Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Vom einem der höchsten Wasserfälle Tirols bis zur tosenden Ache – Rundwanderwege im Seitental des Inns westlich von Innsbruck
Es ist angenehm warm. Der Weg führt bergauf. Zwar durch schattigen Kiefernwald und auch nur 250 Höhenmeter, aber dennoch schweißtreibend. Kaum jemand ist unterwegs. Die erste Begegnung in der Sonne oben auf der Anhöhe: ein Schmetterlingsfreund mit Käppi und Käscher.
Ob die Gegend bekannt ist für besondere Falter? Er sei zum ersten Mal im Ötztal und kenne sich noch nicht aus, sagt der Lepidopterologe, während er den Blick weiter auf Insekten in der Wiese fixiert. Man selbst ist fasziniert vom Rauschen der Windach-Ache, das immer lauter wird und endlich Abkühlung verheißt. Der Wildbach ist der Star auf dem „Waalweg Mooserstegle“ – einem von sechs „Wasserläufern“, die sich als Rundwege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade quer durchs Ötztal schlängeln. Allesamt spritzig und familientauglich.
„Waale“ sind ausgehöhlte Baumstämme, in denen das Wasser schon seit Jahrhunderten auf Felder und Wiesen geleitet wird. Genau dorthin, wo es gebraucht wird hier im hinteren Ötztal, das zu den inneralpinen Trockengebieten zählt. Und exakt in den jeweils benötigten Mengen.
Während Erwachsene auf dem „Waalweg Mooserstegle“ über den Erfindergeist vergangener Zeiten staunen, trippeln Kinder lieber in den kleinen Kunstbächen, schauen dem Wasserrad zu, wie es sich dreht – und vergessen im mystisch-moosigen Märchenwald die Zeit. Dabei kühlt die Windach-Ache verlässlich die Luft, es gibt keine bessere Klimaanlage. Eigentlich braucht man nur anderthalb Stunden für den vier Kilometer langen Weg mit seinem 250 Höhenmetern, der in Söldens Zentrum beginnt und endet. Aber: Es kann auch deutlich länger werden.
Am nächsten Tag vielleicht zum Stuibenfall in Umhausen? Mit 159 Metern Fallhöhe und bis zu 2000 Litern Wasser, die pro Sekunde in die Tiefe stürzen, ist er der imposanteste – und am eindrücklichsten inszenierte – in ganz Tirol. Exakt 700 Stufen führen nach oben, auf der 80 Meter langen Hängebrücke ist man absolut sicher, bekommt aber dennoch eine Ahnung vom Schleudergang dieser „Waschmaschine“.
Höhepunkt ist die Aussichtsplattform. Das liegt auch an den Klettersteig-Gehern, die sich direkt darunter über die Kante nach oben ziehen und plötzlich ins Blickfeld geraten. Einmal umdrehen und nach oben schauen: Dort sind sie schon wieder. Beziehungsweise ihre Vorgänger – und queren den zweithöchsten Wasserfall Tirols. Bloß nicht ausrutschen, denkt sich der Laie fasziniert, während er seinen Weg fortsetzt. Denn auch dieser „Wasserläufer“ ist ein Rundweg, der Gästen nicht nur ein Naturdenkmal näherbringt, sondern zudem die stille Schönheit neben dem Publikumsmagneten.
Über den Umhauser Höhenweg mit seiner grandiosen Aussicht auf die zum Teil noch mit Schnee bedeckten Bergriesen des Ötztals und den Steppsteig geht es wieder zurück zum Ausgangspunkt. Gut neun Kilometer mit 600 Höhenmetern im Anstieg und dreieinhalb Stunden Gehzeit. Wer das Bilderbuchpanorama vor dem Abstieg in aller Ruhe genießen möchte, kehrt in der Jausenstation Bichl ein, die zu einem einsamen Bauerngehöft aus dem 13. Jahrhundert gehört.
Oder soll es auch im Spätsommer lieber was zum richtig Baden sein? Dann nichts wie auf zum Piburger See, dem wärmsten in ganz Tirol. Aber nur so hinwandern – das würde viele Glanzlichter am Wegesrand aussparen. Besser von Oetz nach Norden zum Weiler Habichen aufbrechen und die Wellerbrücke über die Ötztaler Ache queren. Sie ist mittendrin im rauschenden Getöse und bietet den besten Blick auf eine der herrlichsten Wildwasserstrecken Österreichs. Jahrelang wurden hier die Weltmeisterschaften im Extremkajak ausgetragen.
Noch ein kurzer Anstieg zum Seejöchl (1041 Meter), schon sieht man den Piburger See: eingebettet in eine märchenhafte Waldlandschaft, in magischem Grün-Blau schimmernd und so klar, dass man jeden Flossenschlag von Forellen und Barschen beobachten kann. Frisch geangelt kann man das Gesamtkunstwerk danach bei Salat mit gebackenem Käse genießen – und vermutlich beschließen, dass es nicht das letzte Mal war. Der Rundweg mit 9,2 Kilometern und 335 Höhenmetern eignet sich ideal für schöne Oktober-Tage.
Und weil sich bislang wirklich alles gelohnt hat, will man auch die anderen „Wasserläufer“ erkunden. Der eine heißt „Brand-Burgstein“ und führt von Längenfeld aus über eine 84 Meter lange Hängebrücke, die in 220 Metern Höhe über dem Talboden schwebt und hier die beiden Sonnenbalkone Brand und Burgstein verbindet. Beim nächsten durchs Rotmoostal fährt man mit der Bahn hinauf ins hochalpine Gelände zur Hohen Mut (2670 Meter), geht durch uralte Zirbenwälder und bestaunt den imposanten Rotmooswasserfall. Bleibt noch „Mutsbühel“ als unvergesslicher Aussichtspunkt oberhalb des Bergsteigerdorfs Vent – ein Rundweg, auf dem sich die Venter Ache mächtig in Szene setzt.
Sechs Wege, die das Element Wasser in all seinen Facetten spürbar machen. Und die das Ötztal von einer ganz anderen Seite präsentieren. Wer denkt schon an Wasser, wenn er nach Sölden fährt? Dabei weist das Ötztal mit 86 Gletschern die größte Vergletscherung der Ostalpen auf. Das Süßwasser sprudelt von den steilen Hängen der 250 Dreitausender über gigantische Felsen zu Tal, hat im Laufe der Jahrtausende tiefe Schluchten gegraben und sanfte Seen geschaffen. Und ist, in welcher Form auch immer, der Garant für echte Sommerfrische in den Tiroler Bergen.
Aber: Was war eigentlich mit den Faltern? Tirol gilt als Schmetterlingsland mit 2800 nachgewiesenen Arten. Welche genau am „Waalweg Mooserstegle“ daheim sind, muss noch erforscht werden. Nach den Wasser-Erkundungen vielleicht mit Käppi und Käscher starten – und Wikipedia um neue Einträge bereichern? Es gibt viel zu tun im Ötztal.
• Weitere Informationen Ötztal Tourismus, Gemeindestraße 4, A-6450 Sölden, Telefon 0043 57200-0, E-Mail: info@oetztal.com, Internet: www.oetztal.com