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Putin setzt weiter auf starke Symbole. Die Opposition verharrt in Selbstisolation
Die russische Wirtschaft befindet sich im freien Fall und nichts deutet darauf hin, dass sich die Situation bald verbessern wird. Der Ölpreis bleibt niedrig, die Konjunktur schwächelt, die Corona-Krise und die Ökokatastrophe in Sibirien tragen zur Krisenstimmung bei. Experten rechnen mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl auf zehn Millionen und mehr.
Westliche Leitmedien prophezeien eine Protestwelle, die Präsident Wladimir Putin, der kräftig die Werbetrommel für die von ihm angestrebte Verfassungsänderung rührt, mit der die zeitliche Begrenzung des Präsidentenamts quasi aufgehoben würde, gefährlich werden könnte. Es wird gemutmaßt, Putin habe extra für das Referendum die Corona-Schutzmaßnahmen gelockert.
Angesichts der anhaltenden schlechten Lage sinken die Umfragewerte des ewigen Präsidenten Putin. Doch der setzt weiter auf eine Politik der starken Symbole. Die Siegesfeier anlässlich des 75. Jahrestag des Kriegsendes, die wegen der Pandemie verschoben werden musste, soll bald nachgeholt werden, vergangenes Wochenende wurde die neue Militärkathedrale südlich von Moskau feierlich eingeweiht, die durch und durch Symbol ist: Der Glockenturm ist 75 Meter hoch (75. Jahrestag des Sieges), der Durchmesser der Hauptkuppel beträgt 19,45 Meter (Kriegsende 1945). Die Militärkirche der Streitkräfte ist die drittgrößte orthodoxe Kathedrale des Landes.
Die Abstimmung über die geplante Verfassungsänderung wird – mit Corona-Sicherheitsauflagen – am 1. Juli durchgeführt. Und die dürfte von Erfolg gekrönt sein: Laut des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM wollen 61 Prozent derjenigen, die zur Abstimmung gehen, für die Verfassungsänderung stimmen und nur 21 Prozent dagegen.
Dabei gibt es durchaus negative Entwicklungen, die gesellschaftspolitischen Sprengstoff bergen: Die Arbeitslosenquote von derzeit 5,8 Prozent könnte im dritten Quartal des Jahres sprunghaft steigen, wenn etwa 1,5 Millionen Abgänger von Schulen und Hochschulen auf den Arbeitsmarkt drängen, wobei die Zahl freier Stellen für junge Menschen um 34 Prozent gesunken ist. Von Arbeitslosigkeit werden junge Menschen in besonderem Maße betroffen sein, auch die gut Ausgebildeten. Beklagten sich bisher Jugendliche in Russland bereits über mangelnde Perspektiven, dürfte die Unzufriedenheit der Jugend weiter zunehmen, wie auch die Bereitschaft, dem Land den Rücken zu kehren, was die ohnehin desolate demografische Lage Russlands verschlimmern würde.
Putin wird von seinen Kritikern immer unverhohlener vorgeworfen, ein politisches System geschaffen zu haben, das nicht funktioniere. Statt auf Pluralität der Gesellschaft zu setzen, erfolgen rigide Einschränkungen der Bürger, gepaart mit Homophobie, der Unterdrückung der Opposition und hartem Vorgehen gegenüber allen regierungskritischen Akteuren.
Der Wirtschaftsexperte Dmitrij Oreschkin sieht Putins Erfolgsrezept darin, dass er sich einen Beamtenapparat geschaffen hat, eine gut dressierte Elite, entsprechend gut mit Geld und Privilegien ausgestattet, die es nicht riskieren will, ihre Pfründe zu verlieren. Nur 15 bis 20 Prozent der Russen seien in der Lage, selbstständig zu denken und zu begreifen, was um sie herum vorgeht, 80 Prozent dagegen blickten nicht durch. Erstere begriffen, dass Putin die Felle davonschwimmen – wirtschaftlich durch Corona, politisch durch den Verlust des Einflusses auf die Ukraine und Weißrussland –, doch werde Putin solange weiterregieren, wie das Geld reiche, um loyale Eliten kaufen und die Bevölkerung ruhig stellen zu können.
Der Soziologe Igor Sadorkin beklagt, dass die Russen so gut wie keine gemeinsamen Werte haben. Gesundheit und Familie stünden an erster Stelle, Freiheit und Unabhängigkeit seien ihnen weniger wichtig. Unter den Bürgern gebe es keine einzige Kraft, die Druck auf die Regierung ausüben könnte.
Die aktuelle Situation scheint dies zu bestätigen. Zwar kritisierte die Kommunistische Partei offen die Pläne zur Verfassungsänderung, doch von den bekannten Oppositionsführern wie Alexej Nawalnyj war zunächst lediglich ein Aufruf zum Boykott zu hören. Zu Massenprotesten auf der Straße wird es wohl nicht kommen. Die Opposition befindet sich zurzeit in der Selbstisolation und begründet ihre Untätigkeit mit der Angst vor einer zweiten Ansteckungswelle. Nur Linke und Kommunisten haben Aktionen angekündigt.
Ob ein Boykott das richtige Instrument ist, um Putin aufzuhalten, bezweifeln indes selbst Gegner der Gesetzesänderung. Nicht zur Abstimmung zu gehen bedeutet, denjenigen das Feld zu überlassen, die für Putins Vorschlag stimmen werden. Und das wird aller Voraussicht nach ohnehin die Mehrheit sein. Die bessere Taktik wäre also, „Nein“ anzukreuzen.
sitra achra am 22.06.20, 17:40 Uhr
Eine formale Demokratie westlichen Zuschnitts wäre für Russland eine Katastrophe.
Was sollen die Russen schon mit Freiheit und Unabhängigkeit anfangen? Die Freiheit zu konsumieren und in Dumpfheit zu verkümmern, die Unabhängigkeit, den Mund zu galten und sein Kreuzchen bei der Wahl an den empfohlenen Stellen zu machen?
Familie und Gesundheit sind viel wichtiger für die gesunde Entwicklung eines Volkes. Der Staat darf nicht zum Spielball von Partikularinteressen gemacht werden. Man nennt es im Westen Pluralität, wir sehen ja selbst, was dabei an Negativem herauskommt. Vielfalt in der Einheit wäre eher wünschenswert.
Und was wäre sinnvoller als eine historische Symbolik, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft darstellt wie der Sieg in einer mörderischen Auseinandersetzung wie im zweiten Weltkrieg. Die bürgerlich pseudolinken Anarchisten rotgrüner Provenienz mögen über die Rituale der Militärparaden lästern, aber denen ist außer ihrer Arroganz und Rechthaberei nichts anderes etwas wert.
Dafür lassen sie sich bequem im sozialen Comfortsessel hockend von den USA beschützen, die zumindest in großen Teilen noch national gesinnt sind.
Ich frage mich, was unsere Gesellschaft noch zusammenhält, wenn es mal richtig kracht. Um Russland und die Russen mache ich mir hingegen keine Sorgen.