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Analyse

Deutungen eines Krieges

Richard Drexl
25.03.2022

Die Zeichen mehren sich, dass Wladimir Putin sich mit seinem Angriff gegen die Ukraine verzockt hat. Der verzweifelte Mut der Ukrainer ist mit den Mitteln der russischen Armee nur schwer zu brechen. Jeder Tag des ukrainischen Standhaltens ist eine Niederlage für die Russen. Zwar ist der Osten besetzt und die Schwarzmeerküste bis vor Odessa eingenommen, darüber hinaus wurden aber kaum Geländegewinne erzielt.

Woran kann das liegen? Ist das Operationsziel erreicht, oder geht nichts mehr? Für finale Erkenntnisse ist es zu früh, doch schälen sich immer deutlicher bemerkenswerte Tendenzen heraus:

• Die Ukraine umfasst ein Gebiet von etwa 600.000 Quadratkilometern. Der numerische Kräfteansatz bei Kriegsbeginn wird auf bis zu 200.000 Angreifer geschätzt. Setzt man bis zu drei „Unterstützer“ auf einen Frontkämpfer an, bleiben über den Daumen 60.000 Kämpfer zur Eroberung riesiger Gebiete. Selbst wenn nur Schlüsselregionen erobert werden sollten, wäre dies ein unzureichender Kräfteansatz gewesen.

• War der Eindruck einer modernen russischen Armee irreführend? Möglicherweise auch für Zar Putin? Für Militärparaden und bilderstarke Manöver hat es gereicht, ein Angriffskrieg mit Superwaffen ist bisher nicht zu beobachten.

• Die mit etwa 14 Milliarden US-Dollar bezifferte Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe der USA für das ukrainische Militär wirkt. Gezielter Waffeneinsatz, sichere Kommunikation, Nachtsicht- und Radargeräte sowie eine brauchbare Militärmedizin ergeben eine halbwegs tragfähige Basis für die Kampfführung.

• Insbesondere schultergestützte Flug- und Panzerabwehrwaffen setzen den Russen zu. Sie verfügen offenbar über keine tauglichen Abwehrmittel gegen Stinger- und Javelin-Lenkflugkörper.

• Wie bereits in Armenien dürften auch türkische Drohnen eine Rolle spielen. Für sie wird keine große Infrastruktur benötigt, mit ihnen kann überraschend zugeschlagen werden. Für geländekundige Verteidiger eine ideale Waffe.

• Aktuelle Informationen über die Feindlage von NATO-Geheimdiensten dürften den Ukrainern gezielte Gegenschläge ermöglichen.

• Bilder von aufeinander gefahrenen und zerstörten Panzergruppen inmitten von Siedlungsgebieten werfen Fragen zur Angriffstaktik auf. Die gewässerreiche Geographie zwingt die Angreifer oft auf befestigte Straßen, was die Bekämpfung ihrer Konvois erleichtert. Zweifel an den operativen Fähigkeiten des russischen Generalstabs zur koordinierten Gesamtkriegsführung werden laut.

• Russland leidet bis heute an einer kollektivistischen Prägung. Jede Armee tut sich schwer, die das Wort Auftragstaktik nicht buchstabieren kann und den Kommandeuren wenig Entscheidungsspielraum lässt. Militärischer Dilettantismus paart sich stellenweise mit Brutalität. Unmotivierte und uninformierte Wehrpflichtige sind einer taktisch wenig versierten, um nicht zu sagen inkompetenten Führung ausgesetzt.

• Erstaunliche Unfähigkeit zum Gefecht der verbundenen Waffen: Panzer gehen ohne Infanterieunterstützung vor, Bodentruppen erhalten kaum Deckung aus der Luft. Versorgungsprobleme an Treibstoff, Munition und Verpflegung passen ins Bild.

• Nicht zuletzt spielen auch die modernen Medien eine gewichtige Rolle, Bilder brutaler Angriffe auf die Zivilbevölkerung machen die Runde. Wer das sieht, greift automatisch zur Waffe. Wolodimir Selenskyj weiß sich der neuen Möglichkeiten perfekt zu bedienen.

Zudem macht sich offenbar ein Personaltausch des ukrainischen Präsidenten bezahlt. Der Chef der Streitkräfte wurde 2021 durch den jungen General Saluschni ersetzt. Nicht in der Sowjetunion ausgebildet, orientiert an westlicher Kampftaktik, zog dieser Lehren aus den Fehlern der Ukraine bei der Annexion der Krim 2014. Die Armee wurde in kleine autonome Kampfverbände umgegliedert, was sich beim Verzögerungskampf und der Ortsverteidigung als handfester Vorteil erweist.

Es ist bei Weitem zu früh für einen Abgesang auf die Russen, allein in Anbetracht von deren materieller Materialüberlegenheit. Die Ukrainer aber kämpfen um ihre Heimat, sie beschützen Haus und Hof gegen das übergriffige Brudervolk. Ihre Motivation ist die Bewahrung des Erreichten, das russische Joch steht auch aus historischen Gründen in einem denkbar schlechten Ruf. Die Freiheit erweist sich als überaus starke Triebfeder, dafür setzen die Verteidiger ihr Leben aufs Spiel. Wofür es sich zu kämpfen lohnt, bedarf keiner Erklärung.


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Kommentare

sitra achra am 25.03.22, 12:31 Uhr

Brüdervölker? Nee, eher Kain und Abel.
Irgendwie nervt der permanente Iwanismus. Es gab schon zwei ehrenwerte historische Versuche, ihn endgültig auszuschalten. 1989 wäre dazu auch eine Gelegenheit gewesen.
v.Dohnanyi hat Unrecht, wenn er die Russen als Nachbarn bezeichnet, auf die man Rücksicht zu nehmen habe. Solche "Nachbarn" wünscht sich niemand.
v. Dohnanyi hat den kollektiven russischen Charakter nicht gelesen. Ukrainer können das.

Daniel Deutsch am 25.03.22, 10:55 Uhr

„Seit dem vergangenen Wochenende, in den 24 Tagen seit Beginn des Konfliktes, hat Russland rund 1.400 Angriffe geflogen und fast 1.000 Raketen abgeschossen (im Gegensatz dazu flogen die Vereinigten Staaten alleine am ersten Tag des Irakkrieges von 2003 mehr Einsätze und setzten mehr Waffen ein). … Ein Teil dieser Angriffe hat zivile Strukturen beschädigt und zerstört und unschuldige Zivilisten getötet und verletzt, doch ist das Ausmaß von Tod und Zerstörung im Verhältnis zu Russlands Kapazität gering. „Ich weiß, es ist schwer… zu schlucken, dass das Blutbad und die Zerstörung weit schlimmer sein könnten, als es der Fall ist”, sagt der DIA-Analyst. „Aber genau das zeigen die Fakten. Für mich sieht es danach aus, dass Putin nicht absichtlich Zivilisten angreift, sondern dass er vielleicht darauf bedacht ist, den Schaden in Grenzen zu halten, damit die Tür für Verhandlungen offenbleibt.“

Diese Pentagon-Quellen bestätigen, was Putin und das russische Verteidigungsministerium schon von Anfang an sagen: dass Russlands Angriff nicht ins Stocken geraten ist, sondern methodisch und planvoll vorgeht, um Städte einzukreisen, humanitäre Korridore für Zivilisten zu öffnen und zivile Infrastruktur wie Wasser, Strom und das Internet am Laufen zu halten und zivile Opfer möglichst zu vermeiden sucht. „Russlands Verhalten in dem brutalen Krieg erzählt eine andere Geschichte als die weithin akzeptierte Sicht, dass Wladimir Putin darauf abziele, die Ukraine zu zerstören und möglichst großen Schaden unter der Zivilbevölkerung anzurichten – und es zeigt den strategischen Balanceakt der russischen Führung“, berichtete Newsweek in einem Artikel mit der Überschrift „Putins Bomber könnten die Ukraine dem Erdboden gleichmachen, aber er hält sich zurück.

Waffenstudent Franz am 25.03.22, 10:08 Uhr

Eine rasche Befriedung des Kampfes war nie Putins Ziel, ganz im Gegenteil: Jahrelange Scharmützel brechen die antirussische Front nach und nach auf. Und Putin gewinnt neue Freunde im Kampf gegen die Dollarweltherrschaft.

Die Deutsche Schauspielerin Beatrice Richter erzählte gestern im Bayern-TV, daß sie 1963, als fünfzehnjährige länger im Krankenhaus bleiben wollte, weil sie dort satt wurde! Daheim war das leider nicht gegeben. Und das war ann0 1963 und nicht 1945.

Wenn Deutschlands hochgezüchtete Jugend 3 Monate lang den Ernährungsplan der einer Beatrice Richter von 1963 abarbeiten muß, dann ist ganz schnell Schluß mit dem Ukraine-Fetischismus! Und genau das will Putin!

Ingrid Schuler am 25.03.22, 08:30 Uhr

Es ist mit Verlaub Unsinn, was Sie schreiben, aber ganz auf NATO-Linie. Putin führt keinen Krieg gegen die Ukraine, aber der ukrainische Präsident und seine Armee gegen die Russen. Putin geht es ausschließlich darum, die russische Bevölkerung im Ostteil des Landes gegen den seit 8 Jahren andauernden Raketenbeschuß und den Entzug der Lebensgrundlagen zu schützen und innerhalb der Ukraine alles auszuschalten, was dieser fortgesetzten Aggression dient (so auch u.a. die Asow-Kampfgruppe, die Biolabore, Waffenlager etc). Gegen die ukrainische Bevölkerung wird kein Krieg geführt, sondern versucht, die Landwirtschaft und die Infrastruktur des Landes insgesamt zu schonen. Die Lieferung von Gas wird trotz der Auseinandersetzungen mit der ukrain. Armee aufrechterhalten. Tatsächlich wird die ukrainische Bevölkerung von den eigenen Truppenverbänden in Geiselhaft genommen, Waffenlager in den Städten angelegt, sodaß negative Bilder entstehen, wenn die Russen diese Lager zerstören. Die ukrain. Soldaten verschanzen sich absichtlich in den Städten, um einen aufreibenden Häuserkampf mit entsprechenden Fotos für den Westen zu provozieren.
Putin hat seit seinem Amtsantritt dem Westen wiederholt mehr nachbarschaftliche Zusammenarbeit angeboten, sich gegen die widerrechtliche Ausweitung der NATO lediglich verbal gewehrt, hat viele Sanktionen des Westens über sein Land ergehen lassen, hat 8 Jahre lang auf die Einhaltung des Minsker Abkommens durch die ukrainischen Regierungen gewartet. Diese werden jedoch von den USA als agent provocateur im eigenen Interesse benutzt, so wie Polen vor dem Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland. Zuletzt hat Putin mehrfach klar geäußert, wo seine absolute rote Linie liegt: bei der Frage der Krim, dem Schutz der russischen Bevölkerung in der Ukraine und der dauerhaften Neutralität/Nichtmitgliedschaft der Ukraine in der NATO. Dem Westen/den USA waren sowohl Putins Angebote wie seine Warnungen schnurzegal. Seine Geduld wurde als Schwäche ausgelegt. Seit Putin in moderater Weise in der Ukraine aktiv wurde, gilt er als der Aggressor, und es wird im Westen gegen ihn gehetzt, was die Massenmedien hergeben. Auch das hatten wir vor wenigen Jahrzehnten schon einmal, als sowohl vor dem Ersten wie dem Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland in absolut verleumdender Weise Stimmung gemacht wurde. Nicht Putin ist der Aggressor. Das moderate Auftreten der geringen Zahl seiner Soldaten zeigt es. Der tatsächliche Aggressor schon seit Jahren sind die USA, die schon seit Jahren den Dritten Weltkrieg planen, um sich über das Chaos, das er hinterlassen wird, endlich die Weltherrschaft zu sichern und den Konkurrenten Rußland auszuschalten.

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