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Einstige SPD-Hochburg Brandenburg verliert an Bedeutung – AfD und BSW dagegen im Aufwind
War es ein Fehler der SPD, im Wahlkampf zur EU-Wahl Werbung mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu machen? Aus Sicht des Juso-Chefs Philipp Türmer war die Europawahl „eine Abstimmung über die Ampel-Politik – und über Olaf Scholz, den wir überall plakatiert haben“. Juli Zeh, in Brandenburg lebende Schriftstellerin und SPD-Mitglied, bezeichnete die Plakataktion mit Scholz in der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ mit vulgären Worten als „beschissene Kampagne“.
Der Versuch der SPD, die Bekanntheit des Kanzlers für Wahlkampfzwecke zu nutzen, hat auch in Brandenburg ihren Absturz bei der Europawahl nicht verhindert. Die Sozialdemokraten, die dort seit 1990 immer den Regierungschef gestellt haben, landeten bei der Wahl mit 13,1 Prozent nur noch auf dem vierten Platz. Selbst das neugegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zog mit 13,8 Prozent der Stimmen an der märkischen SPD vorbei. Klarer Gewinner wurde die AfD, die 27,5 Prozent der Stimmen erhielt, zweitstärkste Kraft wurde in der Mark Brandenburg die CDU mit 18,4 Prozent.
Aus Sicht der Sozialdemokraten ist das Ergebnis der Europawahl extrem alarmierend. Sie unterboten in ihrer jahrzehntelangen Hochburg Brandenburg sogar noch das desaströse gesamtdeutsche Wahlergebnis. Bundesweit erreichte die SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Katarina Barley 13,9 Prozent. Für die Partei war dies das schlechteste Ergebnis bei einer nationalen Wahl seit der Reichstagswahl 1887. Seinerzeit hatten die Sozialdemokraten ganz knapp die Marke von zehn Prozent übersprungen.
Im Willy-Brandt-Haus, der Berliner SPD-Bundeszentrale, wachsen mittlerweile Befürchtungen, die einstige Volkspartei könnte im Herbst bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sogar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und in Dresden und Erfurt gar nicht mehr im Landtag vertreten sein.
Absturz von Grünen und FDP
In Brandenburg droht dieses Schicksal der Linkspartei und den Grünen. Die Linke verlor im Vergleich zur Europawahl 2019 fast zwei Drittel ihrer Wähler und stürzte in Brandenburg auf 4,4 Prozent ab. Die Grünen schafften nur noch sechs Prozent. Dies war eine Halbierung gegenüber 2019. Auch die FDP mit 3,2 Prozent und die Freien Wähler mit 2,1 Prozent müssen nach ihrem Abschneiden bei der Europawahl fürchten, in gut drei Monaten nicht in den neuen Brandenburger Landtag gewählt zu werden. Hinauslaufen könnte dies auf ein Landesparlament, in dem nach dem Wahltag am 22. September nur noch SPD, CDU, AfD und Wagenknechts BSW vertreten sind.
Klarheit geschafft hat die Europawahl in der lange diskutierten Frage, welcher Partei das Bündnis Sahra Wagenknecht Wählerstimmen wegnehmen wird. Die Vermutung, bisherige AfD-Anhänger könnten zur BSW wechseln, hat sich mit der EU-Wahl nicht bestätigt. Wirklich fürchten müssen die Neugründung laut den Wahlanalysen stattdessen die Linkspartei und die SPD. Das Abschneiden des BSW in den östlichen Bundesländern war für CDU-Chef Friedrich Merz offenbar Anlass, gleich am Montag nach der Europawahl Koalitionen der Union mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht kategorisch auszuschließen.
Nach Kritik aus den eigenen Reihen folgte kurz darauf eine Kehrtwende. Merz erklärte, auf der Landesebene müsse „man im Lichte der Wahlergebnisse sehen, welche Konstellationen sich ergeben, welche Regierungsfähigkeiten dort auch denkbar und möglich sind“.
Rechtsruck in der Jugend
Wie der CDU-Chef weiter ausführte, würden in den Ländern andere Entscheidungen als auf Bundesebene getroffen: „Da geht es etwa nicht um die Frage der Bundeswehr. Da geht es auch nicht um die Frage der Wirtschaftspolitik des Bundes.“
Zum Abschneiden der AfD sagte Merz: „Für das Erscheinungsbild der Politik sind wir alle verantwortlich, natürlich auch die CDU. Aber nach meinem Eindruck fällt die Reaktion gegen die Ampel in Berlin in Ostdeutschland besonders heftig aus.“ Der CDU-Chef weiter: „Insbesondere Einwanderung und Integration stießen hier auf besondere Ablehnung.“
Eine gesonderte Diskussion hat sich mittlerweile um das gute Abschneiden der AfD unter Jugendlichen entwickelt. Bundesweit schnitt die AfD bei Jungwählern als zweitstärkste Kraft ab. Die Erklärungsversuche erstrecken sich vom erfolgreichen Bespielen der Videoplattform TikTok durch die AfD über Protestwahl bis hin zu einem allgemeinen europaweiten Rechtsruck in der Jugend.
Katharina Stolla, Bundessprecherin der Grünen Jugend, machte als Ursache für den Wahlerfolg unter anderem die Vernachlässigung sozialer Themen und des Klimawandels aus. Vollkommen anders sieht das hingegen ihr früherer Parteikollege, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer: Das Hautproblem junger Menschen sei „Gewalt von Migranten, gerade unter jungen, in Deutschland sehr friedfertigen Menschen“.