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Allmählich werden die Folgen des Corona-Lockdowns für das Bildungswesen sichtbar. Über das Ausmaß der entstandenen Unterrichtsrückstände – und wie diese zeitnah sinnvoll ausgeglichen werden können
Covid-19 hat das Schuljahr 2019/2020 durcheinandergewirbelt. Das zweite Schulhalbjahr bleibt ein Torso, denn ab Mitte März wurden alle Schulen in Deutschland geschlossen. Seitdem haben Deutschlands Schüler je nach Klassenstufe zwischen 200 und 300 Unterrichtsstunden verloren. Das ist ein gewaltiger Kollateralschaden der Pandemie, denn dieses Defizit entspricht mittlerweile einem Viertel, bis zum Beginn der Sommerferien wohl einem Drittel eines Schuljahres.
Die Folgen sind gravierend, wenngleich sie aufgrund großzügigst einsetzender Notengebung im Moment nicht sichtbar sind. Zumal für Grundschüler, bei denen es um den Erwerb grundlegender Kulturtechniken geht, sind 200 ausgefallene Unterrichtsstunden ein Rückstand, der nur mit viel Mühe aufzuholen ist.
Bislang und wohl noch auf längere Sicht mussten und müssen die Schulen die Wochen so recht und schlecht mit „Teleteaching“, „Online-Lernen“, Skypen, „Homeschooling“ und dergleichen überbrücken, aber es ist ein Notbehelf. Das „Homeschooling“ kann den genannten Rückstand nicht ausgleichen. Dass reguläre Schule und Präsenzunterricht auch soziales Lernen sind, lassen wir dabei sogar außer Betracht.
Den vergleichsweise geringsten Schaden haben Kinder bildungsbeflissener Elternhäuser. Denn dort geben Mütter und Väter den Hilfslehrer. Am größten dürften die Versäumnisse in „bildungsfernen“ Häusern sein, zumal dort, wo die Eltern kaum Deutsch sprechen. Angesichts von Schulen mit 80 und mehr Prozent Migrantenanteil potenziert sich damit ein Problem, das die Integrationsfähigkeit des deutschen Bildungswesens noch mehr überfordert und die Integrationsbereitschaft eines Teils der entsprechenden Bevölkerungsanteile noch mehr einschränkt.
Abschlussprüfungen und Zeugnisse
Wiederkehrende schulische Normalität war zunächst bei den Abschlussprüfungen angesagt. Zurecht, denn zum einen konnte man Schülern ab dem 16. Lebensjahr die für die Prüfungen notwendigen Hygienemaßnahmen am wirkungsvollsten vermitteln. Ein Wegfall der Abiturprüfungen, ohnehin auf zwei Wochen verteilt mit maximal dreimal vierstündigem Aufenthalt in Prüfungsräumen, wäre auch im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen kaum zu vertreten gewesen – etwa im Vergleich zu Hunderttausenden von Ärzten, Krankenpflegern, Altenpflegern und Supermarktkassiererinnen mit 40 bis 60 Arbeitsstunden pro Woche.
Zum zweiten brauchten die angehenden Schulabsolventen ihre Abschlusszeugnisse auch, um sich um Lehrstellen oder Studienplätze zu bewerben. Dass es schlaue Schülerpetitionen (mit Sprüchen wie „Was nützt mir ein Abitur, wenn ich tot bin“) gab, die Abschlussprüfungen ersatzlos ausfallen zu lassen und fiktive Abschlussnoten zu errechnen, sei erwähnt, hat sich aber in der Politik gottlob nicht durchgesetzt. Auch die Verwaltungsgerichte spielten erfreulicherweise nicht mit. Eine Berliner Abiturientin etwa hatte das Verwaltungsgericht angerufen. Ergebnis: Sie musste am 20. April trotz Corona-Angst ihre erste Prüfung schreiben. Denn dass sie gefährdet sei, so die Richter in einem Eilentscheid vom 17. April, sei nicht zu erkennen.
Die Abschlussprüfungen waren machbar. Das Land Hessen mit seinen rund 24.000 Aspiranten hat die schriftlichen Abiturprüfungen durchgebracht, wiewohl Corona bereits massiv im Anzug war. In Hessen fanden die schriftlichen Prüfungen vom 19. März bis 2. April, also noch vor den anschließenden Osterferien statt. Das Hessen-Abitur wurde – vorbehaltlich mündlicher und Nachholprüfungen – abgeschlossen. Eine Anfrage des Autors dieses PAZ-Beitrages bei der Presseabteilung des Hessischen Kultusministeriums vom 17. April ergab: Dem Ministerium liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass es dabei und danach zu Corona-Ausbrüchen oder -Ansteckungen gekommen wäre.
Und so „läuft“ denn das „Corona-Abitur“. Mit Ausnahme zweier Länder (Hessen und Rheinland-Pfalz), wo die schriftlichen Abiturprüfungen noch vor den Osterferien abgeschlossen wurden, verschoben alle anderen Bundesländer den Start in die Abiturprüfungen um zwei bis drei Wochen (analog die Termine der Zeugnisaushändigung und die Abschlussprüfungen anderer Schulformen). Am 20. April starteten Berlin, Brandenburg und Sachsen ins Abitur, am 21. April Hamburg und Schleswig-Holstein, am 22. April Bremen, am 4. Mai Sachsen-Anhalt, am 8. Mai Mecklenburg-Vorpommern, am 11. Mai Niedersachsen, am 12. Mai Nordrhein-Westfalen, am 18. Mai Baden-Württemberg und Thüringen, am 20. Mai Bayern und am 25. Mai das Saarland. Der Unterricht für die Abschlussklassen war kurz zuvor wieder angelaufen.
Schwierige Rückkehr in den Alltag
Und wie schaut es mit dem regulären Unterricht aus? Nachfolgend Beispiele aus drei ausgewählten deutschen Ländern:
Bayern ist am 11. Mai mit Klassenstufen, die 2021 einen Abschluss machen, in den Präsenzunterricht zurückgekehrt. Auch die Grundschulen haben wieder geöffnet, zunächst aber nur für die vierten Klassen, ab 18. Mai kommen die ersten Klassen dazu, in den Mittelschulen die Jahrgangsstufe 5, an den Realschulen und Gymnasien die Stufen 5 und 6. Dritter Starttermin ist nach den Pfingstferien am 15. Juni. Dann soll der Präsenzunterricht für alle übrigen Jahrgangsstufen an allen Schularten wieder aufgenommen werden.
In Nordrhein-Westfalen haben die Grundschulen am 7. Mai mit den 4. Klassen den Präsenzunterricht wiederaufgenommen. Ab dem 11. Mai wurden tageweise rollierend alle Jahrgänge der Grundschule wieder unterrichtet. Um allen Kindern den gleichen Zugang zur Schule zu ermöglichen, soll pro Wochentag ein Jahrgang in der Schule unterrichtet werden, am Folgetag dann der nächste Jahrgang.
Ab dem 11. Mai kamen an den Hauptschulen, Realschulen und Sekundarschulen neben der Jahrgangsstufe 10 ein bis zwei weitere Jahrgänge rollierend in die Schule. An den Schulformen mit gymnasialer Oberstufe kommen seit dem 11. Mai die Schüler der Qualifikationsphase 1 in die Schule. Ab dem 26. Mai sollten Schüler aus allen Jahrgangsstufen wieder unterrichtet werden.
In Sachsen werden seit dem 18. Mai alle Grundschüler wieder unterrichtet. Die 4. Klassen sind bereits seit dem 6. Mai an den Schulen. Das Bildungsangebot an Grundschulen soll auf die Kernfächer Deutsch, Mathematik, Sachunterricht und Englisch konzentriert werden. An den weiterführenden Schulen liegt der Schwerpunkt in den höheren Klassenstufen auf den schriftlichen Prüfungsfächern. In der Gymnasialen Oberstufe werden vorrangig die Leistungskursfächer sowie Grundkursfächer Deutsch und Mathematik berücksichtigt. Apropos Sachsen: Das Leipziger Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. Mai anlässlich einer Klage von Eltern eines Grundschülers den Schulbesuch zu einem „freiwilligen“ Schulbesuch erklärt. Man weiß ja: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand!
Ideen zum Abbau des Rückstands
Der Lernrückstand selbst lässt sich nur aufholen, wenn mit dem neuen Schuljahr 2020/2021 – vorbehaltlich einer zweiten Pandemiewelle – nachholende Maßnahmen ergriffen werden:
1. Kürzung von Ferien. Deutschlands Schüler haben pro Schuljahr 75 Werktage Ferien. Unter Einziehung diverser Feiertage (Ostermontag, Pfingstmontag, Weihnachtsfeiertage) ergibt das in etwa rund 13 Wochen Ferien. Oder umgekehrt: Deutschlands Schüler sind pro Schuljahr rund 39 Wochen in der Schule, sie haben also – Feiertage wieder eingerechnet – weniger als 190 Schultage. Durch „Corona“ haben sie im Schuljahr 2020/2021 bislang mindestens 40 Schultage versäumt. Eine anteilmäßige Kürzung der insgesamt mindestens fünf Ferien des Schuljahres 2020/2021 (Sommer-, Herbst-, Weihnachts-, Oster-, gegebenenfalls Pfingstferien) ließe wenigstens 15 dieser Tage, also rund drei Schulwochen, zurückgewinnen.
2. (Wieder-)Einführung des Sonnabendunterrichts. Einen solchen gab es in Deutschland-West und Deutschland-Ost bis in die 1980er Jahre hinein: in der DDR flächendeckend, in einigen „alten“ Bundesländern gänzlich oder zweimal im Monat. Allein durch die restlose Abschaffung des Sonnabendunterrichts wurde das Unterrichtsvolumen einer beispielsweise zehnjährigen Schullaufbahn um weit mehr als 1000 Unterrichtsstunden gekürzt. (Am Rande: Das entspricht in etwa dem Unterrichtsvolumen eines kompletten Schuljahres.) Mit einem zweiwöchentlich stattfindenden Sonnabendunterricht wären insgesamt innerhalb eines Schuljahres rund 20 Schultage beziehungsweise vier Schulwochen gewonnen.
Bewährte Unterrichtsformen
3. Dynamischer Unterrichtsstil. „Moderne“ Formen des Unterrichts (Gruppenarbeit, Freiarbeit oder Projektarbeit) sind zeitaufwendig und bringen nur den ohnehin fittesten Schülern etwas. Insofern wäre eine Renaissance eines dynamischen, leider zu Unrecht diskreditierten „Frontalunterrichts“ angesagt. Unsere Schüler brauchen gerade jetzt einen ergebnisorientierten (nicht nur erlebnisorientierten) Unterricht. Über den in gewissen Kreisen polemisch diskreditierten „Frontalunterricht“ schreibt der renommierte Gehirn- und Lernforscher Gerhard Roth übrigens: „Der Frontalunterricht eines kompetenten, einfühlsamen und begeisternden Lehrers ist allemal wirksamer als eine wenig strukturierte Gruppenarbeit und ein nicht überwachtes Einzellernen.“ Auch damit kann man Zeit wieder hereinholen.
• Josef Kraus war von 1987 bis 2017 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und von 1991 bis 2014 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung des Bundesministers der Verteidigung. Zu seinen Büchern gehört „Wie man eine Bildungsnation an
die Wand fährt. Und was Eltern jetzt wissen müssen“ (Herbig 2017).
Franz Maier am 29.05.20, 06:40 Uhr
An sich ist es aber doch eine sehr gute Sache, wenn die armen Kinder nicht mehr die Gehirnwäsche und die zahlreichen Verbote der staatlichen Schulen durchleiden müssen.