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Geschichte

Deutschlands Dornröschenschloss

Schlange stehen für ein Weltwunder im Allgäu – Die Schlösser König Ludwigs II. von Bayern sind neuerdings UNESCO-Welterbe

Stephanie Sieckmann
20.09.2025

Schloss Neuschwanstein, der aus Stein errichtete architektonische Traum von König Ludwig II. von Bayern, ist in diesem Jahr zum Weltkulturerbe ernannt worden. Endlich. Den Titel trägt das Schloss, das von 1869 bis 1892 erbaut wurde, jedoch nicht allein. Vielmehr ist das gesamte Portfolio der Schlösser, die der bayerische König hat gestalten lassen, von der UNESCO mit dem Titel geehrt worden. Auch Linderhof, Herrenchiemsee und das Königshaus am Schachen dürfen sich seit dem 12. Juli Weltkulturerbe nennen.

Es ist kaum zu glauben, dass Schloss Neuschwanstein erst jetzt diese Ehre zuteilgeworden ist. Die Dreiflügelanlage, die im Stil der Neoromantik erbaut wurde, ist seit Langem eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Rund eine Million Gäste bestaunten im Jahr 2024 die königlichen Räume wie Thronsaal, Schlafzimmer und Sängersaal.

Die Besucherschlangen, die sich Tag für Tag vor dem Einlass bilden und schon am frühen Morgen endlos lang erscheinen, konkurrieren mit denen der größten Touristenattraktionen Europas. Nur wenige Orte, wie zum Beispiel Mont-Saint-Michel (rund drei Millionen Besucher), locken mehr Besucher an. Besonders Gäste aus Fernost zieht es zu diesem Märchenschloss im Ostallgäu.

Was die Architektur betrifft, wählte Ludwig II. für seine Bauvorhaben unterschiedliche Stile. Neuschwanstein wurde in Anlehnung an mittelalterliche Burgen gestaltet. Linderhof wurde als Lustschloss nach dem Vorbild des Rokoko entworfen. Architektonische Grundlage für Schloss Herrenchiemsee war die Zeit des Barock.

Neuschwanstein gilt als das Herzensprojekt Ludwigs II. Mit diesem Bau realisierte der Bayernkönig seine Vision von einem Märchenschloss. Inspiration waren für ihn Ritterburgen. Ein Besuch auf der Wartburg, die zehn Jahre vor Baubeginn von Neuschwanstein wiederaufgebaut worden war, regte ihn zu einigen Details an. Ebenso ein Besuch auf Schloss Pierrefonds, das nördlich von Paris in der Nähe von Compiègne gelegen ist.

Der Bauplatz, der Ort an sich, auf dem das Schloss errichtet werden sollte, war dem König von Kindheit an vertraut. Gemeinsam mit seinem Vater und später auch allein, hatte er schon in früher Jugend Ausflüge und Wanderungen zu dem alten Bergfried und zwei Burgruinen unternommen, die sich ursprünglich an diesem Ort befanden. Neuschwanstein steht auf einem steilen Felsen, rund 200 Meter über dem Tal und insgesamt auf einer Höhe von rund 1000 Metern über dem Meeresspiegel. An dieser Stelle zeigt sich eine Aussicht, die den Blick weit schweifen lässt. Zu sehen gibt es hier einiges. In der Umgebung liegen die Stadt Füssen, der Pöllat- und der Schwansee sowie die beiden dominierenden Berge des Schwangau: der Tegelberg (1881 Meter) und der Säuling (2047 Meter).

Inspiration für Disney
Die Baustelle auf dem steilen Felsen stellte einige Herausforderungen bereit. Zunächst mussten die Burgruinen, die sich an der Stelle des Neubaus befanden, vollständig abgetragen werden. Die Statik musste auf den Fels abgestimmt werden. Dann mussten die notwendigen Materialien hinaufgeschafft werden: Kalkstein aus dem Steinbruch im Schwangau, Marmor aus der Region um Salzburg, Sandstein aus Württemberg. Zudem rund 400.000 Ziegelsteine und rund 2000 Kubikmeter Holz. Tag für Tag waren zudem 200 Handwerker im Einsatz, in manchen Phasen sogar 300 Arbeiter.

König Ludwig II. verfolgte mit seiner Vision vom Schloss Neuschwanstein zwar das Ziel, eine historische Burg zu errichten. Bei der Umsetzung der baulichen Gestaltung setzte er dagegen auf moderne Technik. Für den Transport von Baumaterial ließ er einen Dampfkran einsetzen – für die damalige Zeit eine sehr fortschrittliche Technik. Die Inspektion wurde in die Hände des 1870 gegründeten regionalen Dampfkessel-Überwachungs- und-Revisionsvereins (DÜV) gelegt. Später ging der TÜV daraus hervor.

Auch das Gebäude an sich ist sehr fortschrittlich konstruiert. Im Inneren verbergen sich Stahlträger, welche die Holzdecken stabilisieren. Einige Innenräume wie der Thronsaal weisen tonnenförmige Kreuzrippengewölbe auf, die den Räumen ein imposantes Erscheinungsbild verleihen, gleichzeitig aber die Last nur zum Teil tragen.

Bei etwa 6000 Quadratmetern Grundfläche waren für das Schloss 200 Innenräume geplant. Da Ludwig ständig das Geld ausging – die Kosten übertrafen mehrfach die geplanten Ausgaben –, wurden am Ende lediglich 15 Räume und Säle fertiggestellt. Bei der Ausgestaltung der Räume hat der König seine Liebe zur Musik seines Idols Richard Wagner einfließen lassen. Motive aus dessen Opern „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ finden sich im Gebäude wieder.

Heute ist Neuschwanstein das weltweit bekannteste deutsche Schloss. Es steht als Symbol für märchenhafte Träume, Phantasie und Romantik. Es ist aber auch das weltweit am häufigsten kopierte und nachempfundene Bauwerk. Sogar Micky-Maus-Erfinder Walt Disney beeindruckte es. Sowohl das Dornröschenschloss im kalifornischen Disneyland sowie das Cinderella Castle in Disney World Florida und Disneyland Tokio sind von Neuschwanstein inspiriert. Zahlreiche seiner Märchen- und Fantasyfilme nutzten das Gebäude als Kulisse. Nachbauten des Schlosses finden sich heute nicht nur in China und Japan sowie in den USA, sondern auch in Südkorea und Spanien.

b Seit vorigen Sommer finden wieder die Neuschwanstein-Konzerte statt. Die diesjährige Open-Air-Ausgabe unter anderem mit der lettische Opernsängerin Elīna Garanča ist ab 28. September in der arte-Mediathek abrufbar und am 4. Oktober um 21 Uhr auf 3sat im TV zu sehen.


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