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Trotz einer historischen Wahlniederlage für das Regierungsbündnis bei der Europawahl dürfte es vorerst nicht zu Neuwahlen kommen
Für das regierende Ampelbündnis wurde die Wahl zum Europäischen Parlament zu einem Debakel. Fast elf Prozentpunkte verloren SPD, Grüne und FDP am Sonntag zusammen gegenüber ihrem Ergebnis bei der Abstimmung vor fünf Jahren.
Besonders heftig fielen dabei die Verluste bei den Grünen aus, die allein 8,6 Prozentpunkte einbüßten. Sie bekamen offensichtlich die Quittung für ihren brachialen Versuch, den Bürgern vorschreiben zu wollen, womit sie zu heizen und mit welchem Fahrzeug sie sich fortzubewegen haben, sowie für ihre Energiepolitik, die zu den höchsten Strompreisen in der Geschichte führte.
Auch die SPD fuhr mit ihren 13,9 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Dass ihre Verluste gegenüber dem letzten Mal nicht höher ausfielen, liegt allein daran, dass die Genossen schon vor fünf Jahren böse abstürzten und nun kaum noch ein Sockel da ist, von dem sie fallen könnten. Gleichwohl ist das Entsetzen und der Bedarf an Erklärungen groß.
Klar ist, dass die einstige Volkspartei langjährige Kernwählergruppen schon lange nicht mehr erreicht. Dazu gehören insbesondere die sprichwörtlichen „kleinen Leute“, mit deren Lebensverhältnissen die Scholzens, Kühnerts, Eskens' et cetera schon lange nichts mehr anfangen können. Und dass die Sozialdemokraten mit Katharina Barley noch einmal jene Genossin auf Platz 1 ihrer Liste setzten, die schon vor fünf Jahren als Spitzenkandidatin das bis dahin schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl einfuhr, zeugt entweder von hoher Ignoranz gegenüber dem Wählerwillen oder aber davon, dass der ältesten deutschen Partei die Leute ausgehen. Jedenfalls sind derzeit nirgendwo überzeugende Köpfe zu erkennen, denen zuzutrauen wäre, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.
Dass es angesichts eines solchen Debakels zu Forderungen nach Neuwahlen oder zumindest dem Stellen der Vertrauensfrage durch den Bundeskanzler kommt, verwundert nicht. Zumal parallel in Frankreich Präsident Macron als Folge der Wahlniederlage seiner Partei „Renaissance“ umgehend die Nationalversammlung auflöste und Neuwahlen ansetzte. Ebenso wenig verwundert, dass bei einem derart schlechten Ergebnis frühere Parteigrößen wie der ehemalige Vorsitzende Sigmar Gabriel der derzeitigen Führung den Anspruch bestreiten, auch künftig an der Spitze zu stehen.
Ruf nach der Vertrauensfrage
Dennoch sieht es derzeit nicht danach aus, als ob es zu einem Wechsel an der SPD-Spitze oder gar zu Neuwahlen kommen könnte. Zwar wurde aus den Reihen der Sozialdemokraten schon länger der populäre Boris Pistorius als Alternative zu Scholz gehandelt, doch dürfte ein Machtkampf die Partei keineswegs stärken. Und an Neuwahlen haben derzeit nicht nur die Ampelparteien kein Interesse, die in diesem Falle mit massiven Verlusten rechnen müssten, sondern auch die Opposition, die zwar gestärkt aus der Europawahl hervorging, jedoch – das gilt vor allem für die Union aus CDU und CSU – wichtige Machtfragen noch lange nicht geklärt hat.
So wiesen Kritiker des Parteivorsitzenden Friedrich Merz refelexhaft darauf hin, dass die Union zwar mit Abstand stärkste Kraft geworden ist und mehr Stimmen holte als SPD und Grüne zusammen, dass sie andererseits jedoch trotz des Ampel-Debakels gerade einmal 1,1 Prozentpunkte zulegen konnte. Was jene Merz-Kritiker freilich ausblenden ist, dass die Grünen alles andere als ein Erfolgsmodell sind und dass schwarz-grüne Annäherungen vor allem der Union stets geschadet haben. Zudem zeigt der Erfolg der zweiten großen Oppositionspartei AfD, wohin nicht nur die Sozialdemokratie, sondern auch die Union zahlreiche einstige Stammwähler verloren hat – und wo somit jene Potentiale lägen, die es bräuchte, um zu alter Größe zurückzufinden.
Die AfD wiederum gehört mit einem Ergebnis von 15,9 Prozent und einem Plus von 4,9 Prozentpunkten gegenüber 2019 zweifellos zu den Gewinnern der Wahl. Dass die Partei jedoch noch im Februar in Umfragen bei 22 Prozent stand, zeigt, dass ihr Auftreten im Wahlkampf alles andere als optimal war. So sorgten Spitzenpolitiker aus den eigenen Reihen wiederholt für negative Schlagzeilen. Zwar wurden diese von der Parteiführung regelmäßig als Angriffe der politischen Konkurrenz oder der „Systemmedien“ zurückgewiesen, doch zeigt der Umstand, dass die neue AfD-Delegation in Brüssel den Spitzenkandidaten Krah nicht aufnehmen will, dass die Vorwürfe von außen offenbar nicht ganz falsch gewesen sind.
Zu den großen Siegern der Europawahl gehört auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das auf Anhieb 6,2 Prozent holte. War das BSW bislang vor allem eine Projektionsfläche der Medien, so sortiert es sich nun Schritt für Schritt in das Parteiengefüge der Republik ein. Wohin die Reise für die neue politische Kraft mittel- und langfristig geht, ist damit freilich noch nicht gesagt.
Lehren aus der Wahl
Aufschlussreich bei der diesjährigen Wahlanalyse ist der Blick zu den europäischen Nachbarn. Auch dort gab es durchgehend Zugewinne für christdemokratische, konservative und rechte Parteien. So wurde in Frankreich der „Rassemblement National“, in Spanien der „Partido Popular“, in Österreich die FPÖ und in Italien die „Fratelli d'Italia“ stärkste Kraft.
Zu den wenigen linken Parteien, die in ihrem Land die Europawahlen gewinnen konnten, gehören übrigens die Sozialistische Volkspartei und die Sozialdemokraten Dänemarks. Letztere haben vor einigen Jahren als Reaktion auf die Folgen der unkontrollierten Zuwanderung die Grenzen des Landes geschlossen – und damit den Aufstieg der dänischen Rechtspopulisten gestoppt. Vielleicht nehmen sich das auch die deutschen Ampelparteien zu Herzen, wenn sie sich in den nächsten Tagen fragen, wie es am Sonntag zu ihrem desaströsen Ergebnis kommen konnte.