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Demokratie

Die Brandmauer bröckelt

Die Ausgrenzung der AfD im Brandenburger Landtag endet – Aufruf zu offener Debatte

Hermann Müller
23.10.2024

Über mehr als zwei Wahlperioden hinweg haben die Vertreter der etablierten Parteien im Landtag von Brandenburg gegenüber den AfD-Abgeordneten auf eine sehr weitgehende Blockade und Ausgrenzung gesetzt. Legte die AfD-Fraktion einen Antrag oder einen Gesetzentwurf vor, war eine geschlossene Ablehnung durch alle anderen Fraktionen programmiert. Das Ausscheiden von Grünen und Linkspartei aus dem Landesparlament und das Dazukommen des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) scheint nun für einen Stimmungswechsel zu sorgen.

Bereits die erste Sitzung des märkischen Landtags nach der Wahl stellte ein Kontrastprogramm zur vorhergehenden Wahlperiode und auch zur konstituierenden Sitzung des Landesparlaments in Thüringen dar. In Erfurt war es im September zu einem Eklat um die Geschäftsordnung gekommen. Erst nach einem Beschluss des Verfassungsgerichts konnte die Volksvertretung in einer weiteren Sitzung ihren Präsidenten wählen.

Als Brandenburgs neues Landesparlament am 17. Oktober erstmals zusammentrat, zeigte sich Alterspräsident Reinhard Simon vom BSW in seiner Eröffnungsrede ganz deutlich als Brückenbauer. Ohne die AfD namentlich zu nennen, plädierte der 73-Jährige für ein Ende der Ausgrenzung im Parlament: „Gewähren wir den politischen Mitbewerbern, dass auch sie mal zutreffende Dinge beitragen können“, so der langjährige Theaterintendant aus dem uckermärkischen Schwedt.

BSW-Chef vollzieht Wende
Zuvor hatte schon Brandenburgs BSW-Landeschef, Robert Crumbach, eine generelle Brandmauer abgelehnt. Crumbach sagte, die AfD sei eine demokratisch gewählte Partei, mit der man sich inhaltlich auseinandersetzen müsse. Er bezweifelte dabei auch, dass die bisherige ständige Ausgrenzung der Partei erfolgreich gewesen sei.

Noch Anfang September, wenige Wochen vor der Landtagswahl, hatte sich der BSW-Landeschef offen für ein Verbotsverfahren gegen die AfD gezeigt. Das sei eine Überlegung, so Crumbach im September, die man weiterverfolgen müsse. Gegenüber dem „Nordkurier“ erklärte der frühere Arbeitsrichter zudem, die AfD sei inhaltlich völlig inakzeptabel, und „im Landesverband gibt es handelnde Personen, mit denen man weder reden kann noch reden darf.

Nur wenige Wochen später hält sich Crumbach nun offen, im Landtag „vernünftigen Anträgen“ der AfD nicht zu widersprechen. Einschränkend fügte er allerdings hinzu, er habe sich die Anträge der AfD-Fraktion der vorigen Wahlperiode angesehen und dabei nichts gefunden, was er unterstützt hätte.

Als ein Zeichen für das Ende der Ausgrenzungstaktik im Brandenburger Landtag kann die Wahl des Parlamentspräsidiums gesehen werden. Die SPD-Politikerin Ulrike Liedtke ist bei der ersten Sitzung des neuen Landtags erneut zur Präsidentin gewählt worden. Bei ihrer Wahl muss Liedtke auch viele Stimmen der AfD-Abgeordneten erhalten haben. Gleich im ersten Wahlgang bekam die Musikwissenschaftlerin aus Rheinsberg 70 Stimmen. An der Wahl teilgenommen hatten 86 der insgesamt 88 Landtagsabgeordneten. Nach ihrer Wahl schien Liedtke bemüht, im Parlament einen eher versöhnlichen Ton zu finden. Es gehe um gute Politik, für die die Fraktionen gemeinsam verantwortlich seien, und weiter: „Unser Wahlergebnis gibt es anderswo nirgends. Das ist eine Chance. Wir müssen selbst einen Umgang miteinander finden. Nach diesem Wahlergebnis wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, zu einigen, womöglich auch zu versöhnen. Dazu muss keine Brandmauer eingerissen werden, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind und bleiben abscheulich. Aber nicht alle Anhänger populistischer Organisationen sind rechtsextrem, rassistisch, antisemitisch.“

Nur noch „Schuss vor den Bug“
Gewählt wurden zudem drei Vizepräsidenten, sodass mit CDU, BSW, SPD und AfD alle Fraktionen in der Landtagsspitze vertreten sind. Allerdings benötigte der AfD-Kandidat Daniel Münschke einen zweiten Wahlgang, weil er beim ersten Anlauf nicht auf eine erforderliche absolute Mehrheit gekommen war. Bei der SPD war später von einem „Schuss vor den Bug“ die Rede, den die AfD unbedingt abbekommen sollte.

Weniger Beachtung als der Start der Wahlperiode im Potsdamer Landtag hat eine Entwicklung auf kommunaler Ebene in Brandenburg/Havel gefunden. Dort ist bereits im Mai eine neue Stadtverordnetenversammlung gewählt worden. Aktuell sehen sich CDU und Freie Wähler dem Vorwurf ausgesetzt, bei einer Abstimmung im Jugendhilfeausschuss gemeinsame Sache mit der AfD gemacht zu haben.

Anlass ist, dass in der Stadt Brandenburg vor Kurzem bei der Wahl der stimmberechtigten Mitglieder im Jugendhilfeausschuss die Offenen Jugendhäuser unterlegen waren. Sie sind im Gremium nun nicht mehr stimmberechtigt vertreten. Aus den Reihen der Jugendhausträger war daraufhin von einem abgekarteten Spiel zwischen CDU, Freien Wählern und AfD die Rede gewesen. Union und Freie Wähler hätten ohne Not mit der AfD gemeinsame Sache gemacht. Der CDU-Politiker Andreas Griebel, Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, sprach mit Blick auf die Abstimmung dagegen von einem Zufall.


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