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Kultur

Die letzten der Monarchen

„Götterdämmerung“ in München – Große Landesausstellung zeichnet das Ende vieler Adelsherrschaften vor 100 Jahren nach

Veit-Mario Thiede
18.11.2021

Mit berühmten Persönlichkeiten werben die Plakate für den Besuch der Landesausstellung „Götterdämmerung II“ im Regensburger Haus der Bayerischen Geschichte. In den Vordergrund gerückt ist die Büste Kaiser Franz Josephs I. von Österreich, der nach 68-jähriger Regentschaft 1916 entschlief. Hinter ihm ragt die Statuette seiner Gattin Elisabeth auf, berühmt als „Sisi“. Rechts steht die Büste Kaiser Wilhelms II., links die des „Märchenkönigs“ Ludwig II., der nach seiner Entmündigung unter bis heute ungeklärten Umständen 1886 im Starnberger See ertrank.

Beim Betreten der Ausstellung sehen wir uns einer monumental vergrößerten Fotografie des aufgebahrten Märchenkönigs und eines Bronzeabgusses seiner Totenmaske gegenüber. So knüpft die „Götterdämmerung II“ an die vor zehn Jahren König Ludwig II. gewidmete gleichnamige Schau an, die mit fast 600.000 Besuchern die bislang erfolgreichste Bayerische Landesausstellung war.

Die aktuelle Schau geht der Frage nach, wie der alte Adel mit den neuen Zeiten zurechtkam. Was die durch einen Telefonapparat und ein Automobil vertretene moderne Wissenschaft und Technik anbetraf, kann man sagen: bestens. Schon König Ludwig II. verfügte auf Schloss Neuschwanstein über Telefon. Weniger gut kamen die Monarchen mit der Forderung des Bürgertums und der Arbeiterschaft nach größerer politischer Teilhabe klar. Die Schau fragt: „Wie positionierten sich die Herrscher? Regieren, repräsentieren oder resignieren?“

Demgemäß beleuchtet die Objektauswahl der Projektleiterin Margot Hamm adlige Lebensläufe. Das Gemälde (um 1901) Franz von Stucks etwa huldigt dem volkstümlichen bayerischen Prinzregenten Luitpold, der nach der Entmündigung und dem Tod Lud­wigs II. noch 26 Jahre amtierte, als Förderer von Kunst und Wissenschaft.

Verfeindete Verwandte

Auch Queen Victoria steht im Blickpunkt. Die britische Monarchin verheiratete ihre neun Kinder in die europäischen Dynastien. Die kolorierte Reproduktion eines 1894 entstandenen Originalfotos zeigt sie mit zahlreichen Familienmitgliedern auf der von ihr arrangierten „Coburger Fürstenhochzeit“ ihres Enkels Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen und bei Rhein, mit ihrer Enkelin Victoria, Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha. Neben der Queen sitzt Enkel Wilhelm, der Deutsche Kaiser. Hinter ihm steht der spätere Zar Nikolaus II. von Russland.

Der Zar feierte 1913 das 300. Jubiläum der Herrschaft der Romanows über Russland. Auch Kaiser Wilhelm II. hatte in diesem Jahr Grund zu glanzvollen Festlichkeiten. Einer der ersten überhaupt gedrehten Farbfilme zeigt Außenaufnahmen der Liebesheirat von Kaiser Wilhelms Tochter Viktoria Luise mit dem Welfenprinzen Ernst August am 24. Mai.

Im Juni stand das im ganzen Reich mit Festen und Paraden begangene 25. Thronjubiläum des Kaisers an. All diese Feiern fanden großes öffentliches Interesse. Projektleiterin Hamm sagt: „Die Monarchen und ihre Familien waren präsent und populär. Am monarchischen System zweifelte im Grunde kaum jemand, weder die Monarchen selbst noch die Bevölkerung.“

Aber die Monarchien hatten auch Feinde. Ausgestellt ist die Feile, mit der ein Anarchist Kaiserin Elisabeth 1898 tödlich ins Herz stach. Nachdem 1908 König Karl I. von Portugal einem Attentat zum Opfer gefallen war, äußerte Kaiser Wilhelm II.: „Wir stehen alle auf der Abschussliste.“ Die Totenmasken von Erzherzog Franz Ferdinand und Herzogin Sophie weisen uns auf das folgenschwerste Attentat hin: Die tödlichen Schüsse auf das österreichische Thronfolgerpaar am 28. Juni 1914 in Sarajevo zogen den Ersten Weltkrieg nach sich.

Nun standen sich die verwandten und verschwägerten Monarchien im Krieg als Feinde gegenüber. Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, wundert sich, dass keiner der Monarchen energisch dafür geworben habe, den Ersten Weltkrieg zu beenden: „Für unsere Landesausstellung ist es wichtig, dass die letzten Monarchen noch sehr viel hätten ausrichten können.“ Denn trotz Regierungen und Generalstab: „Das letzte Wort hatten noch immer Kaiser und Könige.“

„Macht Euern Dreck alleene“

Für die im Krieg Unterlegenen bedeutete dies das Ende der Herrschaft ihrer Dynastie. Die Bolschewisten erschossen 1918 die Zarenfamilie. Für die anderen betroffenen Herrscherhäuser kam das Ende zwar abrupt, aber verlief ohne Blutvergießen. Der Kaiser und die 22 Bundesfürsten nahmen ohne Gegenwehr ihre Absetzung hin oder erklärten freiwillig ihren Thronverzicht.

Die einleuchtende Erklärung für diese plötzliche „Götterdämmerung“ verkündete der am 9. November abgetretenen Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach: „Dem mir von der Vertretung der Soldaten und Arbeiter in Weimar aufs nachdrücklichste ausgesprochenen Wunsche, für mich und meine Familie auf den Thron zu verzichten, um dem drohenden Bürgerkrieg vorzubeugen, leiste Ich Folge.“

Am 13. November dankte König Friedrich August III. von Sachsen telefonisch ab: „Na da macht Euern Dreck alleene!“ Eine Porträtgalerie stellt uns einige der abgetretenen Monarchen vor. Hans Oldes Bildnis von „Kaiser Wilhelm II. in Admiralsuniform“ (1915) begleitet das Faksimile seiner am 28. November unterzeichneten Abdankungsurkunde. Aber bereits am 9. November hatte Reichskanzler Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers verkündet.

• Bis 16. Januar im Haus der Bayerischen Geschichte, Donaumarkt 1, Regensburg. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 9 bis
18 Uhr, Eintritt: 12 Euro. Internet:
www.hdbg.de/goetterdaemmerungII


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Kommentare

Gerrit Arndt am 18.11.21, 19:23 Uhr

Diese Männer und Frauen wurden, trotz dynastischer Beziehungen, von klein auf dazu erzogen, ihre Völker und Bevölkerungen gut zu regieren. Auch wenn es, wie überall Ausreißer nach oben wie nach unten gab, stellten sie doch eine gewisse Bestenauslese und Identifikationsfiguren dar. Wie armselig und verkommen wirken dagegen die heute politisch tätigen Stümper in den sogenannten Demokratien dieser Welt. Auch wäre nach meinem Dafürhalten der Versailler Vertrag niemals so schändlich und demütigend für Deutschland gewesen, wäre der Kaiser nicht von den Verrätern außer Landes getrieben worden und alles, was danach kam folgerichtig auch nie so geschehen.

Siegfried Hermann am 18.11.21, 09:11 Uhr

Moin!
Ohne Krieg wäre sie auch früher oder später durch parlamentarische Entwicklungen abgelöst worden. Der Kaiser selbst konnte ohne den Reichstag nichts beschließen und fühlte sich eher als letzte moralische Instanz zum Wohle des Volkes.
Kann man heute ja gar nicht mehr von Reden!!!
Und sie sind alle, so fern sie Vorsorge getroffen haben, sehr weich gefallen und in den Geld-Adel gewechselt.
Da muss also keiner wegen goldenen und guten alten Zeiten hinterher jammern.
Das ist also eigentlich nur für Historiker und Gelbe Post interessant.

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