29.03.2024

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Margarete von Wrangell

Deutschlands erste ordentliche Professorin

Festakt an der Universität Hohenheim aus Anlass der Berufung der Baltendeutschen vor hundert Jahren

E.B.
09.04.2023

Es war ein steiniger Weg: Margarete von Wrangell wurde vor hundert Jahren als erste Frau auf eine ordentliche Professur in Deutschland berufen. Die Agrikulturchemikerin musste sich über viele Hindernisse hinwegsetzen. Als Professorin für Pflanzenernährung lehrte und forschte sie an der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Die deutsch-baltische Adlige kam am 7. Januar 1877 in Moskau zur Welt und wuchs in Reval (Tallinn) auf. Zunächst wurde sie Lehrerin für Naturwissenschaften, doch dies füllte sie nicht aus. Ihre Berufung fand sie durch den Besuch eines Ferienkurses in Botanik an der Universität Greifswald. Sie schrieb sich als eine der ersten Studentinnen an der Universität Tübingen ein und promovierte 1909 in Chemie.

Anschließend forschte sie unter anderem mit dem Nobelpreisträger Sir William Ramsay in London und der Nobelpreisträgerin Marie Curie in Paris. 1912 übernahm sie die Leitung der Versuchsstation des Estländischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval.

Während der russischen Oktoberrevolution floh sie 1918 an die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim, an der sie 1920 habilitiert wurde. Es war die erste Hohenheimer Habilitation überhaupt. In ihrer Forschung beschäftigte sie sich intensiv mit dem Einsatz von Mineraldüngern und erwarb sehr schnell ein beachtliches wissenschaftliches Renommee. Dabei galt ihr Hauptaugenmerk dem Phosphat, ein bereits damals knapper Rohstoff.

1921 erhielt die Reichsregierung 75 Millionen Mark von der Düngemittel-Industrie zur Errichtung eines Instituts für Pflanzenernährung. Dieser Fonds war an die Baltendeutsche gebunden. Gegen den Widerstand mancher Hohenheimer Professoren wurde sie 1923 nicht nur Institutsleiterin, sondern entsprechend ihrer Forderung auch zur ersten ordentlichen Professorin Deutschlands berufen. Ihr Institut leitete sie bis zu ihrem frühen Tod am 31. März 1932. Noch heute bildet es, mittlerweile aufgegangen im Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, eine wichtige Säule der agrarwissenschaftlichen Forschung an der Universität Hohenheim.

Vorletzten Montag würdigten die Universität Hohenheim, die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den wissenschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs (LaKoG), der Verband Baden-Württembergischer Wissenschaftlerinnen (VBWW) sowie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) die Forscherin mit einem Festakt an der Universität Hohenheim.

Geschichtswissenschaftliche Sicht

Die Pionierleistung der Baltendeutschen sei beachtlich, erklärte die Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Heidelberg, Katja Patzel-Mattern, in ihrem Vortrag „Margarete von Wrangells Weg auf die Professur – eine Karriere in ihrer Zeit“. „Sie war in erster Linie Wissenschaftlerin und nicht Frauenrechtlerin. Doch der Wert von Netzwerken, auch Frauennetzwerken, in denen sie sich engagierte, war ihr sehr bewusst. Sie waren eine Ressource für sie als erste ordentliche Professorin Deutschlands. Als erste Frau in dieser Position hatte sie gegen massiven Widerstand zu kämpfen.“

„Von Wrangells Forschung, unter anderem mit Nobelpreisträgerin Marie Curie, erregte großes Aufsehen, sodass sie 1920 an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim habilitiert wurde“, berichtete die Expertin. „Doch ihre Forschungsleistung war nicht der alleinige Grund für ihre spätere Berufung: Die Düngemittel-Industrie stellte der Reichsregierung 75 Millionen Mark zur Errichtung eines Instituts für Pflanzenernährung zur Verfügung – gebunden an die Person von Wrangells.“

Als sie verlangte, auch einen ordentlichen Lehrstuhl übertragen zu bekommen, regte sich Widerstand im Hohenheimer Lehrerkonvent. Ihre späteren Kollegen bezweifelten bei einer Senatssitzung, „ob eine Frau in der Lage sei, ein Institut mit größerem männlichen Personal zu leiten“. Anfeindungen gab es auch auf fachlicher Ebene: Kurz vor ihrer Ernennung wurden Plagiats-Vorwürfe laut, die jedoch im Sande verliefen.

Die Baltendeutsche machte daraufhin ihren Einfluss in Berlin geltend und überging damit den Hohenheimer Lehrerkonvent. „Das württembergische Ministerium reagierte: Hohenheim erfuhr zuerst aus der Presse von einem Erlass, nach dem von Wrangell mit Wirkung vom 1. Januar 1923 zur ordentlichen Professorin ernannt worden sei.“ Sie war für lange Zeit die einzige in Hohenheim – erst 1974 gab es mit Leonore Blosser-Reisen wieder eine ordentliche Professorin an dieser Universität.

Agrarwissenschaftliche Würdigung

„Margarete von Wrangells Herz schlug ganz und gar für die Wissenschaft – und ihre Erkenntnisse waren richtungsweisend“, betonte Torsten Müller in seinem Vortrag „Margarete von Wrangells Forschung – immer noch aktuell?!“ Der 1961 in Kassel geborene Agrarwissenschaftler leitet das Fachgebiet Düngung und Bodenstoffhaushalt an der Universität Hohenheim und steht damit zusammen mit Uwe Ludewig vom Fachgebiet Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen in der Nachfolge der Pionierin.

Die Baltendeutsche beschäftigte sich vornehmlich mit Phosphor – neben Stickstoff eines der wichtigsten Elemente für Düngemittel. „Sie erkannte, dass schwer lösliche Phosphate im Boden in pflanzenverfügbare Formen umgewandelt werden können“, erklärte der Vorsitzende des Prüfungs- und Zulassungsausschusses des europäischen Master-Studiengangs Organic Agriculture and Food Systems. „Aufgrund dieser Erkenntnis konnte die Phosphatdüngung in Deutschland reduziert und optimiert werden. Das machte die deutsche Landwirtschaft damals unabhängiger von importierten Rohphosphaten.“

Denn Phosphat sei ein endlicher Rohstoff. Noch heute komme die landwirtschaftliche Produktion weltweit nicht ohne zusätzliches Phosphat aus, das in natürlichen Lagerstätten abgebaut werden müsse. „Gelingt es nicht, diese Ressource nachhaltiger zu nutzen, steuert die Menschheit auf eine ernste Krise zu. Phosphor ist als Nährstoff für Pflanzen, Tiere und Menschen unersetzlich.“

Die Universität Hohenheim arbeite daher noch heute in zahlreichen Projekten daran, Phosphat ressourcenschonend einzusetzen und aus nachhaltigen Quellen zu gewinnen – aus Bioabfällen, häuslichem Abwasser oder Gärresten aus der Biogasanlage. „Unser Ziel ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Sinn der Bioökonomie“, schloss Müller. E.B.


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