28.03.2024

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Infektionsschutz

Die Axt an der Gewaltenteilung

Mit einer Verschärfung der Infektionsschutzgesetzgebung will der Bund die Hoheit über die Corona-Maßnahmen an sich ziehen. Sollte das Kabinett damit durchkommen, hätte dies weitreichende Folgen für die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands

Josef Kraus
14.04.2021

Gerade in einer Zeit, in der Politik orientierungslos „auf Sicht fährt“ und zugleich auf „starken Maxe“ macht, ist es angebracht, die Grundsätze eines rechtsstaatlich verfassten und demokratisch-freiheitlichen Staatswesens zu reflektieren. Einer dieser Grundsätze heißt „Gewaltenteilung“. Dieser Grundsatz gerät in Zeiten von Corona mehr und mehr unter die Räder.

Was bedeutet Gewaltenteilung? Dieses Prinzip ist so alt wie die abendländische Staatsphilosophie. Schon Aristoteles und Cicero hatten sich dafür im Sinne eines Schutzes der Bürger vor Machtmissbrauch ausgesprochen. Präzisiert wurde das Prinzip der Gewaltenteilung durch John Locke (1632–1704) und Charles de Montesquieu (1689–1755). Beiden ging es um einen gemäßigten Staat, das heißt um den Schutz bürgerlicher Freiheiten vor Entartungen der Herrschaft, um Mitwirkungsrechte des Volkes und um eine gewalthemmende Balance. Für beide Philosophen war die Gewaltenteilung das Rückgrat der Menschenrechte. Die modernen westlichen Demokratien sind diesem Leitbild, wenn auch in verschiedener Ausprägung, ab 1776 gefolgt. Sozialistische Staatsideologien hingegen lehnen die Gewaltenteilung ab, denn bei ihnen befindet sich die „eine“ Partei – pseudohistorisch hergeleitet – immer im Recht (siehe die SED-Lobeshymne „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“ von 1950).

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes von 1949 haben sich einer Gewaltenteilung in zweifacher Hinsicht angeschlossen. Sie zogen sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Gewaltenteilung ein. „Horizontal“ heißt: Die Legislative (als Vertretung des Volkssouveräns), die Exekutive (als Regierungsgewalt) und die Judikative (als richterliche Gewalt) stehen nebeneinander. „Vertikal“ heißt: Der Bund muss seine Befugnisse mit den bis 1990 elf, heute sechzehn Ländern teilen. Die Bundesrepublik (ein Bundesstaat!) ist damit über 70 Jahre gut gefahren. Der Föderalismus garantierte einen Wettbewerb unter den Ländern und verhinderte – unabhängig von Regierungskonstellationen im Bund – eine bundesweite Gleichschaltung.

Abkehr von einem bewährten Prinzip

Dieses sinnvolle Gefüge steht nun auf dem Spiel. Bundeskanzlerin Merkel will in der Corona-Pandemie „durchregieren“ (so ihr Sprachschatz“), sie will „nicht tatenlos noch vierzehn Tage zusehen“ (so Merkel am 28. März in einer Solo-Audienz bei „Anne Will“). Ihr Plan ist eine mit heißer Nadel gestrickte Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Das Parlament soll wieder einmal zum Befehlsempfänger des Kanzleramtes werden. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Merkel will nämlich das Gesetz, zuletzt mit Zustimmung des Bundesrates geändert im November 2020, in Paragraph 28a mit seinen insgesamt 17 Einschränkungen dahingehend geändert wissen, dass der Bund, nicht die Länder, diese Maßnahmen exekutieren können: von Abstandsgeboten, Maskenpflicht, Ausgangsbeschränkungen über die Beschränkung für Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Hotelübernachtungen und Gastronomiebetrieb bis hin zur Untersagung von Versammlungen, auch religiösen Zusammenkünften, sowie zur Untersagung von Reisen usw. Bislang folgte darauf Paragraph 54, in dem es heißt: „Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden im Sinne dieses Gesetzes.“ Jetzt soll dies dem Bund mittels bloßer Verordnung (!) erlaubt sein. Von einem bis zu achtwöchigen Lockdown ist in Regierungskreisen bereits die Rede.

Bezeichnend ist, dass man in Berlin über einzelne Einschränkungen debattiert, aber nicht über den Grundsatz der Gewaltenteilung. Letztere also aus und vorbei? Die „BKMPK“ (Bundeskanzlerin- und Ministerpräsidenten-Konferenz) soll es nicht mehr geben. Auch dieses quasi „informelle Zen-tralkomitee“ stand bereits außerhalb des Grundgesetzes, weil es darin gar nicht vorkommt. CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete wie Norbert Röttgen versuchen, Placebos zu verteilen: Der Bund werde schon „klugen Gebrauch“ von den möglichen neuen Rechten machen. Ach wie nett! Und Markus Söder (CSU), selbsternannter Strauß-Enkel, vormaliger Freistaatler-Föderalist und vermutlich „Bald nicht mehr“-Kanzlerkandidat, gibt stramm die „Merkel 2.0“.

Im Ergebnis heißt das, Länder und Kreise würden vom Bund aus per Erlass etwa bei einer bestimmten Inzidenzrate zu bestimmten harten Einschränkungen verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, wie willkürlich diese umstrittenen Inzidenzgrenzen festgelegt wurden. Auch Bundesinnenminister (und Verfassungsminister!) Horst Seehofer (CSU) hält diesen Weg für richtig. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD; seine Gattin ist Präsidentin der Kultusministerkonferenz) stellt sich vor, Wechselunterricht an Schulen solle beispielsweise ab einer Inzidenz von 200 verpflichtend sein. Und obendrein muss alles ganz schnell gehen! Am 13. April verabschiedete das Bundeskabinett seinen Entwurf für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Der Bundesrat, also die Länderkammer, soll schnell zu einer Zustimmung gedrängt werden, obwohl in den letzten Tagen zahlreiche Landesfürsten Bedenken angemeldet hatten.

Ablenkungsmanöver

Derweil wird man den Eindruck nicht los, dass mit dieser Art des „Durchregierens“ vom eigenen Versagen abgelenkt werden soll. Denn dort, wo er hätte handeln können (siehe die Impfstoffbevorratung), übertrug der Bund ohne Not seine Kompetenzen nach Brüssel, um dort eine auch in diesem Amt restlos überforderte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ein weiteres Mal versagen zu lassen. Sie wolle keinen „Impfnationalismus“, verkündete Merkel zur Begründung, als ob sie nie einen Amtseid zum „Wohle des deutschen Volkes“ geleistet hätte.

Doch obwohl der Bund in der Corona-Pandemie bislang auf ganzer Linie versagt hat, musste bislang kein verantwortlicher Minister – kein Jens Spahn, kein Peter Altmeier, kein Helge Braun (alle CDU) – seinen Schreibtisch räumen. Auch keine Angela Merkel als Herrin der Richtlinien der Politik.

Eigentlich, ja eigentlich hätte Deutschland auf „Corona“ vorbereitet sein können. Dann hätten wir schon im März 2020 genügend Testmaterial, Atemschutzmasken, Schutzanzüge, Desinfektionsmittel, Krankenhaus-Intensivplätze, Beatmungsgeräte gehabt und die pharmakologische Forschung wäre deutlich weiter. „Eigentlich“ wäre das alles möglich gewesen, denn immerhin hat der Bundestag sich erstmals 2003 und dann sehr intensiv 2012 mit einer Pandemie durch ein Virus „Modi-SARS“ befasst. Nachlesen kann man das auf den Seiten 55 bis 87 einer Bundestagsdrucksache „dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/120/1712051.pdf“, Titel: „Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“.

Gelesen hat man den eigenen Bericht wohl nicht. Nicht einmal die letzten 30 Seiten, in denen festgehalten wird: „ ... Die personellen und materiellen Kapazitäten reichen nicht aus, um die gewohnte Versorgung aufrecht zu erhalten ... Arzneimittel, Medizinprodukte, persönliche Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel werden verstärkt nachgefragt. Da Krankenhäuser, Arztpraxen und Behörden in der Regel auf schnelle Nachlieferung angewiesen sind, die Industrie die Nachfrage jedoch nicht mehr vollständig bedienen kann, entstehen Engpässe.“

Wie gesagt: „Eigentlich“ hatte man bereits vor Jahren über eine Pandemie des Corona-Ausmaßes nachgedacht. Es wäre politische Verantwortung gewesen, auf Grundlage dieser Risikoanalyse beispielsweise die Forschung voranzutreiben, eine Bevorratung mit Schutzmaterialien einzuleiten, insgesamt den Zivilschutz auf Vordermann zu bringen. Und es wäre an der Zeit gewesen, das „Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz des Bundes (ZSKG)“ anzupassen.

Lehren aus der Geschichte

Stattdessen geht man nun mit der Axt an die Gewaltenteilung heran, um ein totales Regieren zu inszenieren. Die DDR anno 1952 lässt grüßen. Damals wurden per „Verwaltungsreform“ die damaligen fünf Bundesländer aufgelöst und in 14 Verwaltungsbezirke umgewandelt, damit die SED-Zentrale den direkten Zugriff vor Ort hatte. Welch alarmierende Parallelen! Gewichtige Stimmen werden in den Wind geschlagen. Nehmen wir eine Aussage des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. In seinem Buch „Die Warnung. Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird“, verfasst 2019, also vor Corona, schreibt er: „Wer dem weiteren Verfall der eigenstaatlichen Souveränität der Bundesländer, einschließlich des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, das Wort redet, nimmt einen weiteren Verlust an vitaler Selbstbestimmung des Volkes in Kauf. Demokratische Selbstbestimmung des Volkes, Subsidiarität und föderale Ordnung gehören nach dem Grundgesetz zusammen. Mit der föderalen Ordnung ist auch die rechtsstaatliche so bedeutsame Gewaltenteilung verbunden. Es erscheint mir ziemlich leichtfertig, diesen Zusammenhang auf dem Altar einer unbewiesenen Steigerung von staatlicher Effizienz durch weitere Zentralisierungen zu opfern.“ Und am 10. März 2021 sagt Ex-Präsident Papier in der „Welt“ mit Blick auf Merkel, ohne ihren Namen zu nennen: „Die Menschen dieses Landes sind keine Untertanen.“ Sowie: „Grundrechte kann man nicht beliebig entziehen und neu vergeben.“

Es bleiben bange Fragen: Stimmt der Bundesrat seiner Selbstentmachtung zu? Wird er überhaupt eingebunden? Und was ist mit der „vierten Gewalt“ im Staat? Soweit sie sich als „arrivierte“ Presse versteht, versagt auch sie. Apportierjournalismus ist angesagt. Und ein Spielen mit Angstmachen. Als Leithammel muss ein Karl Lauternach (SPD) herhalten, der mit mehr als 40 Auftritten binnen eines Jahres zum meistgefragten Talkshow-Wanderpokal geworden ist. Dort gibt er die Kassandra, warnt vor immer neuen Corona-Wellen, Hunderttausenden von Toten und einer Überlastung der Krankenhäuser. Derselbe Mann hatte übrigens 2019 gefordert, mehr als die Hälfte der deutschen Krankenhäuser zu schließen. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt, hatte Lauterbach diese Forderung doch zusammen mit der Bertelsmann Stiftung erhoben, deren Vorstandsmitglied Brigitte Mohn im Aufsichtsrat der Rhön-Kliniken sitzt. Von den Talkladies und Talkmasters wird er darauf nicht angesprochen.

Brodeln an der Basis

Und Markus Söder, Vertreter eines Freistaates, der 1949 dem Grundgesetz die Zustimmung verweigerte, weil man den Föderalismus nicht ausreichend gestärkt sah? Es wird ihm nicht guttun, was er hier inszeniert. Wenn nicht im Herbst 2021, so doch spätestens 2023 könnte „seine“ CSU die Quittung dafür bekommen, wenn sie nun den Föderalismus verraten sollte. Wenn sie schlau sind, wissen die Freien Wähler (FW) dies zu nutzen. Mit ihren bei der Landtagswahl von 2018 erzielten
11,6 Prozent stellen sie bereits den Koalitionspartner der CSU. Und sie stellen in Bayern ein Heer an Bürgermeistern und Landräten. Dem Vernehmen nach wollen sie 2021 für den Bundestag kandidieren. 2013 und 2017 waren sie mit jeweils 1,0 Prozent hängengeblieben. Ein wenig Boden haben sie seitdem gutgemacht, sie sind jetzt immerhin auch in den Landtagen von Brandenburg und Rheinland-Pfalz vertreten. Sollten Merkel und Söder ihre zentralistischen Pläne umsetzen, könnten die Freien Wähler versucht sein, den Bruch mit der CSU zu riskieren, um sich als bürgerliche Alternative im Bund zu präsentieren. Angesichts der großen Unzufriedenheit über die vorhandenen bürgerlichen Parteien erscheinen 5,0 Prozent und mehr keineswegs unerreichbar.

Immerhin: Der Landkreistag, dem viele FW-Mandatsträger angehören, rebelliert bereits gegen Merkels Gesetzesvorhaben. Und FW-Bayern- und Bundeschef Hubert Aiwanger sagt klipp und klar, der Bund solle sich nach all seinem Versagen hier heraushalten.


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Kommentare

Klaus Muller am 17.04.21, 08:17 Uhr

Sonja Dengler: Beweise? Beispiele?
Und: wieso sind die dann lokal recht erfolgreich, wenn sie "schlimmer" sind?

sitra achra am 16.04.21, 12:22 Uhr

Korrektur: Enochlophobie

sitra achra am 16.04.21, 12:10 Uhr

Die kryptofaschistischen Eliten dieses neuen Shitholes namens Dummland zerstören die erste Demokratie auf restdeutschem Boden. Darauf haben sie viel zu lange sehnsüchtig gewartet, aber der Erfolg gibt ihnen schlussendlich recht. Aus einem verunsicherten Nachkriegsvolk haben sie neue unerbittliche Volksgenossen geschmiedet. Welch ein Verdienst!
Es darf nun ungestraft denunziert und gehetzt werden.
Die gleichgeschalteten Medien lügen wie gedruckt, alle Hemmungen abgestreift.
Das Schwert der Justiz trieft vom Blut unschuldig Verfolgter, die es wagen, die Demokratie zu verteidigen.
Auf Demonstranten wird gnadenlos eingeprügelt.
Demnächst können widerspenstigen Eltern ihre Kinder entzogen werden und in Umerziehungsheime eingeliefert werden.
Dr. Mengele feiert fröhliche Auferstehung und betrachtet die Aktivitäten seiner Gehilfen Drosten, Wieler und Lauterbach mit Wohlwollen. Raus mit der Spritze und voll hinein ins menschliche Opferfleisch.
Es handelt sich ja lediglich um kostenlose Menschenversuche zum Nutzen der Pharmariesen, die von der Finanzelite zum Nutzen ihrer shareholder unterhalten werden.
So stellt es sich mir dar. Aber vielleicht leide ich unter einer pandemiebedingten Depression und an simpler Enochlophobie? Doch wenn ich grundehrlich bin, sehe ich eine blühende Zukunft voraus, das allerallerbeste Deutschland, in dem es ein Riesenfreude ist, dort zu leben. Wie schon der Schweizer Guru sagt: ihr verliert alles und seid einfach glücklich. (Wie heißt die neue Glücksdroge?)

Sonja Dengler am 14.04.21, 12:47 Uhr

FWV zu empfehlen, ist ein zweischneidiges Schwert: sie sind keine Partei, sondern ein e.V., also ebenfalls zentralistisch geführt. Und vor Ort, jedenfalls in unserem, benehmen sie sich schlimmer als die CDU/CSU-Politiker, übertreiben jede Maßnahme. Da kämen wir vom Regen in die Traufe.

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