24.04.2024

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Kostenexplosion

Die Deutsche Industrie sucht günstigere Standorte

Steigende Preise für Energie sind für viele produzierende Firmen nicht mehr zu stemmen. Als Land mit stabilen Kosten könnte Ungarn profitieren

Norman Hanert
30.08.2022

Derzeit dreht sich die Sorge in der deutschen Industrie vor allem darum, überhaupt in den nächsten Monaten mit Gas versorgt zu werden.

Langfristig ist jedoch absehbar, dass sich gerade energieintensive Unternehmen den Standort Deutschland mit seinen ohnehin schon hohen Energiekosten nicht mehr antun werden.

Bloomberg, die große amerikanische Agentur für Wirtschaftsnachrichten, wies erst vor Kurzem auf das Risiko sozialer Unruhen durch die hohen Energiekosten hin. Gepaart war dies mit der Warnung vor einer Abwanderung energieintensiver Unternehmen aus Deutschland. Bloomberg zitiert unter anderen Ralf Stoffels, den Geschäftsführer der BIW Isolierstoffe GmbH, einem Hersteller von Silikonteilen für die Automobil-, Luftfahrt- und Haushaltsgeräteindustrie. Der Manager äußert ganz offen die Befürchtung einer „schleichenden Deindustrialisierung der deutschen Wirtschaft“.

Erste Anzeichen für eine solche Entwicklung gibt es. Wegen der hohen Gaspreise haben etwa die Delkeskamp Verpackungswerke GmbH im Juli angekündigt, zum Jahresende ihre Papierfabrik im niedersächsischen Nortrup zu schließen. Als Grund verwies die Firmenleitung auf die Entwicklung der Energiekosten, die „weder planbar noch absehbar“ sei. Mit der Schließung gehen im Landkreis Osnabrück 70 Arbeitsplätze verloren.

30 Millionen Euro monatlich mehr

Bei SKW Piesteritz, einem der größten Düngemittelproduzenten Deutschlands, geht es zunächst einmal „nur“ um eine Produktionsunterbrechung und Kurzarbeit. Auf das Unternehmen in Sachsen-Anhalt kommen ab dem 1. Oktober durch die Gasumlage Mehrkosten von monatlich 30 Millionen Euro zu. Das sei finanziell nicht zu stemmen, so ein Sprecher des Unternehmens mit Sitz in Wittenberg. Nach Angaben des Firmensprechers ist SKW spätestens zum 1. Oktober gezwungen, die Produktion stillzulegen und Kurzarbeit anzumelden.

Insgesamt muss die deutsche Indus-trie durch die Gasumlage milliardenschwere Mehrkosten einkalkulieren. Allein die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland rechnet nach Angaben des Branchenverbands VCI mit einer jährlichen Zusatzbelastung von mehr als drei Milliarden Euro. Die Papierbranche geht von einer Milliarde Euro aus. Dazu kommen noch die Belastungen durch die drastisch höheren Gas- und Strompreise sowie die Verteuerung von Rohstoffen.

Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel sieht durch die Energiepreise nicht nur auf deutsche Unternehmen ein massives Problem zukommen: „Einige Industrien werden in starken Stress geraten und ihre Produktion in Europa überdenken“, so Simone Tagliapietra vom Bruegel-Institut. Wie zur Bestätigung dieser Warnung hat vor kurzem Slovalco, einer der größten slowakischen Aluminiumhersteller, angekündigt, ab September die Arbeit vorerst ruhen lassen. Als einen Grund nannte das Unternehmen die hohen Strompreise.

Auch Budel-Hütte in den Niederlanden, eine der größten Zinkschmelzen Europas, will ab September die Produktion vorerst stoppen.

Budapest bietet durch günstigen Strom Vorteile

Sollten es tatsächlich zu einer Abwanderungswelle energieintensiver Unternehmen kommen, kann sich ein EU-Land Hoffnungen machen, davon zu profitieren.

Schon seit dem EU-Beitritt Ungarns haben Autohersteller wie Audi, BMW und Mercedes sowie auch viele Zulieferer das Land als günstigen Produktionsstandort entdeckt. Die nächste Welle von Investitionen könnten Chemiefirmen und Papierhersteller sein, die hierzulande nicht mehr kostendeckend produzieren können. Punkten kann Ungarn nämlich mit sehr günstigen Energiepreisen.

Bei einem Vergleich der Energiepreise in 26 europäischen Hauptstädten durch die ungarische Energieregulierungsbehörde vom Dezember 2021 war Strom in Budapest am zweitbilligsten. Bei den Gaspreisen schnitt die ungarische Hauptstadt sogar als günstigster Standort ab. Ungarns Regierung hat dafür gesorgt, dass dieser Vorteil erhalten bleibt.

Vergangenes Jahr hat Ungarn mit dem Gazprom-Konzern einen langfristigen Vertrag bis Ende 2036 abgeschlossen. Vereinbart wurde dabei, die Gaslieferungen nicht mehr über das Gebiet der Ukraine laufen zu lassen, sondern über die TurkStream-Leitung. Im Juli vereinbarte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto mit Gazprom obendrein noch eine Erhöhung der Liefermenge.

Anders als die deutsche Bundesregierung will Ungarns Premier Viktor Orbán auch nicht auf russische Öllieferungen verzichten.


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Kommentare

Ulrich Bohl am 31.08.22, 09:28 Uhr

Deindustrialisierung ist das praktische Ergebnis der Arbeit
Merkels und der Fortschrittskoalition. Der Amtseid ist in
der politischen Realität ein Meineid. Er hat normalerweise
strafrechliche Konsequenzen zur Folge und keine hohen
Bezüge und Privilegien.

Tom Schroeder am 30.08.22, 19:12 Uhr

Ich sage da nur: Wird auch Zeit, damit die gruenen Luftschloesser endlich zerplatzen.

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