03.10.2024

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Stille ist Ruhe

Die Kirche auf dem Heiligen Berg bei Pollnow

Kultstätte, Wallfahrtsort, Gesundbrunnen, Einsiedlerklause und Kapelle

13.07.2020

Als einer der drei berühmten heiligen Berge Pommerns (der zweite ist der Gollen bei Köslin, der dritte der Revekol bei Schmolsin (Kr. Stolp) ragt er etwa 60 Meter hoch über das Grabowtal hinaus und liegt nur 1,9 km westsüdwestlich von Pollnow (Kr. Schlawe). Früher konnte man von seinem Gipfel in 156 Metern Höhe ü. d. M. aus einen prächtigen Fernblick genießen über die Stadt an seinem Fuße und das Wiesental der Grabow hinweg zu den Varbelower Höhen im Osten, den Sohrbergen im Norden, jenseits des Urstromtals und die Rotzoger Höhen im Westen. 

Man geht heute davon aus, dass sich hier in vorchristlicher Zeit ein Burgwall oder eine heidnische Kultstätte befand, bevor um die Zeit der Christianisierung im 12. Jahrhundert eine Kapelle erbaut wurde, die später als Wallfahrtskirche genutzt werden sollte. Sie war der heiligen Mutter Gottes Maria geweiht und enthielt ein wundertätiges Gnadenbild. Tag und Nacht war sie geöffnet. Deshalb entwickelte sich das Sprichwort: „Du hast den Mund so weit offen wie die Türe der Pollnower Kirche“. Diese Wallfahrtskirche, die den Pollnower Bürgern vom 12. bis zum 16. Jahrhundert auch als Pfarrkirche diente, zog Pilger aus ganz Europa an. In den Jahren 1435 und 1485 sind Pilgerreisen schriftlich überliefert. Ziel der Wallfahrten war u. a. die Vergebung der Sünden für Morde. 

Folgen der Reformation

Im Jahre 1544, mehrere Jahre nach Einführung der Reformation in Pommern, war Pollnow der einzige Wallfahrtsort, den Pilger noch aufsuchen konnten. Das Marienheiligtum wurde vermutlich um die Mitte des 16. Jahrhunderts aufgelöst. Erst nach der Reformation wurde in der Stadt Pollnow am Marktplatz eine neue Kirche gebaut, die alte auf dem Hl. Berg und alle Nebengebäude verfielen bzw. wurden abgebrochen, die letzten Mauern standen noch im 19. Jahrhundert. Anfang des 20. Jahrhunderts war von der Bergkirche immerhin noch ein Teil des Kellergewölbes erhalten. 

Mythen und Legenden umranken seither diese Stätte. Angezogen von der Wunderkraft der Abbildung der Gottesmutter Maria und den heilenden Kräften des Wassers einer am östlichen Abhang sprudelnden Quelle, brachten die vielen Pilger dreihundert Jahre lang viele kostbare Geschenke mit. Die inzwischen zu einer festen Kirche ausgebaute Wallfahrtskapelle soll mit den 12 Aposteln aus purem Gold geschmückt gewesen sein. 

Die Pollnower Einwohner glaubten auch nach der Auflösung des Marienheiligtums weiterhin an die Wunderkräfte dieses Ortes, Heimlich sammelten sie Steine aus den Trümmern der Kirche und schöpften Wasser aus der Heiligen Quelle (auch Gesundbrunnen genannt). Von Generation zu Generation wurden in den Familien Steine und Ziegel aus dem alten Heiligtum aufbewahrt und weitergegeben. Oben auf dem Hl. Berg existieren heute noch unter der Erdoberfläche Überreste der Kirche, des Klosters und eines großen Friedhofes. Hier befinden sich auch die Ruhestätten der alten von Glasenapps aus Pollnow, der von Natzmers aus Gutzmin und der Bewohner des ganzen Landes Pollnow. 

Sicher ist, dass in früheren Zeiten ein unterirdischer Gang vom Schloss in Pollnow bis zur Kirche auf dem Heiligen Berg verlief. Der untere Eingang im Schloss existierte noch 1945, er war allerdings zugemauert. Er befand sich im Keller des mittleren Schlossteils, damals im Eigentum der Großeltern des Autors. Auch der obere Eingang ist inzwischen bekannt. Er befindet sich am Fuße des Heiligen Berges. Nachdem es wohl nach 1945 zu einem Unfallereignis kam, bei dem ein Kind zu Schaden gekommen sein soll, wurde auch der obere Eingang versiegelt. Er ist heute öffentlich nicht zugänglich. 

Der alte sagenumwobene Gesundbrunnen, der vom Trigonometrischen Punkt 156,6 m etwa 980 m in südöstlicher Richtung entfernt liegt, wurde im Jahr 2001 von Rügenwalder Franziskanermönchen vorbildlich restauriert. Früher befand sich etwa 100 m unterhalb des Brunnens ein Stauteich. Eines Tages könnte dieser ebenfalls wieder hergestellt werden. 

Die Marienkapelle auf dem Gollenberg bei Köslin wird zum ersten Mal 1263 erwähnt, stand dort aber vermutlich schon im Jahre 1188. Die Kapelle auf dem Heiligen Berg bei Pollnow muss um diese Zeit oder etwas später entstanden sein, ihr genaues Gründungsdatum ist nicht mehr zu ermitteln. Mönche (vermutlich Zisterzienser) haben damals den im Gra­bowtal wohnhaften deutschen Siedlern und den ansässigen slawischen Pomoranen die christliche Lehre übermittelt und die alte heidnische Opferstätte zerstört. 

Der letzte Besitzer des Heiligen Berges, Karl Pieper, dessen Gehöft heute noch am Fuße des Hl. Berges steht, fand am 16. Juli 1926 zwei große gusseiserne Tafeln, die aus der Kirche auf dem Heiligen Berg stammen müssen. Abgebildet sind die Hochzeit zu Kana in Galiläa sowie Elias und die Witwe von Sarepta. Gefunden wurden sie, als ein Wald gerodet wurde und als Acker urbar gemacht werden sollte. Er vermachte sie dem Kreisheimatmuseum in Rügenwalde (heute Muzeum Darłowo), wo sie heute noch als Exponate zu betrachten sind. Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Heiligen Berg könnte noch manche Überraschung zu Tage gefördert werden. Die Stätte dort oben befindet sich jedoch im Besitz der Franziskaner und die haben offenbar weiteren Ausgrabungen bisher nicht zugestimmt. 

Wiederentdeckung 

Aber es tut sich etwas am und auf dem Heiligen Berg. Bereits unten an der Straße nach Rotzog begrüßte uns 2005 ein deutsches Hinweisschild „HEILIGER BERG“ (inzwischen leider entfernt). Noch vorhanden ein weiteres Schild: „Stille ist Ruhe“. Der Franziskanerpater Janusz Jedryszek aus dem Kloster in Rügenwalde begann im Jahre 2001 mit Genehmigung des Kösliner Bischofs mit den Arbeiten. Zunächst wurde der berühmte Gesundbrunnen wieder hergestellt. Offenbar kann man das klare Bergwasser wieder bedenkenlos trinken (der Autor übernimmt hier aber keine Gewähr). Entlang des Fußweges, der von der alten Ziegelei Zinke aus auf das Bergplateau führt, sind eine Vielzahl von 2 m hohen hölzernen Statuen mit christlichen Motiven im kaschubischen Stil aufgestellt. Auf halber Höhe begrüßt den Wanderer eine lebensgroße Figur des Heiligen Franz von Assisi in einem kleinen von einem Holzzaun umgebenen blumengeschmückten Gärtchen. Und oben auf dem Berg wurde 2004 eine Einsiedlerklause errichtet und im Jahr 2005 fertig gestellt, wo der christliche Wanderer jeder Konfession Ruhe findet und wo auch regelmäßig katholische Gottesdienste gefeiert werden. Der Grundstein für den Wiederaufbau der Kapelle auf dem Heiligen Berg wurde am 6.6.1999 durch Papst Johannes Paul II. in Pelplin geweiht. Selbst war der polnische Papst mit dem bürgerlichen Namen Karol Wojtyła (*18.5.1920, †2.4.2005) allerdings nie in Pollnow. 

Die Klause wurde inzwischen ausgebaut. Jetzt können Pilger und alle Besucher des Heiligen Berges in einer kleinen Holzkirche Ruhe finden, ein Gebet verrichten und Gottes heiligen Namen ehren. Diese steht etwa 20 m südlich von der immer noch als Steinwall zu erkennenden Ruine der ehemaligen Wallfahrtskirche. Im Juni 2010 besuchte Erzbischof Dr. Schick aus Bamberg den Heiligen Berg aus Anlass der Weihung einer aus Bamberg nach Pollnow verbrachten Reliquie des heiligen Bischofs von Bamberg, des Apostels der Pommern, der die Pommern 1124/1125 und 1128 missionierte. Der östlichste Punkt war damals allerdings Belgard, aber das sollte die Pollnower nicht daran hindern, ihn 45 km weiter östlich im Jahre 2010 ebenfalls zu würdigen und zu verehren. 

Inzwischen sind weitere zehn Jahre vergangen, in denen Vater Janusz, der Franziskanermönch auf dem Heiligen Berg die Heilige Stätte weiter ausgebaut hat. Es finden dort regelmäßig Gottesdienste und inzwischen auch mit Genehmigung des Kösliner Bischofs Trauungen statt. Auf dem Berg befindet sich u. a. ein Gedenkstein für die 1917 ermordeten armenischen Christen, den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Allen Lesern sei diese christliche Stätte ans Herz gelegt. Vater Janusz würde sich sicher freuen, auch Sie dort oben auf dem Heiligen Berg demnächst begrüßen zu dürfen. b Weitere Info www.pollnow.de www.rummelsburg.de


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Kommentare

sitra achra am 20.07.20, 12:45 Uhr

Vielen herzlichen Dank für diesen interessanten Artikel. Diese Kulturstätten werde ich dieses Jahr aufsuchen.

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