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Wie hielten es die deutschen Regierungschefs mit der Kultur? – Über Banausen und Heilige von Konrad Adenauer bis Friedrich Merz
Wie hielten es die Bundeskanzler mit den Künsten? Diese Frage mag für manche zweitrangig sein, denn von einem Regierungschef erwarten die meisten doch in erster Linie, dass er die Kunst des Regierens beherrschen möge. Doch wenn man sich für die Persönlichkeit eines Politikers interessiert, dann stellt sich neben vielen anderen Fragen auch die Frage danach, wie es derselbe denn mit Literatur, Theater, Film, Musik und Malerei hält.
Das Wochenmagazin „Stern“ hat im März einen ziemlich durchschaubaren Versuch unternommen, Friedrich Merz
– der ja inzwischen als Kanzler regiert – als Kunst- und Kulturbanausen bloßzustellen. „Kanzler in spe Merz liebt einfach alle Bücher – und sonst so?“, lautete die provokative Überschrift des Artikels.
Es ist ja nicht so, dass von dem neuen Regierungschef nichts Persönliches bekannt wäre. Man weiß von seiner Liebe zur sauerländischen Heimat, zum Wandern und Fahrradfahren, von seiner Leidenschaft fürs Fliegen und seiner Freude an der Technik. Von unbestrittener Vitalität trotz vorgerückten Alters findet Merz vielleicht neben der ganzen Arbeit auch gar nicht so viel Zeit, um Romane zu lesen oder Musik zu hören. In der Tat hält sich der jetzige Kanzler bei Fragen seines Verhältnisses zur Kunst ziemlich zurück. Daraus zu schließen, dass Kultur im Leben des Sauerländers keine wichtige oder zentrale Rolle einnehme, ist allerdings eine bloße Behauptung. Nach der Ernennung des konservativen Publizisten Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister bekam das linke Kulturestablishment allerdings schon einmal Schnappatmung.
Wenn man Dinge richtig beurteilen und einordnen möchte, ist ein Blick aus der Distanz empfehlenswert. Vor 20 Jahren hat der SPD-nahe Journalist Norbert Seitz das Buch „Die Kanzler und die Künste“ vorgelegt. Untertitel: „Geschichte einer schwierigen Beziehung“. Beginnen wir mit Konrad Adenauer, sicher einem der bedeutendsten Bundeskanzler. Der „Gründungskanzler“ entspannte bei klassischer Musik, zumeist bei Haydn, Mozart oder Schubert. Joseph Conrads „Taifun“ bezeichnete er als seinen „biographischen Schlüsselroman“, weil ihm dieser durch die schwere Zeit der NS-Diktatur geholfen habe. Erzählt wird hier die Geschichte eines Kapitäns, der einem Taifun trotzt und nicht aufgibt.
Der Kunstliebhaber Adenauer hatte am Ende seines langen Lebens „noch eine belastbare Beziehung zu einem großen Künstler“. Oskar Kokoschka sollte ihn nicht nur porträtieren, sondern hielt auch eine der Trauerreden auf den Alten aus Rhöndorf. Abends oder im Urlaub erholte sich Adenauer bei Krimis von Agatha Christie oder Edgar Wallace aus der schwarz-roten Reihe des Scherz-Verlags.
Nachfolger Ludwig Erhard hatte mit den konservativen Denkern Rüdiger Altmann und Johannes Gross zwar zwei Denker als Berater, aber mit den Intellektuellen und Künstlern kam er nicht so gut zurecht. Er suchte zwar das Gespräch mit den „Männern des Geistes“ , rasselte aber mit ihnen aneinander und bezeichnete sie als „Banausen und Nichtskönner“ oder als „Pinscher“. Der Kanzlerbungalow in Bonn und der Bungalow von Erhard in Gmund am Tegernsee bezeugen aber seine Vorliebe für moderne Architektur, welche manche Zeitgenossen verstörte.
Mit „König Silberzunge“, Kurt-Georg Kiesinger, hatte die Bundesrepublik ihren ersten „kunstkompetenten Kanzler“, der nicht nur fantastisch aussah und glanzvoll reden konnte, sondern auch Gedichte schrieb. Sein politisches Wirken als Kanzler war weniger erfolgreich, was vielleicht zu der These berechtigt, dass Kanzler wohl eher Aktenfresser, Stehaufmännchen und harte Arbeiter und weniger Kunstfreunde sein müssen.
Willy Brandt hingegen wurde von liebedienerischen Intellektuellen wie Günter Grass zum Intellektuellen und Künstler stilisiert. „Zum ersten Mal versuchten Künstler und Intellektuelle, sich einen Kanzler zu modellieren“, schreibt Seitz. Dabei hatte der melancholische Zauderer eher ein Faible für das Mandolinenspiel. Brandt mochte Heino und Marschmusik und zog Karl Moik vom Musikantenstadl dem Komponisten Gustav Mahler vor.
Helmut Schmidt hingegen, von den Intellektuellen deutlich weniger geliebt als sein Vorgänger im Amt, war nicht nur ein harter Hund und Macher, sondern rief das Projekt Kunst im Kanzleramt ins Leben mit drei bis vier Ausstellungen und zwei Hauskonzerten pro Jahr. Musikalisch hatte es dem Hobby-Pianisten die Barockmusik mit Heinrich Schütz, Pachelbel, Buxtehude, Bach, Telemann, Vivaldi und Purcell angetan.
Helmut Kohl, von seinen Gegnern gern als „Birne“ verhöhnt, förderte als junger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz die Künste. Als Kanzler bemühte er sich sehr um den konservativen Schriftsteller Ernst Jünger und sagte zu dessen Tod im Jahr 1997: „Heute will jeder Querdenker sein. Ernst Jünger war einer.“ Eine solche Äußerung wäre heute vielleicht schon ein Fall für den Verfassungsschutz.
Gerhard Schröder ernannte mit dem polyglotten Verleger Michael Naumann einen Intellektuellen zum Kulturstaatsminister, der als bundesweiter Ansprechpartner für Maler, Schriftsteller, Theater- und Filmleute fungierte. Schröder wurde als „Vernissagenkanzler“ verspottet und pflegte durchaus freundschaftliche Beziehungen zu zeitgenössischen Künstlern, was für einen Mann, der sich von ganz unten hochgearbeitet hatte, nicht selbstverständlich ist. Literarisch gesehen war der Männer-Schriftsteller Ernest Hemingway für ihn der Allergrößte. Seine Nachfolgerin und Besucherin der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele, Angela Merkel, kannte sich vor allem in der „Kunst des Durchwurstelns“ aus.