Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Nachdem die deutschsprachige Minderheit unter der PiS-Regierung lange Zeit unter politischer Diskriminierung litt, geht mit der neuen Regierung unter Donald Tusk nun ein Richtungswechsel einher. Nicht nur symbolträchtig, sondern für die deutsche Minderheit auch identitätswahrend ist die Rückkehr zu drei Unterrichtsstunden Deutsch pro Woche, die unter der PiS noch zu einer einzigen Stunde zusammengestrichen worden waren. Grund genug, sich näher mit der Situation der deutschen Minderheit in Polen und dem Spannungsfeld der polnischen Politik nach der letzten Wahl zu befassen.
Zu diesem Zweck veranstaltete der Bund Junges Ostpreußen ein Seminar zu den deutsch-polnischen Beziehungen in Münster und lud Redner aus Politik, Wissenschaft und den Reihen der deutschen Minderheit ein. Um den Argwohn der PiS-Regierung gegenüber der deutschen Minderheit zu verstehen, ist es wichtig, sich über die diplomatische Geschichte zwischen Deutschland und seinem östlichen Nachbar zu informieren. Nach dem Ende des Kalten Krieges war Deutschland lange Zeit Fürsprecher für eine Integration der osteuropäischen Staaten um Polen in die bestehenden Institutionen der Europäischen Union und in gewisser Weise auch Wegbereiter der Osterweiterung durch seine Scharnierfunktion zwischen West- und Osteuropa. Doch nach dem EU-Beitritt Polens 2004 herrschte weitgehend strategische Ratlosigkeit, die zudem mit einer allzu naiven Politik gegenüber Russland kombiniert wurde. Einerseits fühlte Polen seine Bedrohungslage durch Russland nicht ausreichend von Deutschland ernst genommen, das mit der ehemaligen Supermacht weitreichende Rohstoffverträge abschloss. Andererseits wirkte spätestens seit der Wahl Ursula von der Leyens die Europäische Union auf manche Polen als verlängerter Arm der deutschen Interessen, sodass die Spannungen zwischen PiS und der EU sich mittelbar auch auf die Bundesrepublik ausweiteten, wobei die deutsche Minderheit in Polen ein willkommener Sündenbock war.
Sicherlich auch aufgrund dieser schwierigen Situation ist es schwierig, ein genaues Lagebild von der deutschen Minderheit in Polen zu erstellen, da nicht jeder sich zu seinen Wurzeln offen bekennt. Die Statistiken der Volkszählung seien nicht eindeutig interpretierbar, berichtet Michał Schlueter als Vertreter der deutschen Minderheit in Polen, sodass eine genaue Abschätzung, wie viele Deutsche in Polen leben, schwierig sei. Die Wahl wurde aus Sicht der deutschen Minderheit „gewonnen und verloren gleichzeitig“: Zwar wurde die PiS abgestraft, sodass die dauerhafte und nachhaltige Rückkehr zu drei Wochenstunden muttersprachlichen Deutschunterricht möglich ist. Doch verpasste andererseits der Kandidat der deutschen Minderheit das nötige Quorum, um in den Sejm einzuziehen, denn die Polarisierung zwischen den großen Parteien KO und PiS hat die kleinsten Parteien regelrecht aufgerieben und Stimmen gekostet.
Dr. Eva Feldmann-Wojtachnia (LMU München) forscht zu der Sicht der Jugend Polens auf die politischen Themen und bilanziert, dass gerade die Politisierung der jungen Polinnen durch die Debatten um strengere Abtreibungseinschränkungen diese Gruppe an Wählerinnen bei der letzten Wahl für die Opposition mobilisiert habe. Dies sei ein entscheidender Beitrag zum schlechten Abschneiden der regierenden PiS gewesen. Insgesamt hat sich bei der Wahl gezeigt, dass die Parteien Lewica (Neue Linke) und KON (Konfederacja bzw. Konförderation) besonders stark unter der jungen Wählergruppe abgeschnitten haben, die allerdings eher die politischen Ränder links und rechts des polnischen Parteienspektrums darstellen. Ob in Zukunft eine weitere Polarisierung des polnischen Parteienspektrums bevorsteht, bleibt somit eine offene Frage. Zur Situation der deutschen Jugend in Polen erklärte Dr. Alexander Baunkecht von der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit, dass gut ausgebildete deutschsprachige junge Menschen oftmals aus Polen abgeworben werden und in Deutschland Arbeit finden. Dieses „Staubsaugerprinzip“ sei insbesondere außerhalb Schlesiens wie z.B. in Ostpreußen zu beobachten und erschwere es, eigene Eliten in Polen herauszubilden, die sich als Führungspersonen für Institutionen und Vereine eignen. Weronika Koston vom Bund der jungen deutschen Minderheit erklärte, dass die deutsche Minderheit in Polen sich durchaus von der deutschen Bundespolitik ernst genommen und unterstützt fühlt, da insbesondere die Finanzhilfen verschiedener Bundesministerien zahlreiche Bildungs- und Kulturprojekte ermöglichen würden.
Angesichts der Parlamentswahl und den Umbrüchen, die das politische System Polens erlebte, war das Seminar für den BJO ein großer Erfolg und lieferte den Teilnehmern einen umfassenden Eindruck zur zwischenstaatlichen als auch inneren Deutsch-Polnischen Politik. Der BJO bedankt sich beim Land Nordrhein-Westfalen für die finanzielle Unterstützung und stellt in den kommenden Wochen Aufnahmen von einigen Vorträge im Internet unter dem YouTube-Kanal Ostpreußischer Rundfunk zur Verfügung.
https://www.youtube.com/watch?v=voZijB2ur9E&list=PLWcbDn4WmKFHPx5Dl0hf-jdJTOLsB7l-c