07.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Der Wochenrückblick

Die Not mit der Not

Wenn der Finanzminister bis ins Ahrtal kriecht, und warum die „Vorreiter“ als erste im Graben landen

Hans Heckel
02.12.2023

Politik kann ganz schön knifflig sein. Daher kommen die Verantwortlichen manchmal nicht drumherum, einige ganz erstaunliche Haken zu schlagen. Aber gekonnt ist gekonnt: Finanzminister Christian Lindner hat fürwahr ein akrobatisches Meisterstück vorgeführt.

Es ist die Sache mit der „außergewöhnlichen Notsituation“, die nötig ist, um die Schuldenbremse auszusetzen. Verblüffend: Gerade Lindner bestand das gesamte Jahr 2023 über darauf, dass sich Deutschland in keiner solchen Notlage befinde: Die Corona-Krise war vorbei, der Ukrainekrieg ist eingepreist – also alles wieder im Regelbetrieb, so die feste Position des FDP-Chefs. Selbst die Anfang des Jahres noch exorbitant hohen Energiepreise änderten Lindners Meinung nicht. Und die haben sich zuletzt ja auch wieder etwas entspannt.

Doch nun, ganz plötzlich, fiel dem Minister kurz vor Beginn der Adventszeit auf, dass wir doch das ganze Jahr über in einer „außergewöhnlichen Notsituation“ gesteckt haben, wobei er zunächst noch nicht genau sagen konnte, worin diese Lage bestehe. Da musste er wohl erst noch seine Schubladen durchwühlen. Doch das ging schnell: Er fand dort die hohen Energiepreise und ganz hinten in der Ecke sogar noch die Ahrtal-Flut, die in diesem Jahr mit 1,6 Milliarden Euro zu Buche schlagen soll. Ein Bundeshaushalt in Höhe von bummelig einer halben Billion Euro gerät also (auch) wegen 1,6 Milliarden in eine Notlage, nachdem der Kanzler – wir berichteten – gerade vier Milliarden Euro Zuschuss für Wasserstoffprojekte in Afrika zugesagt hat.

Mit anderen Worten: Minister Lindner ist wirklich ein fleißiges Lieschen, er hat buchstäblich alles auf den Kopf gestellt, um Gründe für die Verkündung der „Notlage“ zusammenzufingern und ist dafür sogar bis ins Ahrtal gekrochen, Respekt. Diese Wendigkeit! Wie erklärte der Finanzminister noch am 22. März 2022, also nur einen Monat nach Ausbruch des Ukrainekrieges, im Bundestag: „Die Rückkehr zur Schuldenbremse ist auch ein Beitrag zur Wahrung der Glaubwürdigkeit unserer Institutionen.“ Das lassen wir dann mal so stehen.

Lindners Ministerkollege Robert Habeck zeigt sich nicht halb so wendig. Das liegt womöglich daran, dass Grüne am liebsten nur mit anderen Grünen reden und sich in ihren Positionen ausschließlich mit ihren Gesinnungsgenossen umstellen, die alle vom selben Wein getrunken haben. So entsteht ein Bild von der Welt, in dem alles anders ist als in der Welt, in welcher die gewöhnlichen Bürger ihr Dasein fristen. Manche Sachen gibt es in der grünen Welt gar nicht. Insolvenzen beispielsweise: Robert Habeck hat immer noch nicht verstanden, was das sein soll, sogar jetzt noch nicht, wo er selbst in einer drinsteckt. Also nicht privat, da ist für Seinesgleichen bestens gesorgt, aber als Regierung.

Würde Habeck auch als verschuldeter Privatmann so fuhrwerken, wie er es als Minister weiterhin zu tun gedenkt, hätte der bekannte frühere TV-Schuldnerberater Peter Zwegat wohl vor laufender Kamera entnervt seine Sachen gepackt: „Dem kann man nicht helfen.“ Auf die Frage, welche seiner großspurigen Vorhaben angesichts des Haushaltsdebakels gestrichen werden könnten, um Geld zu sparen, antwortete Habeck auf dem Grünen-Parteitag: „Nirgends!“

Zu anderen Zeiten hätte uns dieses Ausmaß von unbelehrbarer Wirklichkeitsverachtung und Verbissenheit aus den Socken gehauen. Was die Grünen und deren Schleppenträger in der Ampel angeht, sind wir da allerdings schon ziemlich abgehärtet. Wer mitten in der schwersten Energiekrise seit den Stromsperren der unmittelbaren Nachkriegszeit ohne Not die letzten sechs Kernkraftwerke abschalten lässt, dem ist kein Irrweg falsch genug, um ihn nicht trotzdem stur weiterzugehen.

Omid Nouripour – Wie recht er hat!
Also soll es um jeden Preis weitergehen mit den Kassentricks, mit denen das Recht ausgehebelt und die Wirklichkeit vernebelt werden soll – von einer selbst gebastelten „Notlage“ zur nächsten. Zu ihrem Glück haben die Ampelleute nur sehr wenig Ahnung von deutscher Geschichte, sonst würde ihnen jetzt bange. Vor gut 90 Jahren hatte sich schon einmal eine deutsche Regierung darauf verlegt, am üblichen Prozedere vorbei nur noch mit „Notverordnungen“ zu regieren. Damals, unter Kanzler Heinrich Brüning, geschah das indes aus einer echten „Notlage“, weil sich keine Mehrheiten mehr im Reichstag finden ließen.

Das Ansehen der parlamentarischen Demokratie war am Ende dennoch dermaßen rissig geworden, dass die Republik reif war zum Sturm. Aber, wie gesagt: Die damaligen Notlagen waren echt und existentiell ernst, während sie heute von einer Regierung herbeigezaubert werden, deren Parteien entweder nur einfach an der Macht kleben bleiben wollen oder die vom unbeirrbaren Fanatismus pubertierender Narzissten durchglüht sind. Wenn mittlerweile erschreckend viele Deutsche meinen, dass unsere Demokratie nicht mehr richtig funktioniert, dann nicht deshalb, weil sie keine Demokraten mehr sind. Sondern weil sie das Wesen der schmierigen Machtkleber und der freidrehenden Narzissten durchschaut haben, aber keinen Rat wissen, wie man diese Figuren schnell loswerden könnte.

Wer weiß, vielleicht gelingt es der Ampel ja tatsächlich, mit ihren Tricks noch eine Weile durchzukommen, ohne dass allzu viele Deutsche persönlich unter die Räder dieser atemberaubenden Abriss-Politik geraten – einfach, weil man noch jede Menge geliehenes Geld auf die Folgen der astronomischen Fehlentscheidungen kippen kann.

Während man aber Geld bekanntlich unbegrenzt „drucken“ und leihen kann, bis genug für ein großartiges Inflationsfeuer zusammengekommen ist, muss Energie tatsächlich produziert werden. Da könnte die „Grüne Transformation“ schon in wenigen Wochen ganz unerwartete Früchte tragen.

Die Bundesnetzagentur, auch von lauter Grünen geführt und dem Habeck-Ministerium unterstellt, hat bekannt gegeben, dass ab Januar der Strom für private Wärmepumpen und für E-Autos rationiert werden könnte, sollte der Strom knapp werden. E-Mobile sollen dann in zwei Stunden nur noch soviel Saft zapfen können, dass sie damit gerade einmal 50 Kilometer weit kommen. Für Pendler im ländlichen Raum, wo die Distanzen lang, Busse und Bahnen rar sind und das Auto daher als einzige Wahl übrig bleibt, sicher eine bewegende Nachricht, „bewegend“ natürlich nur im übertragenen Sinne. Übrigens können laut Netzagentur die Rationierungen auch unangekündigt über die Leute kommen. Vermutlich will man so verhindern, dass schnell noch alle aufladen.

Dass ausgerechnet die Vorreiter der „Nachhaltigkeit“ wie E-Auto-Fahrer und Wärmepumpen-Besitzer als erste im Graben der energetischen Transformation landen, hat schon etwas bitter Ironisches. Die Grünen würden angegriffen, „weil wir wirken“, so der Partei-Co-Chef Omid Nouripour auf dem Parteitag. Wie recht er hat!


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Valentina Selge am 05.12.23, 05:08 Uhr

Ausgezeichnet formuliert. Es sind kaum Ferwärmenetze ausgebaut worden, keine Müllverbrennungsanlagen oder sonstige Kraftwerke gebaut worden, keine Abwasserwärmerückgewinnungsanlagen. Alles ist dem Privatleuten umgehängt worden mit wackeligen Förderungen, die andauernd wegbrechen.
Es wäre wünschenswert, wenn die Machthabenden abtreten, aber sie werden es nicht tun. Erstaunlicherweise haben sie eine breite Unterstützung der Bevölkerung und Menschen mutieren zu der Regierung dienenden und die Regierung entschuldigenden Personen.
Richter lassen sich vorschreiben, was und wie sie zu urteilen haben, alle Schaltstellen sind besetzt. Es kann fast angenommen werden, dass das angebliche Haushaltsloch gar kein echtes Haushaltsloch ist, sondern dem Wandel der Gesellschaft hin zum ewigen Sozialismus dient.
Die ehemaligen DDR-Bürger schlagen schon lange Alarm und sehen das Wiederaufkommen von Stasi-Methoden und Meinungskontrolle.
Die Journalistin und ehemalige Pressesprecherin von Christa Sager, Ulrike Herrmann ist ganz weit voran, erst hat sie die Elektomobilität verunglimpft (weil die deutsche Autoindustrie das verschlafen hatte und die Förderungen nicht zum Bürger durchgereicht wurden) und so war das genialste Startup, Sonomotors, die beste deutsche Erfindung in diesem Jahrtausend, zum Scheitern verurteilt.
Da kommen Technikern die Tränen.
Nun redet Ulrike Herrmann von Kriegswirtschaft und gibt der Technik die Schuld für das Scheitern des Kapitalismus. Wie will Deutschland ohne internationalen Handel und ohne Industrie durchkommen?
Soll sich jeder einen Kohleofen zu Hause aufstellen oder am Lagerfeuer Lieder singen? Vielleicht eine neue Nationalhymne: "Grün, grün, grün sind alle meine Kleider..."

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS