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Östlich von Oder und Neiße

Die Oberschlesische Porzellantradition lebt fort

In Tillowitz können wartende Bahnreisende seit Februar zerbrechliche Schönheiten bestaunen

Chris W. Wagner
12.03.2023

Es ist ein besonderer Moment, plötzlich sein „olles“ Geschirr, das sonst nur noch fürs Grillen benutzt wird, in einer Ausstellung zu entdecken. So erging es mir im oberschlesischen Tillowitz [Tułowice], in dem vor Kurzem ein Keramikmuseum eröffnet wurde.

Im frisch sanierten Bahnhofsgebäude werden dort Erzeugnisse der nicht mehr existenten Porzellan- und in der Nachkriegszeit Porzellit-Fabrik präsentiert. Porzellit wird zwar als Edelkeramik mit Eigenschaften zwischen Porzellan und Fayence eingestuft, es wird jedoch aus minderwertigerem Kaolin gewonnen. Unter den Nachkriegserzeugnissen der Tillowitzer Keramikfabrik findet sich eben jenes braune Ess-Service, das meine Eltern Anfang der 1970er Jahre mühsam unter dem Ladentisch und nur aus zweiter und dritter Wahl erstehen konnten. „Das Tafelgeschirr, Bierkrüge, Vasen oder Figuren aus den Jahren 1947 bis 2001 bilden unsere keramische Identität“, sagte Marek Jary vom Tillowitzer Kulturzentrum bei der Museumseröffnung.

Doch auch die deutsche Geschichte des Tillowitzer Porzellans wird im neuen Museum präsentiert. „Wir zeigen auch das berühmte schwarze Porzellan. Die Perle unserer Präsentation ist eine Tasse mit Goldrand, die beim Bau der neuen Feuerwache ausgegraben wurde“, sagt Jary. Besonders stolz ist er auf die Leihgaben des Oppelner Museums, die Erzeugnisse der Gräflich Falkenbergischen Porzellanmanufaktur aus den Jahren 1846 bis 1860 und die filigranen Tassen der Porzellanfabrik Schlegelmilch.

Helena Wojtasik ist Leiterin des Tillowitzer Kulturzentrums. Sie hebt besonders hervor, dass die Kontinuität der Porzellan- und Keramiktradition im Museum präsentiert werden kann. Zu ihren Lieblingsobjekten gehören Dekore der Schlegelmilchschen Porzellanfabrik, die noch in der Tillowitzer Modellwerkstatt gefunden wurden, in der sie entworfen wurden.

1813 sei die Fayencemanufaktur Tillowitz durch Graf Johann Carl von Praschma gegründet worden, führt Gerhard Schmidt-Stein in „Schlesisches Porzellan vor 1945“. Von Praschma übergab sein Werk an Johannes Degotschon (1773–1840). Nach dessen Tod verkaufte seine Frau die Fabrik 1842 an Ernst von Frankenberg-Ludwigsdorf. Dieser baute sie aus und ließ das sogenannte schwarze Porzellan herstellen. Da der Erfinder des schwarzen Porzellans, ein gewisser Seliger, die Technologie mit ins Grab nahm, wurde nach seinem Tode die Produktion der Tillowitzer Rarität eingestellt.

Der Bahnanschluss im 19. Jahrhundert und der Bau des Tillowitzer Haltepunkts verhalfen zu einer besseren Materialanlieferung und dem Vertrieb der Erzeugnisse. Am 1. Mai 1889 pachtete der Thüringer Erhard Schlegelmilch aus Suhl die Tillowitzer Porzellanfabrik und machte aus der Tillowitzer Tochterfabrik ein modernes Unternehmen. 1910 hatte die Firma 600 Mitarbeiter.

Neben der 210-jährigen Porzellantradition, die unbedingt kennenzulernen sei, biete auch das Gebäude in der ulica Porcelanowa 4 eine interessante Geschichte, verspricht Jary. „Der Bahnhof entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Strecke Oppeln [Opole] – Neiße [Nysa]. Für den Bau einer Haltestelle in Tillowitz setzte sich Graf Fred Frankenberg ein, der Besitzer von Tillowitz“, sagt er.

2014 kaufte die Gemeinde Tillowitz das Bahnhofsgebäude von den Polnischen Staatsbahnen (PKP). Bereits damals habe man dort ein Porzellanmuseum einrichten wollen, berichtet Wojtasik. Aber erst sieben Jahre später akquirierte die Gemeinde EU-Gelder für die Sanierung. Das Bahnhofsgebäude behielt mit dem renovierten Wartesaal seine Ursprungsfunktion. Doch Reisende, die auf ihren Anschluss warten, können sich die Zeit mit einem Museumsbesuch verkürzen. Dies jedoch nur von Donnerstag bis Sonntag von 9 bis 17 Uhr.


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