27.07.2024

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Putsch im Niger

Die Gewichte verschieben sich

Die Ereignisse in dem Land am Rande der Sahara könnten eine Kaskade von Problemen in Gang setzen, von denen auch Europa – und nicht zuletzt Deutschland – erheblich betroffen wäre

Wolfgang Kaufmann
11.08.2023

Am 26. Juli stürzten Angehörige der Streitkräfte des westafrikanischen Binnenstaates Niger den demokratisch gewählten Staatspräsidenten Mohamed Bazoum und inhaftierten 180 Mitglieder der regierenden Nigrischen Partei für Demokratie und Sozialismus (PNDS), darunter auch vier Minister. Anschließend etablierten die Putschisten einen Nationalen Rat für den Schutz des Vaterlandes. Zwei Tage später erklärte sich der Kommandeur der Präsidentengarde, Brigadegeneral Abdourahamane „Omar“ Tchiani, zum Vorsitzenden dieser Junta und damit zum neuen Machthaber des Landes. Dabei sagte er, der Umsturz sei notwendig gewesen, um den „allmählichen und unvermeidlichen Untergang“ des Landes zu verhindern und der „kontinuierlichen Verschlechterung der Sicherheitslage“ entgegenzuwirken – derzeit könne man den Niger nämlich nur als „einen Haufen von Toten, Vertriebenen, Demütigung und Frustration“ bezeichnen. 

Die wahren Motive der Putschisten dürften allerdings andere gewesen sein. Die ehemalige französische Kolonie am Südrand der Sahara war in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Partner des Westens geworden, wenn es darum ging, den islamischen Terrorismus in der Sahel-Zone zu bekämpfen und den Strom von Asylsuchern nach Norden in Richtung Libyen und Algerien zu drosseln. 

Russland und China dringen vor 

Deswegen hatten die Europäische Union und die USA erhebliche Summen an die Regierung in der Hauptstadt Niamey überwiesen: Aus Washington flossen seit 2013 mehr als 500 Millionen US-Dollar, und Brüssel stellte allein für den Zeitraum von 2021 bis 2024 503 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu kamen bislang noch 100 Millionen Euro jährliche Entwicklungshilfe aus Frankreich. Das weckte offenbar Begehrlichkeiten unter all jenen, die hiervon nicht im erhofften Maße profitieren konnten. 

Eine wichtige Rolle spielte des Weiteren die Wühlarbeit Chinas und Russlands. Beide Länder verfolgen wirtschaftliche und geopolitische Interessen in der Region. Peking schielt dabei vor allem auf die Bodenschätze des Niger (siehe rechts). Dahingegen sieht der Kreml in der Destabilisierung der Sahel-Zone eine gute Möglichkeit, den Westen zu schwächen und im Gegenzug seinen eigenen Einfluss in West- und Zentralafrika auszubauen. Dieser Prozess ist nach den vorhergehenden Umstürzen durch russlandfreundliche Militärs in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso schon recht weit fortgeschritten. Insofern dürfte es kaum ein Zufall sein, dass die Junta um Tchiani gute Beziehungen zu den anderen Putschisten jenseits der Grenzen des Niger pflegt und der Schlag gegen Bazoum nur wenige Tage nach dessen Weigerung erfolgte, zum Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg zu reisen.

Für die EU droht der Wechsel in Niamey hingegen fatale Wirkung zu entfalten: Zu dem bereits eingetretenen Verlust des letzten demokratischen Partners in einer der sensibelsten Regionen Afrikas könnte sehr bald der Einsatz der Migrationswaffe durch das neue Regime im Niger kommen. Denkbar wäre hier beispielsweise die Aufhebung der Kontrollen an den Grenzen zu Libyen und Algerien beziehungsweise der Gesetze über den Menschenschmuggel als Reaktion auf das erfolgte Einfrieren von Unterstützungszahlungen oder im Gegenzug für russische Waffenlieferungen an die bislang noch sehr kärglich ausgerüstete nigrische Armee (siehe unten). Dann wird die europäische Strategie der Eindämmung der Immigration aus Schwarzafrika über den Maghreb und das Mittelmeer zusammenbrechen, wie der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur warnte. 

Wagner statt westlicher Truppen? 

Ebenso besteht die akute Gefahr, dass der Niger nicht mehr länger als Drehkreuz oder Basis für die Bekämpfung islamischer Terrorgruppen wie der al-Kaida des Islamischen Maghreb und der Boko Haram taugt. Momentan sind in dem nunmehrigen Krisenland unter anderem noch die Vorhut der im Aufbau befindlichen EU Military Partnership Mission in Niger (EUMPM Niger), 1100 US-amerikanische und 1500 französische Soldaten oder Geheimdienstler sowie um die 100 Bundeswehrangehörige stationiert. Aber das kann sich ebenso schnell ändern wie in Mali. Dort forderte die Junta kürzlich den Abzug aller 12.000 Friedenssoldaten der United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA), deren Stationierung nun tatsächlich im Dezember endet. 

In das im Niger möglicherweise entstehende Vakuum im Hinblick auf eine ausländische Truppenpräsenz würden dann wahrscheinlich private russische Militärfirmen wie Sewa, Moran und die Gruppe Wagner stoßen, welche nach Angaben des „Center for Strategic and International Studies“ in Washington inzwischen schon 19 Einsatzabkommen mit afrikanischen Regierungen geschlossen haben.

 


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