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Während es den etablierten Parteien nicht gelingt, die Probleme unserer Zeit zu lösen, erstarken vielerorts populistische Kräfte. Um deren Aufstieg zu verhindern, greifen Kultur- und Machteliten wiederholt zu fragwürdigen Mitteln
Lange Zeit galt Demokratie als eine Staatsform, in der man einen politischen Richtungswechsel herbeiwählen konnte. So sehen das heute noch viele. Mehr und mehr Leute haben sich aber eine andere Sichtweise angewöhnt. Sie verstehen allein sich selbst und ihresgleichen als Demokraten; und also folgern sie, dass ihre Gegner oder Kritiker eben keine Demokraten sein können. Derzeit begreifen sie sich als jene „demokratische Mitte“, die allein das gute und freiheitssichernde Regieren beherrscht und deshalb auch alternativlos regieren darf. Alles, was politisch anders empfindet als diese „Mitte“, sind die „Ränder“.
Am linken Rand, so wird gern geglaubt, will man zwar auch das Gute und Richtige. Doch man vergreift sich dort in der Tonlage und bei den anzuwendenden Mitteln. Das aber sei nicht mittig, sondern randständig. Doch immerhin bleibt das Herz am richtigen Fleck. Also darf man mit Leuten vom linken Rand zusammenarbeiten, wenn es nicht anders geht – so, wie derzeit in Thüringen und in Sachsen. Am rechten Rand hingegen liegt das im Deutschen Bundestag vom ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich erspähte „Tor zur Hölle“. Mit Leuten von dort zusammenzuarbeiten, geht natürlich nicht. Wie gut also, dass schon seit Jahren die Rechte der Linken im Lande die kulturell-politische Hegemonie überlässt! Und wie schön, dass die einst von „rechten Stahlhelmern“ durchzogene Union inzwischen nur noch eine „Partei der Mitte“ sein will.
Kulturelle Hegemonie der Linken
Als demokratische Partei verweigert sie sich, selbstverständlich, nicht der „demokratischen Linken“. Doch nach rechts gilt weiterhin Brechts Satz: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“ Deshalb braucht es jenen „Kampf gegen Rechts“, zu dem sich Rocker und Omas aufraffen, und den der Staat seinerseits durch Programme wie „Demokratie leben“ fördert, zuletzt mit über 180 Millionen Euro pro Jahr. Dass dennoch die AfD die Union eingeholt hat, zeigt an: „Nie wieder“ muss genau jetzt sein!
Gottlob strömen Freiwillige zum Kampf um die freiheitliche Demokratie. „Correctiv“, eine teils vom Staat, viel mehr aber von Privaten geförderte NGO, raunte zu Beginn des Jahres 2024 von einer Neuauflage der Wannsee-Konferenz samt AfD-Plänen zur millionenfachen Vertreibung von Nicht-Bio-Deutschen – und prompt kam es zu den, nach stolzer Selbsteinschätzung, größten „Demonstrationen gegen rechts“ im ganzen Land. Außerdem sprießen, mit Staatsmitteln gefördert, immer mehr „Meldestellen“ empor, wo gute Untertanen der Obrigkeit solche Aussagen und Verhaltensweisen mitteilen können, die zwar „rechts“ sind, doch leider noch nicht der Strafbarkeit unterliegen. Anders als im Handwerk scheint es dort an Stellenbewerbern nicht zu fehlen.
Und schön auch, dass mehr und mehr Richter begreifen, dass St. Justitia nicht blind sein muss, sondern umstandsabhängig hochsensibel. Weniger braucht es das Letztere, wenn es Jugendliche und Ältere an gutem Willen beim Umgang mit dem Eigentum oder Leib anderer fehlen lassen. Da soll man erzieherisch wirken durch Einfühlsamkeit und Milde. Abschreckung aber braucht es, wenn „Rechte“ sich erfrechen, der kulturellen und politischen Hegemonie von Links-Grünen Abbruch zu tun. Da gilt es, schon aus großer Entfernung Pech und Schwefel zu riechen und allen Anfängen zu wehren.
Natürlich ist es hilfreich, wenn Rechte sich durch eigenes Fehlverhalten Blößen geben. Niemand hat, zum Beispiel, Frankreichs einst aussichtsreiche Präsidentschaftsbewerberin Marine Le Pen dazu gezwungen, sich als Sauberfrau aufzuspielen und zur gleichen Zeit für ihre in Frankreich geleistete Parteiarbeit vom Europäischen Parlament bezahlte Mitarbeiter einzusetzen. Zwar scheint es in Frankreichs Politikerschaft recht normal zu sein, Rechtvorschriften zu beugen oder zu umgehen. Doch welch ein Göttergeschenk, dass es kein Linker, sondern eine Rechte war, der man den Prozess machen und dank Verurteilung samt Entzug des passiven Wahlrechts den Triumphzug in den Elysée-Palast fürs erste vermasseln konnte! Und also ward in Frankreich eine schöne Schlacht im „Kampf gegen Rechts“ gewonnen.
Im Zweifel mit den Mitteln der Justiz
Das gelang auch in Rumänien. Da war doch, wider alles Erwarten, ein Rechter namens Călin Georgescu fast zum Staatspräsidenten gewählt worden. Wie gut, dass sich solche Hinweise auf russische Einflussnahmen auf dessen Wahlkampfführung fanden, die es dem rumänischen Verfassungsgericht ermöglichten, jenen unerwarteten und politisch ganz unerwünschten Wahlsieg zu annullieren. In Deutschland hätte man – wie 2020 im Falle Thüringens – gesagt: Die Wahl ist unverzeihlich und muss rückgängig gemacht werden!
Wie in Thüringen kam es denn auch in Rumänien, nur dass man – mangels einer Überkanzlerin – dort nicht mit politischem Druck arbeitete, sondern einen Gerichtsbeschluss erwirkte. Welch ein Sieg der Rechtsstaatlichkeit! Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, an den sich Georgescu gewandt hatte, sah dessen Menschenrechten durch diese Annullierung keinen nicht wiedergutzumachenden Schaden zugefügt. Allerdings ließ die rumänische Wahlbehörde bei der angeordneten Wahlwiederholung den vorherigen Wahlsieger nicht wieder als Kandidaten zu. Dessen Einspruch dagegen wies das – schon durch Annullierung der Präsidentenwahl tätig gewordene – Verfassungsgericht zurück: Georgescu würde nämlich demokratische Grundwerte nicht anerkennen. Auf diese Weise rettete Rumäniens Justiz, nicht ohne politischen Flankenschutz seitens der Europäischen Kommission, ihres Landes Demokratie.
Weil das als vorbildlich galt, begab sich anschließend auch noch Folgendes. Vor der Bundestagswahl kam es zu einem aufsehenerregenden, wenn auch inhaltlich banalen, öffentlichen Gespräch zwischen der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und dem milliardenschweren Trump-Unterstützer und „X“-Beherrscher Elon Musk. Sogleich schwante den Demokratieschützern auf dem Brüsseler Berlaymont, dass womöglich auch hier ein „foreign agent“ am – auf politisch richtigem Kurs segelnden – öffentlich-rechtlichen Mediensystem vorbei die Bundestagswahl beeinflussen könne. Und also mahnte ein ehemaliger EU-Kommissar öffentlich an, sich die Weiterungen dieses Vorgangs genau anzusehen sowie, gegebenenfalls, hart einzugreifen: „Wir haben es in Rumänien getan und werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen.“
Verhinderung des gewählten Wandels
Gottlob hat der Unions-Kanzlerkandidat nie Zweifel daran gelassen, dass die AfD zwar stark werden könne, wie sie wolle; doch solange sie im Parlament keine absolute Mehrheit habe, brauche die Union weder AfD-Stimmen noch werde sie AfD-Positionen je unterstützen. Schließlich sei „die Mitte“ – reichend bis zur Linkspartei – weiterhin stark genug, ihr eigenes Ding zu machen. Wie das geht, wird gerade in Thüringen vorgeführt: Es verhindern alle nicht-rechten Parteien gemeinsam einen Politikwechsel, weil nämlich jene Partei viel zu rechts wäre, die doch gerade um eines Politikwechsels willen von der Wählerschaft zur stärksten Landes- und Parlamentspartei gemacht wurde.
Zum Glück für die Mitte haben Thüringer Gerichte auch klargestellt, dass der Satz „Alles für Deutschland“ zumindest dann den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen kann, wenn AfD-Politiker ihn äußern. Falls wir es jetzt auch noch schaffen, jedem das passive Wahlrecht zu entziehen, der zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt ist, dann sind wir einen wichtigen Schritt weiter: Denn der thüringische AfD-Chef Höcke wurde nämlich schon ein zweites Mal verurteilt. Und vielleicht ändert sich ja auch noch die juristische Ausdeutung von „Volksverhetzung“ dahingehend, dass jede Kritik an der „demokratischen Mitte“ unter ihn fällt – und nicht bloß als „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ gilt.
Für welche grundlegenden Unstimmigkeiten unserer Demokratiepraxis sind derlei Vorgänge gleichsam die Warnlichter? Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment: Frau Le Pen kandidierte für die Sozialisten, mit Georgescu hätten Grüne gesiegt, und mit Höcke wäre in Thüringen die Linkspartei zur stärksten Partei geworden. Hätten es dann sehr viele im Land für plausibel gehalten, dieselben Leute von Präsidentenpalästen oder Staatskanzleien fernzuhalten? – Offenbar wäre es keineswegs das gleiche, wenn gute linke und böse rechte Politiker das Gleiche getan hätten.
Worum es eigentlich geht
Im Kern geht es allerdings um Wichtigeres. Viele links-grüne Politiken sind nämlich in ihren Grenznutzenbereich geraten. Eben das merken nun Millionen von Europäern und wünschen deshalb einen Politikwechsel. Zugleich gehen unseren Kultur- und Machteliten die Argumente zur Verteidigung ihres Kurses aus. Darum verlassen sie sich nicht mehr auf die Mittel der Politik, also auf das Argumentieren, Überzeugen und Gewinnen von Wahlen. Vielmehr versuchen sie, den Gegner gerichtlich um dessen Wirksamkeit zu bringen oder ihn gleich ganz aus der politischen Arena zu vertreiben. Wo nämlich nicht mehr Argumente ihren – eher vermeintlichen als wirklichen – „zwanglosen Zwang“ (Jürgen Habermas) ausüben, dort wird es für jene, die sich klüger und moralischer dünken, höchst einladend, sich an den Mitteln erst indirekter, dann direkter Repression zu versuchen. Die Corona-Politik hat gezeigt, wie sich das in der Praxis ausnehmen kann.
Und warum auch nicht? Wer die Wahrheit verteidigt, hat immer recht – und wer die Wahrheit nicht kennt, ist dumm oder schlecht! Das links-grün-woke Milieu von heute glaubt diesen Kernaussagen des „Lieds der Partei“, der Hymne der Sozialistischen Einheitspartei Deuschlands, ebenso willig wie einst die kommunistische Kirche. Und die Union, von Panik befallen bei jeder Anmutung, sie sei nicht „mittig“, sondern „rechts“, gesellt sich diesem Milieu seit Jahren gern hinzu und nennt es schlicht die „demokratische Mitte“.
Noch ist es allerdings nur eine Versuchung, in solchen Demokratenkreisen sogar altbekannte Praxen autoritärer Herrschaft unter der Bedingung für lobenswert zu halten, dass man sich ihrer selbst bedienen kann. Doch allzu oft wird dieser Versuchung durchaus nicht mehr widerstanden. Vielleicht ist es an der Zeit, solchen Verhältnissen – nach dem Vorschlag von Karl Marx – immer wieder ihre eigene Melodie vorzuspielen, um sie, hoffentlich, zum Tanzen zu bringen. Oder zumindest zu jener pluralistischen Lockerheit, von der das Leben einer freiheitlichen Demokratie abhängt.
Prof. Dr. Werner J. Patzelt war von 1991 bis 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden und ist derzeit Forschungsdirektor des Mathias Corvinus Collegiums in Brüssel. Zu seinen Werken gehören „Ungarn verstehen“ (2023) und soeben „Deutschlands blaues Wunder. Die AfD und der Populismus“ (2025, beide Langen Müller). www.wjpatzelt.de
sitra achra am 12.04.25, 14:43 Uhr
Lieber autoritäre Strukturen, die für die Mehrzahl der Menschen Sicherheit bieten als diesen gemarxten, historisch überständigen linksbourgeoisen Zivilisationsmüll.