07.11.2024

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Traditionspflege

Die 42er, ein pommersches Regiment

Eine legendäre Militäreinheit – Vom „alten Dessauer“ über Blücher, Schill und Wallenstein bis heute

Torsten Seegert
05.10.2024

Im Süden der Insel Rügen liegt Groß Stresow. Hoch über dem kleinen alten Fischerdorf thront der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. auf einer über 15 Meter hohen Säule – eine Landmarke. Unterhalb dieser steht der Nachbau des „Verräterhauses“, von dem schon der Rüganer Ernst Moritz Arndt zu berichten wusste.

Der Legende nach hatte Johann Meußling hier auf dem Dach des ursprünglichen „Rookhuses“ ein weißes Laken gespannt, um eben jenem legendären preußischen König die Navigation und Landung in der Stresower Bucht zu ermöglichen. Der Preuße nahm die „Einladung“ dankend an und schlug am 15. November 1715 mit 20.000 bis 24.000 Soldaten unter der Führung des „alten Dessauers“ die Schweden in die Flucht.

An diesen militärgeschichtlich bedeutenden Ort Rügens luden nun am 18. September 2024 die Traditionsträger des
5. Pommerschen Infanterie-Regiments Nr. 42 zu einem Vortrag über Stralsund als Garnisonsstadt und die Geschichte des fest mit der Region verbundenen Regiments ein. Nils Kujath wurde dazu von zwei Kameraden der Traditionsträger begleitet. Diese hatten auch Ausstellungsstücke aus der Sammlung des 42er-Regiments mitgebracht.

Die Preußen und die Schweden
Gleich zu Beginn machte Kujath, der selbst mehrfach als Bundeswehrsoldat im Afghanistaneinsatz gewesen ist, darauf aufmerksam, dass es ihm und seinen Kameraden bei der Traditionspflege keineswegs um Kriegsverherrlichung gehe, sondern darum, das Andenken an die „42er“ als Teil der Regionalgeschichte zu bewahren. Dieser ehrenamtlichen Selbstverpflichtung kommen die Kameraden vor allem durch die Aufarbeitung der Regimentsgeschichte und der Pflege von Denkmälern, wie der Sternschanze auf dem Dänholm und Grabmalen nach.

Weitaus populärer, aber seltener, sind die Auftritte der „42er“ in ihren historischen Friedensuniformen. Ob zu internationalen Gedenkveranstaltungen oder historischen Festtagen wie dem Schweriner Schlossfest, zum Volkstrauertag oder alle zwei Jahre im Rahmen eigener Veranstaltungen anlässlich historischer Ehrentage des Regimentes.

Die Soldaten mit ihren Pickelhauben machen so natürlich etwas her und sind daher begehrte Fotomotive. Dabei können es die Traditionsträger durchaus mit Filmstars wie Hardy Krüger aufnehmen, der in der Kriegskomödie „Die Gans von Sedan“ von 1959 einen 42er darstellte. Regelmäßig werden die Kameraden von Damen in historischen Kleidern der Epoche begleitet.

Doch zurück zum Regiment und der Garnisonsgeschichte: In Stralsund, der alten Festungsstadt, die mit dem Widerstand der Stralsunder gegen Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg oder der Belagerung durch den Soldatenkönig im Nordischen Krieg, aber auch durch den Aufenthalt des „Marschall Vorwärts“ (von Blücher) und dem Tod des Offiziers Ferdinand von Schill während der napoleonischen Epoche verbunden ist, wurden die „42er“ am 5. Mai 1860 zunächst als 2. Kombiniertes Infanterieregiment aufgestellt. Zwei Monate nach Aufstellung hatte man dieses dann zum 5. Pommerschen Infanterie-Regiments Nr. 42 umgegliedert. Die Zugehörigkeit zum Regiment war äußerlich durch Schulterklappen mit der Ziffer „42“ auszumachen. Ab 1890 wurde durch allerhöchste Kabinettsorder (AKO) die weiße Grundfarbe für die Bataillonsfahnen und Schulterstücken, entsprechend der festen Farbzuordnung zum Armeekorps festgelegt.

Regionalgeschichte bewahren
In der Friedensgliederung gehörten die „42er“ zum 2. Armeekorps in Stettin. Dieses bestand jedoch aus zwei Divisionen – der 3. Division und der 4. Division. Die 3. Division wiederum gliederte sich in zwei Infanterie- und eine Kavalleriebrigade. 1880 wurde den „42ern“ der Ehrenname „Prinz Moritz von Anhalt-Dessau“ verliehen, da sie ihre Wurzeln in Landwehrbataillonen hatte, die ursprünglich zum altpreußischen Infanterieregiment Nr. 22 gehörten, welches von eben jenem Monarchen und Feldherrn geführt wurde.

Seine Feuertaufe erlebte das Regiment während des Preußisch-Österreichischen Krieges von 1866. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gehörte das Infanterie-Regiment Nr. 42 bis 1886 zu den Besatzungstruppen ins lothringische Metz. Anschließend erfolgte die Rückverlegung in die alten Garnisonen Stralsund und Greifswald. Hier befanden sich nach dem Garnisonsausbau durch Preußen neue Kasernen wie die Infanteriekaserne am Frankendamm, auch Frankenkaserne genannt. Noch heute prägen alte Militärbauten aus dieser Zeit Teile des Stadtbilds von Stralsund, so das Garnisonslazarett am neuen Markt. Der Bau, aus Steinen regionaler Ziegeleien errichtet, zeigt auch die wirtschaftliche Bedeutung des Militärstandortes. Die Frankenkaserne wurde während der Bombardierung am 6. Oktober 1944 schwer beschädigt und später abgebrochen.

Viel zu wenig Beachtung findet heute, dass die „42er“ Teil des öffentlichen Lebens waren. So trugen Schneidereien und Schuster Sorge für die Einkleidung, Stellmacher, Tischler und Böttcher fertigten Gebrauchsgegenstände, die Landwirtschaft aus der Region belieferte die Garnison mit Lebensmitteln. Die Militärkapelle der „42er“ spielte öffentlich bei Festtagen in der Stadt oder auch in Gartenlokalen und Gaststätten auf.

Wirtschaftliche Bedeutung
Die „42er“ selbst rekrutierten sich zu zwei Dritteln aus Männern der Insel Rügen und des pommerschen Festlandes. Dieses enge Verhältnis zwischen Regiment und Einwohnern zeigt sich auch auf alten Fotos, Zeitungsartikeln, Reservistika oder Vereinsgegenständen von Ehemaligenvereinen, die von der lebenslangen Identifikation mit dem Regiment zeugen. Wie weit diese Bindung reichte, lässt sich an einem Foto zum 100. Jubiläum der Aufstellung des 5. Pommerschen Infanterie-Regiments Nr. 42 im Jahr 1960 feststellen. In Hannover trafen sich damals Veteranen der „42er“, um sich an ihre gemeinsame Zeit in dem nach dem nach dem Ersten Weltkrieg aufgelösten pommerschen Regiment zu erinnern und damit ihre lebenslange Bindung zu bekräftigen.

Für die an die 50 Gäste der Veranstaltung in Groß Stresow war dieser Vortrag über die regionale Geschichte des mit Rügen eng verbundenen Regiments sicher etwas Neues. Die Traditionsträger der „42er“ freuten sich vor allem über die große Resonanz.


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