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Während sie auf ihrem Europaparteitag mit unangenehmen Realitäten hadern, setzen sich bisherige Koalitionspartner von ihnen ab
In diesen Tagen jagt eine Zeitenwende die nächste. Seit Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 als Reaktion auf den russischen Angriff gegen die Ukraine diesen epochalen Begriff in die politische Landschaft einführte, erlebten und erleben die Deutschen gleich eine ganze Reihe von historischen Zäsuren, die kurz zuvor noch kaum denkbar erschienen.
So musste die Ampelkoalition – die in ihrem Koalitionsvertrag für die Bundeswehr gerade einmal anderthalb Seiten übrig hatte, während sie dem „Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ ein eigenes Kapitel mit stolzen 32 (!) Seiten widmete – nicht nur ein gewaltiges Aufrüstungsprogramm beschließen. Sie musste – äußerst widerwillig und auch nur indirekt – ebenso eingestehen, dass die grenzenlose Zuwanderung keineswegs die Verheißungen einer goldenen Zukunft erfüllte, sondern ganz im Gegenteil zu handfesten Problemen auf allen Ebenen der Gesellschaft führt. Und erst vor wenigen Tagen musste die „Ampel“ fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht die ersonnenen Tricks zur Umgehung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ohne Rücksicht auf die Sorgen und Nöte des Bundeskabinetts stoppte.
Das Ende der grünen Erzählung
Problematisch ist die Reihe von Zeitenwenden vor allem für die Grünen. Obwohl das derzeitige Regierungsbündnis von drei Parteien gebildet wird, waren vor allem sie es, die nicht nur der amtierenden Koalition ihren Stempel aufgedrückt haben, sondern – im Grunde bereits seit den neunziger Jahren – weiten Teilen des gesamten gesellschaftlichen Lebens. Der naive Pazifismus, der zu einer beispiellosen Verwahrlosung der Bundeswehr führte; der Abschied von der Atomkraft (als einziges Land der Welt) ohne preiswerten, sauberen und grundlastfähigen Ersatz; der verächtliche Umgang mit der Automobilindustrie und anderen systemrelevanten Branchen der deutschen Volkswirtschaft; die Abwicklung des traditionellen Bildungswesens zugunsten eines Systems, in dem die richtige Haltung mehr zählt als Wissen und Fähigkeiten, sowie nicht zuletzt der Irrglaube, die ungesteuerte Zuwanderung von Menschen aus aller Welt würde Deutschland zu einem Vielvölkerparadies werden lassen, entsprachen mehr oder weniger direkt alten grünen Kernvorstellungen.
Dass diese so wirkmächtig werden und die Grünen bei Wahlergebnissen von fünf bis fünfzehn Prozent auf Bundesebene lange Zeit fast einhundert Prozent der politischen Agenda bestimmen konnten, lag freilich weniger an der Brillanz der grünen Ideen als vielmehr an der Konzept- und Willenlosigkeit der politischen Wettbewerber. Deren Spitzenpersonal hatte sich nicht nur zunehmend von den eigenen Ursprüngen – und Wählern – entfernt, sondern mangels eigener programmatischer Überzeugungen auch inhaltlich den grünen Fortschrittserzählungen kaum noch etwas entgegenzusetzen. Zudem beherrschten die Grünen – im Verbund mit geneigten meinungsbildenden Medien – wie keine zweite politische Kraft das Spiel mit moralischen Imperativen (wie in der Migrationspolitik) und mit Angstthemen wie der Furcht vor dem nahen Klimatod.
Um so härter nun der grüne Aufprall auf dem Boden der Realität. Beim Bundesparteitag am vergangenen Wochenende gelang es der Parteispitze nur unter Aufbieten aller Kräfte, die Delegierten zur Zustimmung zu einer restriktiveren Migrationspolitik zu bewegen. Allein die Mahnung, mit schmerzhaften Kompromissen in der Regierung immer noch mehr erreichen zu können als rechthaberisch in der Opposition, brachte die Anwesenden widerwillig auf Linie. Auf offener Bühne haderten diese denn auch damit, dass der Geist der Zeit, der ihre Partei doch so lange wohlig umweht hatte, ihnen nun kalt ins Gesicht bläst.
Einstige Partner haben genug
Dass sich hier tatsächlich eine Wende vollzieht, zeigt sich auch an den Absetzbewegungen der politischen Wettbewerber. So findet die CDU unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz nicht nur zu alten Grundsätzen zurück, sondern beendete nach der Landtagswahl in Hessen im Oktober ohne viel Aufhebens das am längsten bestehende schwarz-grüne Bündnis.
Noch spektakulärer ist indes die Anfang der Woche beschlossene Aufkündigung der rot-grünen Koalition im Hannoveraner Rathaus durch die Sozialdemokraten, die nicht bereit waren, das grüne Mobilitätskonzept für die niedersächsische Landeshauptstadt mitzutragen, das unter anderem die Schaffung einer autofreien Innenstadt vorsah. Damit entschied sich erstmals eine große Untergliederung des ureigensten Koalitionspartners der Grünen dafür, lieber nicht zu regieren, als an ihrer Seite falsch zu regieren.
Selbst in den etablierten Medien, wo die Grünen bislang ihre treuesten Unterstützer hatten, dreht sich der Zeitgeist. So meldete der „Tagesspiegel“ dieser Tage die Abkehr von der ideologischen Gendersprache und die Rückkehr zum gewohnten Generischen Maskulinum, weil einfach zu viele Leser des Berliner Traditionsblattes ihre Abos gekündigt hatten.
Wohin all das führt, ist offen. Damit die deutsche Politik zu einer Neuorientierung und alter Stärke finden kann, braucht es mehr als die Erkenntnis, dass der Fortschritt grüner Prägung in die Sackgasse geführt hat. Es braucht eine Rückbesinnung darauf, dass Wohlstand und innere wie äußere Sicherheit nicht von selbst zu haben sind. Es braucht die Rückkehr zu alten Grundsätzen wie dem Gebot der Sparsamkeit und dem Bewusstsein, dass auch Staaten auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben können als sie einnehmen. Es braucht die Akzeptanz, dass gerade demokratisches Handeln Grenzen der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit braucht. Und nicht zuletzt braucht es den banalen Grundsatz, dass alles politische Handeln den Interessen der Bürger zu dienen hat – und nicht umgekehrt die Bürger den Interessen der Politik.