkastisch geschriebenen Streitschrift will er die „normalen“ Bürger, die bürgerliche Mitte, der an Wohlstand, Fortschritt, Wissenschaft, Freiheit und westlichen Werten gelegen ist, animieren, sich ins Gefecht gegen die grünen Spießbürger zu werfen.

Manche werden sagen: Wie kann ein konservativ-liberaler Publizist von Anarchie und Häuserkampf gegen die Feinde der Freiheit anschreiben? Wie kann er nur so witzig, frech und laut sein? Herles schreibt so, wie er schreibt, weil er zum einen ein absoluter Freigeist ist und weil er zum anderen in großer Sorge um dieses Land ist, das von dem „Wirtschaftsabbauminister“ Habeck ruiniert werde.

Manchmal schießt er etwas über das Ziel hinaus, so zum Beispiel auf den letzten Seiten seines Buches: „Ehe der ganze Wohlstand eines ganzen Volkes abbrennt, wäre es doch begreiflich, wenn auch ein paar Finanzämter brennen würden – so wie in Frankreich Rathäuser.“

Die rot-grün-gelbe „Fortschrittskoalition“ in Berlin produziere nur „Fortschrittsblockade“. Dies ist inzwischen ziemlich offensichtlich, wenn man sich die ökonomischen Kennzahlen anschaut. Begleitet werde dieser Niedergang immer noch zu sehr vom „Schweigen der Lämmer“, wie Herles die lammfrommen Bürger nennt, die sich das alles gefallen lassen.

Die Rolle der Medien
Der Einfluss der Grünen auf dieses Land sei weit höher, als es ihren Wahlergebnissen entspricht. Einen Grund hierfür sieht er in der starken Medienunterstützung, insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Dass ein Kinderbuchautor im Amt des Wirtschaftsministers erkennbar überfordert ist, wird von seinen schreibenden und sendenden Fans kaum kritisch thematisiert. Auch den Machtopportunismus der Grünen bringt Herles treffend auf den Punkt: „Niemand kann heute die Feuerkraft gepanzerter Waffen besser erklären als grüne ‚Schwerter-zu-Pflugscharen'-Prediger.“

Die Unionspolitiker Friedrich Merz und Markus Söder haben die Grünen inzwischen zu den politischen Hauptgegnern erklärt. Aber auch die Sympathisanten von CDU und CSU dürfen sich bei der Lektüre dieses Buches nicht entspannt zurücklehnen. Herles fordert eine klare Abkehr von der Merkel-Ära. Er misstraut Parteien zutiefst und ist der Meinung, dass sie sich den Staat zur Beute gemacht haben. Die Aufgabe des Journalisten sieht er zuvörderst darin, kritisch zu sein – egal, wer gerade regiert. Ungehorsam ist für ihn erste Bürgerpflicht.

Der Autor fordert die Bürgerlichen auf, sich nicht in den Lesesessel oder den eigenen Schrebergarten zurückzuziehen. Gute Musik zu hören und gute Bücher zu lesen, reiche nicht. „Die Verteidigung der eigenen Kultur ist Häuserkampf, alltäglicher Nahkampf“, so Herles. Die Vertreter der bürgerlichen Mitte sollten nicht einknicken und schweigen. Sie sollten widersprechen und sich wehren, wenn ihnen andere vorschreiben wollen, was sie zu essen, zu denken, zu lesen, wie sie zu schreiben und zu sprechen haben. Das ist unbequem, das erfordert Mut. Denn diejenigen, die mit radikaler Wucht eine ganz andere Gesellschaft errichten wollen, denunzieren ihre Widersacher gern als „Rechte“ oder Nazis.

Herles' Buch ist letztlich ein Plädoyer für den gesunden Menschenverstand und gegen Resignation und den Rückzug ins Schneckenhaus.

Wolfgang Herles: „Mehr Anarchie, die Herrschaften. Eine Anstiftung“, LangenMüller Verlag, München 2023, gebunden, 160 Seiten, 22 Euro


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Kommentare

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski am 15.01.24, 10:29 Uhr

Es ist erschreckend zu sehen, wie empathielos mit der Liquidierung der deutschen Kultur umgegangen wird. Man muß wohl Politiker sein, um das Erfordernis, auch ausländische Arbeitskräfte zu brauchen, nutzt, um unser Deutschtum zugunsten des eines künftigen Gesocksestans aufzugeben.
Nur für die Deutschen gilt nicht der alte Grundsatz „When in Rome, do as the Romans do“ (Wenn du in Rom bist, verhalte dich (gefälligst) wie ein Römer). Sie haben tunlichst Toleranz gegenüber den Hergekommenen zu praktizieren bis diese sich erübrigt, weil sie wegen ihrer Minderheit dann überstimmt werden.
Aus dem Artikel, der sich tendenziell auf diese Entwicklung bezieht, greife ich nur den erwähnten Aspekt der Sprachverstümmelung (Schreiben nach Gehör) heraus. Konkret könnte die zugehörige Konsequenz dazu so aussehen:
grosschrift brauch ma nichmea ma hörzi ja nich. manche buchstabm unt kommas (korrekt: Kommata) brauch ma auch nich mea. flaicht is schraibm nach gehöa schon n grunt das fiile täkste hoite nichmea richtich faschteen könnn.
Zudem könnte man sich fragen, warum in diesem Kauderwelsch noch in jedes einzelne Wort unterteilt wurde.

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