Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Gerhard Paul ist auf die Visualisierung von Geschichte spezialisiert
Der Autor Gerhard Paul ist Historiker und gilt als wichtiger Vertreter der „Visual History“. In dieser Disziplin dienen Bilder unterschiedlichster Art als Grundlage für die Analyse historischer Ereignisse. Hier hat er bereits einschlägige Werke zur Geschichte des 20. Jahrhunderts veröffentlicht. Das vorliegende Werk sollte zum 75. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland erscheinen. So sollte auch der Titel des Buches lauten, um Verwechselungen zu vermeiden und vielleicht Identität mit unserem Staat zu stiften. Paul schreibt eine Bildgeschichte der 75 Jahre alten Republik mit den Großkapiteln „Die ,Bonner Republik' 1949–1989“, „Die ,Berliner Republik' 1990–2023“, „Die ,Ampelrepublik' 2021 ff“.
Unter dem Dach dieser Einteilung erscheinen thematisch völlig unterschiedliche Abschnitte, die in den jeweiligen Zeitrahmen passen. Beispiele: „Bundesdeutsche Kinowelten“, „Die visuelle Protestkultur der 68er“, „Imageprobleme der Regierung Scholz“ oder die „Ästhetik von Verlust und Opfer“, gemeint sind Flüchtlinge, Vertriebene und Kriegsheimkehrer in den ersten Jahren der jungen Republik.
Etwa 240 Einzelbeiträge zeugen vom Einsatz und der Arbeit des Autors und seiner Mitarbeiter und von seiner breiten fachlichen Kompetenz. Alle Beispiele in Wort und Bild sind nach eigenem Bekunden seine persönliche Auswahl. Zwar hält sich Paul an die Chronologie von 1949 bis 2024, es ist aber „keine linear-chronologische Geschichte“ der Bundesrepublik Deutschland.
Schlüsselerlebnisse der Deutschen
Die Schlüsselereignisse wie der Mauerbau, die friedliche Revolution und Wiedervereinigung sowie die Krisen der gegenwärtigen Ampel werden berücksichtigt, ja müssen berücksichtigt werden, sie geben den zeitlichen Rahmen an. Unter diesem Schirm folgen Ereignisse, Betrachtungsweisen, Kommentare, die Entwicklung der Sichtweisen, die das fotografische Gesicht der Republik bis zum „Public Viewing“ und YouTube zeigen.
Eingestreut sind immer wieder fundiert-fachliche Aussagen zur medialen Behandlung von Ereignissen sowie eine Demonstration über die Macht, die von Bildern ausgeht. Stellvertretend wird der Abschnitt „Großer Zapfenstreich“ genannt, der den Rückzug aus Afghanistan und den Abschied der Bundeskanzlerin Merkel behandelt.
Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bildern oder Fotos ist das Buch überhaupt nicht, vielmehr wird das Material gezielt auf vom Autor ausgewählte Fragestellungen bezogen. Gemessen am Umfang der Texte ist die Zahl der Bilder gering mit Ausnahme der historisch wichtigsten Ereignisse wie beispielsweise die friedliche Revolution mit dem Fall der Mauer. Schon allein wegen des Umfanges, der Breite des Inhalts und der vertiefenden Analysen der verschiedensten Medien ist das Buch keine lineare und chronologische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet, dass der Leser durchaus wählen kann, was ihn interessiert.
Das Thema DDR, auch Teil der deutschen Geschichte, wird zu kurz behandelt, wie auch der gesamte Bereich vom Verlust der Ostgebiete, Flucht, Vertreibung und Eingliederung stärker hätte berücksichtigt werden können. Dies war ohne Zweifel ein stark prägendes Problem in den Anfangsjahren der jungen Republik. Die jeweilige Auswahl der Fotos, Bilder, Plakate et cetera ist hervorragend zu den Inhalten der Texte ausgesucht, sie beschreibend und interpretierend (als Beispiele seien die Seite 169 Vertreibung, 494 Afghanistan sowie 262 und folgende Fall der Mauer genannt).
Das Buch wird jedem an der Konzeption Visuelle Geschichte und am Inhalt Interessierten empfohlen, es sollte aber auch im Angebot öffentlicher Büchereien und Schulen stehen. Wichtig ist es auch für die Ausbildung von Fachlehrern hauptsächlich für Geschichte, Politische Bildung und Deutsch, werden doch mit diesem Buch neue Aspekte für den Unterricht angeboten.