23.09.2024

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Neue Ära der Waffentechnik: Ein Schwarm KI-gesteuerter Quadrokopter-Drohnen im Manöver
Foto: mauritius images/Mariusz Burcz/AlamyNeue Ära der Waffentechnik: Ein Schwarm KI-gesteuerter Quadrokopter-Drohnen im Manöver

Rüstung

Die dritte historische Revolution der Kriegführung bricht an

Schießpulver, Atombombe – und nun die Künstliche Intelligenz: Die Großmächte arbeiten mit Hochdruck an Technologien, welche die Schlachtfelder der Welt abermals gründlich verändern könnten

Wolfgang Kaufmann
23.09.2024

Auf den Schlachtfeldern der Ukraine kündigt sich an, wie die Kriege der Zukunft aussehen könnten. Stück für Stück werden menschliche Soldaten durch Drohnen und andere unbemannte technische Systeme ersetzt. Mehr noch: Der Trend geht sogar dahin, dass die Dohnen nicht mehr wie bislang von Menschen gesteuert werden, sondern von Künstlicher Intelligenz (KI). Das ist der Beginn der dritten großen Revolution in der Kriegführung nach der Erfindung des Schießpulvers und der Atombombe. Wobei hier diejenige Macht die Nase vorn haben wird, der es gelingt, ihre KI-gelenkten Waffen am besten zu vernetzen, um schneller und effektiver als der Gegner zu agieren. Deshalb steigen nun auch „patriotische“ US-Technologiekonzerne ins attraktive Rüstungsgeschäft ein.

Maßgeblich mitverantwortlich für diese Entwicklung ist der Google-Gründer Eric Schmidt, der zu den technologischen Beratern der Biden-Regierung gehört und von 2017 bis 2020 an der Spitze des Defense Innovation Board des US-Verteidigungsministeriums stand, dessen Aufgabe unter anderem in der Vorbereitung des Kriegseinsatzes der KI liegt. Darüber hinaus investiert er über sein Unternehmen America's Frontier Fund in militärische Technologie-Start-ups und gründete 2023 selbst eine Firma namens White Stork zur Produktion von Drohnen für die US-Streitkräfte.

Krieg ohne Menschen
Ebendieser Schmidt, den die meisten Menschen nur mit der Suchmaschine Google in Verbindung bringen, agiert nun als Vordenker der Falken in den Technologiehochburgen der USA wie Silicon Valley. So publizierte er 2021 gemeinsam mit dem früheren US-Außenminister und Nationalen Sicherheitsberater Henry Kissinger ein Buch mit dem Titel „Das Zeitalter der KI und unsere menschliche Zukunft“, in dem es um die Entfernung des Homo sapiens aus dem Prozess der militärischen Entscheidungsfindung geht. Noch deutlicher wird Schmidt jetzt in seinem Aufsatz „Amerika ist auf die Kriege der Zukunft nicht vorbereitet“, der im Fachblatt „Foreign Affairs“ erschien und als dessen Co-Autor der ehemalige Generalstabschef der US-Streitkräfte, Mark Milley, fungierte.

Darin heißt es, die USA hätten bislang nicht „in vollem Umfang mit der Produktion der für Roboterwaffen erforderlichen Ausrüstung begonnen und auch nicht die Software entwickelt, die für den umfassenden Einsatz automatisierter Waffen erforderlich ist“. Vielmehr seien die Gegner Amerikas, allen voran China und Russland, hier führend. Daher raten Schmidt und Milley zu „großen Reformen“ und zur Unterstützung „neuer Waffenhersteller“, womit wohl auch Schmidts Unternehmen White Stork gemeint ist.

Auf jeden Fall stehen in den Vereinigten Staaten zahllose Risikokapitalgeber und Firmen bereit, um das Geschäftsfeld der KI-Kriegführung zu erschließen und den Glauben an technologische „Wunderwaffen“ zu stärken. Dabei können sie auf die Unterstützung des Pentagon zählen, wie aus einer Rede der Stellvertretenden Verteidigungsministerin Kathleen Hicks vor der National Defense Industrial Association im August 2023 hervorgeht.

Damals nannte die Politikerin auch das Hauptmotiv hierfür: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Führung der Volksrepublik China jeden Tag aufwacht, die Risiken einer Aggression bedenkt und zu dem Schluss kommt: ‚Heute ist nicht der richtige Tag' – und zwar nicht nur heute, sondern jeden Tag, von heute bis 2027, von heute bis 2035, von heute bis 2049 und darüber hinaus.“ Dabei gibt es einige Unternehmen, auf denen die besonderen Hoffnungen des Pentagon ruhen. Ein Musterbeispiel hierfür ist Anduril Industries, dessen Management die Überlegenheit von kleineren Hightech-Start-ups gegenüber den militärisch-industriellen Giganten der alten Schule wie Boeing und Lockheed Martin beschwört, wenn es um den Bau von unbemannten, intelligenten Systemen für die Kriege der Zukunft geht.

Anduril produziert heute bereits autonom operierende Drohnen der Altius-Serie und des Typs Ghost, den ohne Besatzung auskommenden Mini-Kampfhubschrauber Anvil sowie das vollautomatische Unterwasserfahrzeug Dive-LD. Dazu kommt die KI-Softwareplattform Lattice. Außerdem befinden sich weitere autonom agierende Systeme wie die Drohnen Fury und Roadrunner sowie das U-Boot Ghost Shark in der Entwicklung.

Zum Einsatz all dieser Produkte schrieb der Chief Strategy Officer von Anduril Industries, Christian Brose, welcher früher unter anderem als Berater der US-Außenministerin Condoleezza Rice fungierte, in seinem 2020 erschienenen Buch „Die Killer-Kette. Amerikas zukünftige Verteidigung im Hightech-Krieg“: Wer am Ende als Gewinner dastehen wolle, müsse die Zeit zwischen der Ortung und der Zerstörung eines Ziels maximal verkürzen, was besonders ausgefeilte KI-Anwendungen erfordere.

Ukrainekrieg lehrt etwas anderes
Die Praxis, Maschinen die Entscheidung im Kampf zu überlassen, birgt allerdings enorme Risiken, vor denen sogar Schmidt und Milley warnen: Spätestens wenn die KI über den Einsatz von Atomwaffen entscheide, müsse sie „unter strenger Kontrolle stehen“. Dem folgt der bemerkenswerte Satz: „Die nächste Generation autonomer Waffen muss im Einklang mit den liberalen Werten und der universellen Achtung der Menschenrechte gebaut werden, und das erfordert eine aggressive Führung der USA.“ Kritiker der KI-Kriegführung monieren allerdings nicht nur diese sehr spezielle Form von Hybris, sondern auch die technischen Schwächen der „Wunderwaffen“:.Der Ukrainekrieg habe gezeigt, dass die besonders hochgezüchteten und vermeintlich intelligenten Systeme oftmals auf recht einfache Weise ausgeschaltet werden könnten.

Aber die Möglichkeiten, mit militärischer KI Geld zu verdienen, sind offenbar viel zu attraktiv, als dass jetzt noch Raum für Bedenken wäre. Nach Angaben der „New York Times“ flossen in den USA während der vergangenen vier Jahre 125 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung autonomer Angriffs- und Verteidigungswaffen. Und auch die große internationale Rüstungsmesse Eurosatory in Paris im Juni 2024 hat gezeigt, wohin die Reise geht: Die meisten der mehr als 2000 Aussteller präsentierten hier auch Waffensysteme mit KI-Komponenten.


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