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Ingenieurskunst

Die Kaiserfahrt und das Swinedelta

Die Kaiserfahrt optimierte im Jahre 1880 die Schiffspassage zwischen Swinemünde und Stettin

Erwin Rosenthal
29.03.2021

Als am 20. August 1880 der „Caseburger Durchstich“ unter dem Namen „Kaiserfahrt“ für die Schifffahrt freigegeben wurde, war der Hafenbau in Swinemünde beendet. Bereits vor dem Stockholmer Friedensschluss von 1720 hatte Friedrich Wilhelm I. dem Stettiner Regierungsrat von Lettow befohlen zu überprüfen, ob Stettiner Schiffe die Ostsee über die Swine erreichen könnten. Robert Burkhardt nennt dieses Schriftstück den „eigentlichen Geburtsbrief von Swinemünde“.

Die Preußenkönige trachteten seinerzeit danach, einen Fuß am Meer zu haben, um „am Commercio der ganzen Welt Anteil zu haben“. Die Unterhaltung des stehenden Heeres, das Führen von Kriegen, die Besoldung der Beamten sowie die Schaffung repräsentativer Gebäude in Potsdam und Berlin kosteten Geld, sehr viel Geld sogar. Und der Außenhandel bildete ein probates Mittel zur Aufstockung der Goldreserven.

Im Jahre 1740 hatte der Hafenbau an der Swine begonnen. In steter Auseinandersetzung sowohl mit den Naturgewalten als auch mit den Schweden, die immer noch den größten Teil Vorpommerns besetzt hielten und den Hafenbau störten, wo sie konnten, schuf Preußen die Hafenstadt Swinemünde.

Geniale Ingenieure ersannen Bewundernswertes, nie Dagewesenes. Tonnen edlen Goldes flossen in das Projekt. Robert Burkhardt, der verdienstvolle Chronist der Stadt, schreibt, dass Preußen auf dem Felde der inneren Kolonisation im 18. Jahrhundert niemals Größeres und Schwierigeres gewollt und erreicht hat, als an der Swinemündung.

Bis zum Jahre 1880 hatte in der Fahrrinne von Swinemünde nach Stettin immer noch ein Nadelöhr existiert: das weitläufige Swinedelta mit seinen 41 Inseln, zwischen dem Lognitzer Ort (vor Kaseburg) und Lebbin gelegen. Ein solches Rückseitendelta ist ein äußerst seltenes Gebilde. Entstanden ist es durch die Wechselwirkung von Ostsee, Swine und Haff. Nachdem man im Jahre 1856 die Fahrstraße nach Stettin auf fünf Meter ausgebaggert hatte, wurde deutlich, dass selbst diese relativ geringe Tiefe im Swinedelta nur schwer zu halten war.

Wollte Swinemünde der bevorzugte Vorhafen Stettins bleiben, musste mit Notwendigkeit ein Kanal zwischen der Stadt und dem Stettiner Haff geschaffen werden. Nach sechsjähriger Bauzeit war schließlich die künstliche Wasserstraße fertig. Die Kosten der insgesamt 9,3 Kilometer langen Wasserstraße – 5,1 Kilometer entfielen auf den Durchstich, der Kaseburg von der Insel Usedom abtrennte und 4,2 Kilometer auf die Beseitigung von Untiefen – beliefen sich auf 3,5 Millionen Mark. Die Tiefe der Kaiserfahrt betrug bei gewöhnlichem Wasserstand 5,7 Meter, die Wasserspiegelbreite 92 Meter. Im Laufe der Jahre wurde der Kanal auf 180 Meter verbreitert und auf neun Meter vertieft. Molen schützten den neuen Kanal auf rund zwei Kilometern Länge gegen Versandung aus dem Haff.

Eine Meisterleistung

Die Seeschifffahrtsstraße Stettin-Swinemünde erfuhr durch den Kanal eine wesentliche Abkürzung und Verbesserung. Passierten Swinemünde im Jahre 1879 3450 Schiffe, waren es 1913 bereits 6300. Stettin war durch die Vervollkommnung seines Vorhafens zum bedeutendsten Hafen an der deutschen Ostseeküste geworden und behielt diesen Status bis zum Jahre 1945.
Dagegen verlor der Swinemünder Hafen durch den Bau der Wasserstraße an Bedeutung, da die großen Schiffe nun auch Stettin anlaufen konnten, ohne in Swinemünde geleichtert oder umgeladen zu werden. Durch den Badebetrieb im Ostseebad Swinemünde wurde dieses Defizit jedoch ausgeglichen.

Der polnische Name für die Kaiserfahrt ist „Kanał Piastowski“. Die polnische hochmittelalterliche 1370 ausgestorbenen Herrscherdynastie der Piasten hatte mit dem Kanal jedoch nicht das Geringste zu tun. Der deutsche Kaiser hatte ihn jedoch immer wieder passiert.

• Erwin Rosenthal ist Heimatforscher in Greifswald und hat zahlreiche Dokumentationen verfasst


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