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Warum von „Stillstandskoalition“ keine Rede sein kann, und wer die Politiker noch wirklich lieb hat
Mag ja sein, dass unsere derzeitige Bundesregierung ein bisschen holprig unterwegs ist und so manche Fehler begeht. Aber manche Vorwürfe gegen die Ampel erweisen sich nun wirklich als völliger Unsinn, wenn man die Sache mal vorurteilsfrei betrachtet.
So hören wir immer öfter und zunehmend laut, bei der Scholz-Habeck-Lindner-Truppe handele es sich um eine „Koalition des Stillstands“, die Deutschland in die Stagnation führe. Überdies wüssten die Akteure nicht, was sie wollten, weil sie außerstande seien, politische Schwerpunkte zu setzen.
Beides ist an den Haaren herbeigezogen, um nicht zu sagen: blanker Quatsch. Diese Regierung setzt ganz klare politische Schwerpunkte und entfacht dadurch eine ungeahnte Dynamik im Land, wie sie die Bundesrepublik noch nicht gesehen hat.
Kommen wir zu den eindeutigen Schwerpunkten: Die Klimaziele stehen für die Ampel ganz eindeutig im Vordergrund. Hinter ihnen hat alles andere zurückzustecken. Wenn also der Bau bezahlbarer Wohnungen oder die Aufrechterhaltung unserer Industrie den Klimazielen im Wege stehen, dann muss der Wohnungsbau eben abgewürgt werden und die Industrie soll sich zum Teufel scheren.
Resultat dieser klaren Schwerpunktsetzung ist die genannte Dynamik: Die Baubranche sackt ins Bodenlose. Im ersten Halbjahr 2024 wurden nur noch gut 100.000 Wohnungen genehmigt, ein Fünftel weniger als 2023 und die Hälfte dessen, was mal beabsichtigt war, als das Ziel noch 400.000 neue Wohnungen pro Jahr hieß.
Bei der Industrie ist die Ampel ebenso konsequent auf Kurs: Allein die Chemiebranche hat binnen drei Jahren ein Viertel ihrer Produktionsmenge verloren, die deutsche Autoproduktion ist gegenüber den Vorjahren von durchschnittlich fünfeinhalb auf nur noch vier Millionen produzierte Wagen jährlich heruntergepurzelt. „Stillstand“ sieht ja nun wirklich anders aus, oder?
Bei der Einwanderungspolitik ist die Regierung nicht minder auf Kurs. Die feste Absicht, die Grenzen für alle offen zu lassen und möglichst niemanden abzuschieben, gibt die Richtung vor. Dass die innere Sicherheit darunter zerbricht wie die Finanzen und die Aufnahmefähigkeit von Kreisen und Kommunen, spielt keine Rolle. Ebenso wenig der Kollaps der Sozialsysteme, der letztlich unvermeidlich sein wird, wenn Deutschland auf besagtem Kurs verharrt. Aber gewankt wird nicht.
Infolge ihrer bemerkenswerten Entschlossenheit, die alle Unkenrufe von der verzagten „Stillstandskoalition“ Lügen straft, hat das Kabinett aus SPD, Grünen und FDP sogar noch etwas Weiteres erreicht, mit dem keiner rechnen konnte: Die Deutschen haben angefangen, über Politik nachzudenken. Das hatten sie sich schon vor einer gefühlten Ewigkeit abgewöhnt.
Wer früher auf Probleme oder Gefahren der jeweils herrschenden Politik aufmerksam machte, den hat der Normalmichel bislang mit einer Entgegnung an die Wand gegähnt, gegen die keiner ankam: „Was willst du denn? Uns geht's doch gut!“ Danach konnte man jede politische Diskussion vergessen.
Erst Dank der Ampel ist sich eine wachsende Zahl von Deutschen gar nicht mehr so sicher, wie es „uns“ wirklich geht. Und erst recht nicht, wie es um „uns“ in ein paar Jahren bestellt sein dürfte, wenn Scholz, Habeck und Co. ihre Linie mit gleichem Elan fortführen. Die Leute werden wach, danke Olaf! Diese politische Erweckung zeitigt allerdings auch unerwünschte Ergebnisse. Manche Aufgewachten reagieren nämlich überraschend ungehalten auf die immer sichtbareren Erfolge von Rot-Grün-Gelb.
Harald Schmidt: Schafft die Wahlen ab
Zum Glück ist Olaf Scholz endlich aus dem Sommerurlaub zurück und weiß Rat: Im „Bürgerdialog“ stellt er fest, man müsse den „Bürgerinnen und Bürgern“ die Ampelpolitik nur „besser erklären“. Na ja, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist angesichts der Qualität jener Erfolge. Und siehe da: Scholz scheint meinen Verdacht sogar zu teilen und griff in dem „Dialog“ vorsichtshalber zu einem Trick: Ja, die Lage bei der Ampel habe zuletzt schwierig ausgesehen, gab er zu. Aber schwierig war diese Koalition, so Scholz, doch schon von Anfang an. Ganz schön ausgebufft! Denn wenn es von Anfang an schwierig war, dann ist das derzeitige Gerangel ja gar nicht der Rede wert, und wir können uns alle wieder gemütlich in die Polster fallen lassen. Außerdem: „Uns geht's doch ....“ Ach nein, das wollen wir jetzt lieber nicht mehr sagen.
Viele Deutsche sind nicht bloß ungehalten, sie reagieren sogar regelrecht sauer und wollen sich nicht mehr zurücklehnen, während ihre Regierung wie ein Abrissunternehmen durch die Aufbauleistung von Generationen brettert.
Um viele Politiker ist es daher bedrückend einsam geworden. Was sollen sie bloß tun? Aus der Psychologie wissen wir, dass einsame Menschen dazu neigen, sich einen „imaginären Freund“ zu erschaffen, der genauso ist, wie sie sich einen Freund vorstellen. Das sehen wir nun auch bei Politikern immer öfter. Sie haben ihrem eingebildeten Fahrensmann sogar einen Namen gegeben, er lautet „die Menschen“. Als Lars Klingbeil neulich beim ZDF-Sommer-Interview nicht mehr ein noch aus wusste bei dem Versuch, dem Publikum das Gezerre in der Koalition zu erklären, erzählte er versonnen von „den Menschen“ in seinem Wahlkreis, die verblüffenderweise alles genauso sehen wie er.
Ähnlich Mario Voigt von der Thüringer CDU: Der Spitzenkandidat ärgert sich verständlicherweise über den Vormarsch von AfD und BSW in seinem Bundesland. Aber zum Glück weiß er sich darin ebenfalls einig mit „den Menschen“ im Freistaat. Die wollen nämlich, so Voigt bei „Welt“-TV, auch keine „Polarisierung“, wie sie von den beiden Konkurrenzparteien ausgehe. Interessant: Nach dem Umfragen kommen AfD und BSW in Thüringen zusammen auf rund 50 Prozent, Voigts CDU auf gut 20. „Die Menschen ...“? Damit meint er also augenscheinlich nicht die realen Wesen auf Thüringens Straßen sondern seine Phantasiefreunde.
Ärgerlicherweise entscheiden Voigts oder Klingbeils Phantasiefiguren nicht die Wahlen, da bestimmen die echten Leute, die ihre Botschaft manchmal auch recht subtil absetzen: Während Klingbeil im ZDF sprach, tönten aus dem Hintergrund ganz leise die sanften Klänge eines Straßenmusikanten herüber. Er geigte die Titelmelodie des Hollywood-Welterfolgs „Titanic“.
Das lässt nichts Gutes ahnen, weshalb die etablierte Politik fieberhaft an Plänen meißelt, wie man ein „falsches“ Wahlergebnis politisch möglichst unwirksam macht. Einer siegreichen AfD sollen möglichst alle Wege verbaut werden, um durch ein gutes Wahlergebnis echte Macht zu gewinnen. Mal sehen, wie weit die „Verteidiger der Demokratie“ noch gehen werden bei diesem Einhegen demokratischer Prozesse. Harald Schmidt hat da schon einen Vorschlag gemacht: Schafft die freien Wahlen doch einfach ab, oder legt das Ergebnis vorher fest.