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Wiegschütz: Wird der Deutschunterricht für die Minderheit bald nur noch außerhalb der Schule stattfinden?
Foto: WagnerWiegschütz: Wird der Deutschunterricht für die Minderheit bald nur noch außerhalb der Schule stattfinden?

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Die „Lex Czarnek“ behindert den Deutschunterricht an polnischen Schulen

Polens Bildungsminister argumentiert abenteuerlich. Mit NGO-Passus will er die Deutsche Minderheit ausbremsen

Chris W. Wagner
27.12.2022

Der polnische Bildungsminister Przemy-sław Czarnek hat mit einem Interview beim linksliberalen polnischen Privatsender RMF am 16. Dezember einmal mehr für Aufregung gesorgt. Das Gespräch drehte sich um die „Lex Czarnek“ genannte Gesetzesnovelle. Diese hat im September dazu geführt, dass nur noch eine anstatt drei Stunden Deutschunterricht als Minderheitensprache an Schulen aus dem Staatshaushalt finanziert werden.

Czarnek stellte die Möglichkeit in Aussicht, wieder zum Drei-Stunden-Deutschunterricht zurückzukehren, wenn zwei Bedingungen erfüllt seien. Zum einen, „dass die Minderheiten festlegen, wie die Zugehörigkeit zu einer Minderheit überprüft werden könnte, damit das Geld direkt an eine Minderheit und nicht irgendwo außerhalb dieser Minderheit landet“.

Die zweite Bedingung betrifft die Deutschen in der Republik Polen direkt: „Ich habe die Deutsche Minderheit gebeten, zusammen mit mir und dem Außenministerium einen Brief an die deutsche Regierung zu schreiben, in dem wir uns dafür bedanken, dass endlich ein Fonds eingerichtet wurde.“ Aus dem angesprochenen Fonds soll das Erlernen der polnischen Sprache in der Bundesrepublik finanziert werden.

Czarnek fordert aber vom deutschen Staat, diesen Fonds noch einmal um 24 Millionen Euro aufzustocken, „weil wir 25 Millionen Euro für 50.000 Deutsche bereitstellen, während sie eine Million Euro für zwei Millionen Polen bereitstellen. Das ist lächerlich“, meinte er. Dabei ist er allein mit der Darstellung der Tatbestände anfechtbar. Zum einen muss man von 300.000 bis 500.000 Deutschen in der Republik Polen ausgehen, möglicherweise könnte er also rein auf Wahlergebnisse oder Mitgliederzahlen in Verbänden anspielen. Zum anderen bezieht er bei zwei Millionen Polen in Deutschland deutsche Aussiedler mit ein, die ja gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Nation als Aussiedler und nicht als Polen gelten. Der Minister sinnierte im Rahmen des Interviews ferner, an polnischen Schulen ein Abitur auf Deutsch einzuführen „für diejenigen, die behaupten, Deutsche zu sein“.

Rafał Bartek, Chef des Dachverbandes der deutschen Organisationen in der Republik Polen, belehrte Czarnek in einer Videostellungnahme, dass der deutsche Staat eine Million Euro lediglich zum Zweck der Bedarfsuntersuchung bereitgestellt habe und erst entsprechend den Ergebnissen den Polnischunterricht finanzieren wolle. Bartek verwahrt sich auch dagegen, dass man die Deutsche Minderheit als Jongliermasse in die bilateralen Beziehungen einbezieht.

Was die Verifizierung einer Minderheitenzugehörigkeit angeht, so sei diese „ein System, das vom polnischen Staat geschaffen wurde. Warum sollten also Kinder der Deutschen Minderheit dafür bestraft werden, dass ein in Polen geltendes System für den Bildungsminister mangelhaft ist?“, fragt der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften (VdG). Der VdG rief ein Projekt ins Leben, das der Reduzierung des Deutschunterrichts entgegenwirken soll. Es heißt „Deutsch AG“. Der Verband übernimmt die Kosten von daran beteiligten Lehrern sowie von Unterrichtsmaterialien. Die Schulen stellen die Räume zur Verfügung. Im Rahmen des Projektes „Deutsch AG“ werden zwei zusätzliche Unterrichtsstunden wöchentlich angeboten, die außerhalb des Lehrplans organisiert werden. Doch hierbei könnte es durch das „Lex Czarnek“ zu Schwierigkeiten kommen.

Der Bildungsminister möchte nämlich, dass Nichtregierungsorganisationen (NGO) keinen Zutritt zu Schulen erhalten. Es gehe ihm in erster Linie darum, die Verbreitung des „Genderismus“ an Schulen zu unterbinden. Es gäbe genug andere Orte, an denen sich NGOs präsentieren können, meinte er. Mit einem solchen NGO-Ausschluss dürften dann auch keine Deutsch AGs in Schulgebäuden tätig sein.

Czarneks Anliegen wurde zunächst einmal vom Präsidenten Andrzej Duda gestoppt. Sein Veto begründete das polnische Staatsoberhaupt am 15. Dezember gegenüber der Zeitung „Rzeczpospolita“: „Es gab diesbezüglich keine breite gesellschaftliche Konsultation.“ Ihn hätten zudem 133 Protestschreiben erreicht. Aber ob das zum politischen Schauspiel gehört, ist momentan noch nicht erkennbar.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 01.01.23, 12:45 Uhr

Er will einen Fond, durch den das Erlernen der polnischen Sprache in der bRD finanziert wird? Wer braucht hier Polnisch? Ich nicht und meine Kinder auch nicht.
Er verschweigt die Tatsache, daß es bereits seit langem für die ab 14 jährigen polnischsprachigen Übersiedler Polnisch in deutschen Schulen als 2-Sprache statt Englisch angeboten wird, ebenso wie für die Russen. Ich selber habe jahrelang mit einer Polin, die Polnisch unterrichtete, nachmittags in Hamburg Russisch für Russen unterrichtet. Für die gab es auch externe Prüfungen statt Englisch. Aber mit der Wahrheit nehmen es die Polen nie so genau.

sitra achra am 30.12.22, 15:01 Uhr

Die nach europäischem Recht verbrieften Rechte der deutschen Minderheit, die ja nach dem existierenden Völkerrecht die rechtliche Vertretung der zu Unrecht vertriebenen autochthonen Mehrheit darstellt, unterminieren und entwerten, ist die eine Sache, aber auf der anderen Seite die mehr als zweifelhafte Forderung nach der Etablierung eines verfassungsmäßig garantierten polnischen Minderheitenstatus in der BRD zu erheben, ist mehr als verlogen und schizophren. Alles ein Zeichen großpolnischer Hybris und Aggression. Die Nachbarn Polens können sich da auf etwas gefasst machen, Ukrainer inklusive.

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