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Eigentlich sollten sie schon längst verstummt sein – Doch die Sonden Voyager 1 und 2 senden 45 Jahre nach ihrem Start noch immer Signale aus den Tiefen des Weltraums zu unserem Planeten
Raumfahrtprojekte verschlingen in der Regel nicht nur Unsummen, sondern erweisen sich zudem nicht selten als Fehlschlag oder maßlos überteuert, wie die US-amerikanische Schwerlastrakete SLS, die nun wieder Menschen zum Mond bringen soll: Ein einziger Start kostet über vier Milliarden Dollar, obwohl der wissenschaftliche Ertrag eher überschaubar ausfallen dürfte. Manchmal kann aber auch mit relativ wenig Geld erstaunlich viel erreicht werden. Ein Musterbeispiel dafür sind die beiden NASA-Planetensonden Voyager 1 und 2, welche seit nunmehr 45 Jahren durchs All jagen und spektakuläre Bilder von den äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie 48 Monden dieser Gasriesen zur Erde übermittelt haben. Ganz abgesehen davon, dass Voyager 2 auch noch zehn bislang unbekannte Monde des Uranus und sechs neue Trabanten des Neptun entdeckt hat. Dabei beliefen sich die Gesamtkosten des Voyager-Programms lediglich auf rund 900 Millionen US-Dollar.
Dass 1977 gleich zwei der nahezu baugleichen, 825 Kilogramm schweren Planetensonden ins All geschossen wurden, folgte aus der Angst vor Fehlfunktionen beziehungsweise dem Wunsch nach einem Ersatzsystem, falls eines ausfallen sollte. Aber letztlich funktionieren beide Raumfahrzeuge bis heute auf nachgerade unglaubliche Weise. Das resultiert aus der zwar aus heutiger Sicht höchst primitiven, dafür aber nur wenig störanfälligen Technik: Die Speicher moderner Mobiltelefone haben eine drei Millionen Mal größere Kapazität als die der Bordrechner der Voyager-Sonden, und der Sender, welcher die Daten in Richtung Erde schickt, bringt es gerade einmal auf 23 Watt.
Voyager 1 und 2, die beide mit Raketen vom Typ Titan IIIE/Centaur gestartet wurden, erreichten ihre weit entfernten Ziele durch sogenannte Swing-by-Manöver: Bei der Passage des Jupiter 1979 sorgte das Gravitationsfeld des größten Planeten des Sonnensystems für eine gleichzeitige Bahnveränderung und Beschleunigung.
Eigentlich nur für vier Jahre geplant
Dadurch gelangten die Sonden bis November 1980 beziehungsweise August 1981 zum Saturn, wonach Voyager 2 dann noch die Reise zum Uranus antrat, den sie 1986 umrundete, bevor 1989 mit Neptun auch der äußerste bekannte Planet unseres Sonnensystems auf ihrer Route lag. Da war die auf vier Jahre veranschlagte Lebensdauer der Sonden schon längst überschritten, aber angesichts des bislang gesammelten überwältigenden Bild- und Datenmaterials sowie des weiterhin überraschend guten Zustandes der Raumflugkörper gab es immer wieder Geld für eine Verlängerung des Voyager-Programms. Dessen Ziel bestand nun allerdings nicht mehr in der Erkundung der Planeten und Monde des Sonnensystems, sondern der Erforschung des Interstellaren Raumes. Dieser beginnt dort, wo der Sonnenwind, also der von unserem Zentralgestirn ausgehende Strom geladener Teilchen, vom interstellaren Medium gestoppt wird.
Vor den Voyager-Missionen wusste niemand genau, wo diese Grenze liegt, doch die Instrumente der Sonden lieferten hier eindeutige Daten: Am 25. August 2012 trat Voyager 1 als erstes von Menschenhand geschaffenes Objekt in den Interstellaren Raum ein, und am 5. November 2018 folgte dann auch Voyager 2 nach. An diesen beiden Tagen ging die Anzahl der aufgefangenen solaren Teilchen jeweils schlagartig um den Faktor Einhundert zurück, während es gleichzeitig zu einer signifikanten Zunahme der energiereichen Strahlung aus den Tiefen des Kosmos kam. Seitdem liefern beide Raumflugkörper Informationen über die Beschaffenheit des Weltalls außerhalb der blasenförmigen Struktur der Heliosphäre, die vom Sonnenwind definiert und ausgefüllt wird. Dabei bewegen sie sich aber immer noch innerhalb der Grenzen des Sonnensystems, denn das endet definitionsgemäß erst jenseits der Oortschen Wolke. Diese bislang noch komplett unerforschte, vermutlich aber kugelschalenförmige Ansammlung von Gesteins-, Staub- und Eiskörpern unterschiedlicher Größe, die bei der Entstehung der Planeten und Monde übrig geblieben sind, befindet sich vermutlich in einer Entfernung von rund 15 Billionen Kilometern.
Was, wenn die Falschen sie finden?
Voyager 1 und 2 operieren momentan „erst“ 19,7 und 23,7 Milliarden Kilometer weit draußen im Kosmos. Dennoch benötigen die Funksignale bereits rund 18 beziehungsweise 22 Stunden bis zur Erde. Die Distanz vergrößert sich mit jeder Stunde um etwa 60.000 Kilometer – eine halbe Milliarde Kilometer pro Jahr.
Aktuell sind noch fünf der elf Messinstrumente von Voyager 2 funktionstüchtig sowie vier von Voyager 1. Und das könnte auch zukünftig so bleiben. Achillesferse ist die Stromversorgung. Diese erfolgt zwar durch sehr langlebige Radionuklid-Batterien, doch selbst die verlieren auf Dauer an Leistung: Die derzeitige Kapazität liegt bei rund 55 Prozent des Ausgangswertes. Experten der NASA schätzen, dass die Energie irgendwann im Laufe der 2030er Jahre nicht mehr ausreicht, um weiter Funksignale zur Erde zu schicken.
Wenn die Sonden also in rund 28.000 Jahren die Oortsche Wolke passieren und Voyager 1 hernach Kurs auf den 3,45 Lichtjahre von der Sonne entfernten Stern Gliese 445 im Sternbild Giraffe nimmt, werden sie schon seit Ewigkeiten absolut stumm sein.
Trotzdem erfüllen die Raumfahrzeuge dann immer noch eine letzte Mission. Denn sie haben mit Gold überzogene Datenplatten an Bord, welche Bild- und Ton-Informationen über die Menschheit enthalten. Dazu kommt die Botschaft von US-Präsident Jimmy Carter: „Wir wünschen uns, eines Tages, nachdem wir unsere Probleme gelöst haben, einer Gemeinschaft galaktischer Zivilisationen beizutreten.“
Da die Scheiben eine Lebensdauer von bis zu 500 Millionen Jahren haben sollen, könnte es sein, dass sie erst dann von Außerirdischen gefunden werden, wenn der Homo sapiens längst ausgestorben ist. Oder aber das leichtsinnig-naive Lebenszeichen bringt zuvor eine ebenso überlegene wie erbarmungslose Zivilisation auf unsere Spur, was dann zum abrupten Ende der Menschheit führen könnte.
Henry Bleckert am 20.12.22, 17:56 Uhr
Aus unserer Zwergensicht gesehen eine reife Leistung. Aber unsere Erde ist in etwa das, was ein Ameisenhügel in den unermesslichen Weiten der sibirischen Taiga darstellt.
Mats Osrig am 20.12.22, 11:01 Uhr
"Die Distanzen im Weltraum sind unüberwindlich"!?
Ich bin da etwas optimistischer!
Die Theorie, wonach Schwarze Löcher als "Wurmlöcher" eine Abkürzung durch die gekrümmte Raum-Zeit ermöglichen könnten, ist keineswegs Humbug. Es wird ernsthafte Forschung betrieben, die auch schon ein paar kleinere Ergebnisse liefern konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass die Technologie für eine solche Reise innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von ca. 150 bis 200 Jahren bereitgestellt werden wird.
Auch Überlicht-Reisen halte ich nicht für unmöglich, auch wenn sie kosmisch betrachtet, immer "Nahverkehr" bleiben werden.
Ich bin jedenfalls neugierig auf das, was da noch kommt!
Ferdinand Baptist Braunmüller am 18.12.22, 15:07 Uhr
Niemand wird die Sonden mit ihren vergoldeten Platten finden, und selbst wenn sie jemand in Jahrtausenden oder Jahrmillionen finden sollte: Die Distanzen im Weltraum sind unüberwindlich.