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Vor 500 Jahren starb Hans Holbein der Ältere – Augsburg, Stuttgart, Frankfurt am Main und München ehren den Renaissancemaler
Hans Holbein der Ältere verstand es meisterhaft, auf seinen Gemälden die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen heraufzubeschwören. In einem der Passionsbilder seines Dominikaneraltars von 1501 zum Beispiel verrät Judas mit einem Kuss Christus, der im selben Moment von den Häschern gefesselt abgeführt wird, währenddessen Malchus das von Petrus abgeschlagene Ohr wieder ansetzt.
Wer sich für Holbeins Kunst begeistert, ist im Frankfurter Städel Museum, der Staatsgalerie Stuttgart und in Münchens Alter Pinakothek bestens aufgehoben. Holbein wurde um 1465 in Augsburg geboren. Seine Heimatstadt ehrt ihn anlässlich seines 500. Todesjahrs mit einer Sonderausstellung.
Über Holbeins Leben ist wenig bekannt. Sein Vater war Gerber im Augsburger Lechviertel. Als Maler ist Holbein 1493 in Ulm nachweisbar. In Zusammenarbeit mit einem Bildschnitzer schuf er in jenem Jahr für die Klosterkirche von Weingarten einen Flügelaltar. Vier seiner Weingartener Gemälde sind erhalten. Ihr Thema ist das Leben Marias und ihrer Eltern Joachim und Anna. Diese Bilder stehen im Augsburger Dom auf vier Pfeileraltären.
Von 1494 an lebte Holbein wieder in Augsburg. Zwei Jahre später erwarb er im Lechviertel ein Haus. Anstelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauses steht ein Neubau, in dem der Augsburger Kunstverein residiert. Holbein war vermutlich mehrmals verheiratet. Seine Söhne Ambrosius und Hans wurden ebenfalls Maler. Hans Holbein der Jüngere machte als begnadeter Porträtmaler Karriere und ist heute berühmter als sein Vater.
Vermutlich für einen Augsburger Auftraggeber schuf der ältere Holbein zwischen 1494 und 1500 die „Graue Passion“. Der Name geht auf die durchgängig grau gemalte Kleidung der Figuren der ersten sechs Szenen zurück. Von dem Flügelaltar sind lediglich die zwölf Gemälde erhalten. Sie gehören zu den Prachtwerken der Staatsgalerie Stuttgart. Vom ersten Bild, das Christus am Ölberg zeigt, über die Dornenkrönung und die Kreuztragung bis zur triumphalen Auferstehung spielen alle Szenen bei Nacht.
Schon bald war Holbeins Malerei auch außerhalb der Grenzen Augsburgs begehrt. In Frankfurt am Main fertigte er 1500 und 1501 mit seinem Bruder Sigmund und Leonhard Beck für die Dominikaner einen Flügelaltar mit zweifacher Wandlung an. Die meisten Tafeln des im 18. Jahrhundert zerlegten Dominikaneraltars werden heute im Städel Museum aufbewahrt. Seine Passionsszenen sind figurenreicher als die der „Grauen Passion“. Die für den geschlossenen Zustand des Altars gemalten Tafeln zeigen den „Wurzel Jesse“ genannten Stammbaum Christi und die von den Dominikanern hervorgebrachten Heiligen. Die zentrale Szene des Altaraufsatzes gilt dem Letzten Abendmahl. Ungewöhnlich ist, dass es an einem runden Tisch stattfindet.
Malerei weit über die Gotik hinaus
Die Sonderschau in Augsburgs Schaezlerpalais umfasst rund 70 Exponate. Sie stammen nicht nur vom älteren Holbein, sondern auch von Künstlerkollegen, unter denen der Augsburger Hans Burgkmair der Ältere herausragt. Die damals von Kaiser Maximilian I. gern besuchte Reichsstadt war eine aufstrebende Kunstmetropole, deren Malerzunft 50 Mitglieder hatte. Eine Attraktion der Schau sind Holbeins mit dem Silberstift ausgeführte Porträts. Eines zeigt Johannes VI. Schrott, Prior und später Abt des Benediktinerklosters St. Ulrich und Afra.
In deren Kirche stand auf einem der Altäre das Votivgemälde, das der Gastwirt und Weinhändler Ulrich Schwarz der Jüngere um 1508 bei Holbein in Auftrag gab. Unten ist der dreimal verheiratet gewesene Schwarz mit seiner Großfamilie dargestellt. Sie umfasst 31 Kinder. Hinter den Betenden ragen als ihre Fürbitter Christus und Maria auf. Sie wenden sich an den auf einer Wolkenbank thronenden Gottvater, den Holbein als grimmigen, geradezu furchteinflößenden alten Mann dargestellt hat. Stirnrunzelnd blickt der auf sein mächtiges Schwert. Zieht er es aus der Scheide – oder schiebt er es hinein?
Zwei Exponate der Sonderschau verdienen besondere Aufmerksamkeit. Das eine ist die mit Feder und Pinsel ausgeführte „Studie der heiligen Thekla als Rückenfigur“ (vor 1504). Das andere ist das „Stifterinnenporträt der Veronika Welser“ (1504), das von der rechten Seite des großformatigen Gemäldes der „Basilika San Paolo Fuori le Mura“ abgetrennt wurde. Dieses und weitere Hauptwerke Holbeins gehören zum Bestand der in der ehemaligen Katharinenkirche untergebrachten Augsburger Filiale der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Die aber ist wegen Rissen im Gewölbe auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Im Schaezlerpalais vertritt eine großformatige Fotografie Holbeins spitzbogiges Gemälde der Paulsbasilika. Im Bildzentrum lauscht die als Rückenfigur auf einem Stuhl sitzende heilige Thekla einer Predigt des Apostels Paulus. In seinem anspruchsvollsten Simultanbild hat Holbein 13 weitere Ereignisse aus der Legende des Paulus untergebracht. Links ist die Taufe des Paulus zu sehen, die Holbein mit seinen kleinen Söhnen beobachtet. Gotisches Maßwerk sorgt für die dekorative Gliederung der Bildfläche.
Bei gotischen Formen blieb Holbein jedoch nicht stehen, sondern entwickelte sich weiter zu einem der frühesten Vertreter der deutschen Renaissancemalerei. Das veranschaulicht in Münchens Alter Pinakothek der auf den Flügeln mit architektonischen Schmuckformen der Renaissance ausgestattete, um 1516 geschaffene „Sebastiansaltar“. Nach 1516 scheint sich der ältere Holbein nur noch selten in Augsburg aufgehalten zu haben. Zu seinen auswärtigen Engagements gehörte ein Auftrag in Luzern, den er mit seinem Sohn Hans ausführte.
Auch in Isenheim war er vermutlich tätig. Aus dem dortigen Kloster forderte nämlich Holbein der Jüngere die Malutensilien seines Vaters zurück. Wann genau und wo Hans Holbein der Ältere starb, ist nicht überliefert. Das Zunftbuch der Augsburger Maler verzeichnet lediglich, dass sein Leben 1524 endete.
Bis 20. Oktober im Schaezlerpalais Augsburg. Infos: www.kmaugsburg.de; www.staedelmuseum.de; www.staatsgalerie.de; www.pinakothek.de