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Bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt mit Kanzler Scholz und Verkehrsminister Wissing sprachen Hersteller und Zulieferer Tacheles
Das Haushaltschaos in den Reihen der Berliner Ampelkoalition macht auch vor der Automobilbranche nicht halt. Insider befürchten, dass eigentlich zugesagte Subventionen für den weiteren Ausbau der Elektromobilität wegfallen könnten. Bei einem „Autogipfel“ im Berliner Kanzleramt in der vergangenen Woche waren sich alle Beteiligten einig, dass keine Abstriche gemacht werden sollen. Über das „Wie“ hüllte man sich allerdings weitestgehend in Schweigen.
Seit 2016 werden E-Autos in Deutschland staatlich gefördert. Hierzulande sind derzeit rund 1,5 Millionen rein batterieelektrisch angetriebene Pkw (BEV) zugelassen. Um bis zum Jahr 2030 die von der Bundesregierung avisierten 15 Millionen Elektroautos im Bestand zu erreichen, müssten jährlich also durchschnittlich knapp zwei Millionen neue BEV zugelassen werden. Das ambitionierte Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 scheint sie schon jetzt nicht zu erreichen.
An dem Spitzengespräch nahmen Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Bundesminister teil sowie Vertreter von Herstellern und Zulieferern, Gewerkschaften und Betriebsräten sowie aus der Energiebranche. Bundesverkehrsminister Volker Wissing bekannte sich zu dem gemeinsamen Ziel von Wirtschaft und Politik in Hinsicht auf den Ausbau der Elektromobilität. „Dazu brauchen wir eine engagierte Automobilindustrie, die mit uns an einem Strang zieht und neben der Auslieferung von E-Fahrzeugen auch einen Beitrag zum vorausschauenden Ausbau der Ladeinfrastruktur leistet“, sagte er dem „Handelsblatt“.
Die Zahlen verheißen nichts Gutes
Doch die Zahlen verheißen nichts Gutes. Waren Anfang 2021 lediglich rund 310.000 reine E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs, ist diese Zahl inzwischen auf etwa 1,3 Millionen angestiegen. Die Zahl der Ladestationen stieg im gleichen Zeitraum von knapp 43.500 auf mehr als 100.000. Das mag auf den ersten Blick erfreulich erscheinen, im Vergleich mit den hochgesteckten Zielen ist die Ausbeute aber eher gering.
Entsprechend fielen auch die Reaktionen von Experten aus. „Mehr als gute Absichten hat man nicht ausgetauscht“, meint Arthur Brunner, Kapitalmarktexperte der ICF Bank, und ergänzte: „Aber zu konkreten Aussagen, zu konkreten Plänen ist es nicht gekommen. Die hohen Ziele sind nicht zu erreichen, weil es derzeit am nötigen Tempo fehlt. Die Mittel, die dafür bereitgestellt werden müssten, auch von staatlicher Seite, sind im Moment nicht vorhanden.“ Dass darüber, ob und in welchem Umfang die Elektromobilität künftig gefördert werden soll, beim Spitzentreffen überhaupt nicht gesprochen wurde, ist sogar Sitzungsteilnehmern aufgefallen. Man habe das Thema offenbar bewusst ausgeklammert, hieß es.
Stattdessen habe man von Seiten der Regierung festgestellt, dass E-Autos billiger werden müssten. Stefan Bratzel, Automobilexperte an der Fachschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach, stellte fest, dass die Herstellkosten für E-Mobile weitaus höher seien als für Verbrenner-Autos. Nur wenige Produzenten machten derzeit Gewinn. Dies seien aber ausnahmslos ausländische Unternehmen wie Tesla aus den USA oder chinesische Anbieter. Und es wäre naiv zu denken, dass sich die Probleme nur mit der aktuellen Haushaltslage erklären lassen.
Umfragen aus dem vergangenen Sommer zeigen, dass die Auto-Industrie bereits damals die Aussichten pessimistisch beurteilte. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, warnte daraufhin, dass der Auto-Standort Deutschland an Bedeutung verlieren könnte. Sie konstatierte unter anderem Überregulierung, zu langsame politische Entscheidungen und fehlende Rechtsrahmen bei Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz. Ihr Fazit: Viele Hersteller – selbst aus dem Mittelstand – würden lieber im Ausland investieren als in Deutschland.
Dazu passt eine Meldung aus der vergangenen Woche, wonach Volkswagen einen weiteren Stellenabbau vorantreiben wird. Mit Blick auf die Lage auf dem Weltmarkt müsse man sich nun auch kritischen Themen annehmen, sagte Markenvorstand Thomas Schäfer bei einem Treffen mit Gewerkschaftsfunktionären.
VW nicht mehr wettbewerbsfähig
Aufgrund vieler der bisherigen Strukturen, Prozessen und hohen Kosten sei die Marke VW nicht mehr wettbewerbsfähig. „Die Situation ist sehr kritisch. Viele Märkte sind massiv unter Druck, unsere Auftragseingänge, besonders bei den Elektroautos, liegen unter unseren ambitionierten Erwartungen“, erklärte Schäfer. Konzernchef Oliver Blume hatte bereits zuvor angekündigt, dass es bei dem geplanten Sparprogramm auch darum gehen werde, Personal zu reduzieren. Daran führe kein Weg vorbei.