27.01.2025

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Bastian Matteo Scianna: „Sonderzug nach Moskau. Geschichte der deutschen Russlandpolitik seit 1990“, C.H.Beck Verlag, München 2024, gebunden, 720 Seiten, 34 Euro
Bastian Matteo Scianna: „Sonderzug nach Moskau. Geschichte der deutschen Russlandpolitik seit 1990“, C.H.Beck Verlag, München 2024, gebunden, 720 Seiten, 34 Euro

Russlandpolitik

Die Geschichte einer Entgleisung

Äußerst spannend schildert der Historiker Bastian Matteo Scianno die deutsch-russischen Beziehungen seit dem Ende der Sowjetunion

Dirk Klose
25.01.2025

Die deutsche Politik gegenüber Russland war immer von ex-tremen Schwankungen begleitet. Neben dem Wunsch nach Zusammenarbeit und Partnerschaft bestanden immer auch erhebliche Ressentiments. Das ist seit der „Wende“ nicht anders, wie die gründliche Studie des Potsdamer Historikers Bastian Matteo Scianna am Beispiel der Politik der letzten vier Kanzler zeigt. Mit Blick auf den „Sonderzug“ im Titel muss man heute wohl sagen, dass dieser entgleist und schwer nur wieder aufs Gleis zu heben ist.

Wer etwas Sinn für und Interesse an der großen Politik hat, findet in diesem Buch, das fast Monat für Monat die Politik gegenüber Russland in Abstimmung mit EU und NATO und vor allem dem wichtigsten Verbündeten in Washington aufrollt, eine hochspannende Lektüre. Es sind die Krisenherde, die wir seit Langem kennen: NATO-Osterweiterung, Ukraine, Baltikum, Georgien, NordStream 2, Abrüstung und viele andere, welche die deutsche Politik stets in Atem hielten.

Helmut Kohl stand Boris Jelzin gegenüber, was irgendwie leichter war. Trotzdem: Seine aus tiefer historischer Kenntnis kommenden Aussagen und Urteile wirken richtig. Gerhard Schröders Männerfreundschaft mit Putin übersah alle warnenden Blinklichter zu dessen immer autoritärerem Führungsstil. Angela Merkel war unermüdlich bestrebt, Partnerschaft mit Russland und westliche Härte zu verbinden, wozu auch ihr Festhalten an Nord Stream 2 gehörte. Bundeskanzler Olaf Scholz blieb nur noch ein illusionsloses, bis jetzt trotz allem überlegtes Handeln.

Schlagworte wie „Wandel durch Handel“ oder „Wandel durch Annäherung“ prägten viele Jahre, die sich unter Merkel zeitweise noch zu „Wandel durch Verflechtung“ steigerten, was nicht zuletzt von ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier forciert wurde. Die Hoffnung, nach den Jahren der Ost-West-Konfrontation die vielzitierte „Friedensdividende“ einfahren zu können, war übermächtig. Dazu kam die sträfliche Vernachlässigung der Bundeswehr.

Russland war auch nach dem Ende der Sowjetunion „Paranoia und Einkreisungsangst“ nie losgeworden; Putin instrumentalisierte sie geschickt für seine immer skrupellosere Politik. Hierauf geht der Autor nur wenig ein. Die Bundesrepublik hätte, so sagt es der Autor am Ende, aufgrund ihres wirtschaftlichen und politischen Gewichts einen Kurswechsel vorantreiben können; stattdessen sei die „Utopie der Verflechtung alternativlos weiterverfolgt“ worden.


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