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Politik

Die politische Statik des Landes gerät ins Rutschen

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen zeigen, dass sich die deutsche Parteienlandschaft nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft verändern könnte

Klaus Kelle
12.10.2023

Im Grunde sind die Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern keine Überraschung. Vielleicht die bärenstarken 18,4 Prozent der AfD in Hessen, doch alles andere verlief am Wahlabend wie von den Demoskopen prognostiziert. Zu schlecht war die Vorstellung, die die Ampelregierung unter Kanzler Olaf Scholz in ihren beiden ersten Jahren hingelegt hat. Zu konfus und oft zu entscheidungsschwach agieren ihre führenden Köpfe, und wenn doch etwas entschieden wird, dann am klar ermittelten Willen der Bürger vorbei.

Der Name, der für den Absturz der „Ampel“ steht wie kein anderer, lautet: Nancy Faeser. Eigentlich war die Bundesinnenministerin von ihren hessischen Genossen ins Rennen geschickt worden, um eine einstige sozialdemokratische Hochburg zurückzuerobern. Tatsächlich wirtschaftete Frau Faeser ihre Partei an den Wahlurnen rund fünf Prozentpunkte herunter – und fuhr mit 15,1 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPD in Hessen überhaupt ein. Was für ein Desaster!

Zum desaströsen Auftreten von Faeser passt, dass sie nun Konsequenzen verweigert. Doch kann eine Spitzenkandidatin, die dermaßen beim Wahlvolk durchfällt, im Anschluss noch einen der wichtigsten Kabinettsposten in Berlin behalten? Das Beispiel von Norbert Röttgen, der 2012 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gescheitert war, dennoch an seinem Posten als Bundesumweltminister hing und kurz darauf aus dem Kabinett entlassen wurde, weist die Antwort.

Die Gründe für den Wahlausgang vom Sonntag sind vielfältig. Die Stärke der CDU in Hessen etwa liegt an der persönlichen Popularität und Solidität des Ministerpräsidenten Boris Rhein. Der Zuwachs von AfD und Freien Wählern liegt indes an der ungelösten Migrationskrise. In Bayern haben beide Parteien zusammen fast ein Drittel der Wählerstimmen erhalten – in einem Bundesland, in dem die CSU die rechte Flanke über Jahrzehnte erfolgreich abdeckte. Auch das ist vorbei. Zwar haben die Christsozialen den ersten Platz souverän verteidigt, doch kann ihr Anführer Markus Söder angesichts abermaliger Stimmverluste nicht zufrieden sein.

Ruck nach rechts
Ganz klar: Bayern und Hessen belegen, dass Deutschland politisch nach rechts rückt. Und das ist kein Grund zu Missmut, sondern schlichtweg die logische Folge der Politik der „Ampel“ wie auch der inhaltlichen und personellen Entkernung der CDU unter Angela Merkel.

Längst wird die weitgehend ungehinderte Massenmigration nach Europa – und vorzugsweise nach Deutschland – von den meisten Bürgern als ernsteste Bedrohung für unsere Gesellschaft und unsere Art zu leben wahrgenommen. Da sie damit von den etablierten Parteien weitgehend alleingelassen werden, suchen sich immer mehr Menschen alternative Angebote.

Im kommenden Jahr finden drei Landtagswahlen im Osten der Republik und die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Wenn sich die Etablierten bis dahin nichts einfallen lassen, um den Zustrom Hunderttausender Zuwanderer zu stoppen, dürften sie dann ihr blaues Wunder erleben. Schon jetzt sind die Migrationskrise und das Versagen der deutschen, aber auch anderer Regierungen EU-weit das Lebenselixier für rechte Parteien. Der Wahlsieg der Schwedendemokraten im Norden, der Wahlsieg von Giorgia Meloni in Italien – all das sind Folgen gescheiterter Integrationsversuche und grenzenloser Masseneinwanderung, vornehmlich junger Männer aus dem islamischen Kulturkreis, wenn man das so nennen kann. Und die Migrationsfrage wird auch in Deutschland entscheidend dafür sein, ob die Parteien der Mitte künftig noch eine relevante Rolle bei der Führung unseres Landes spielen werden.

Die Alternativen sind da
Das Wahlvolk hat inzwischen genügend Angebote zur Auswahl. Die Freien Wähler, etwa, sind nun auch bundesweit eine Alternative für verzweifelte Konservative, die sich weder für entschlusslose „Schwarze“ noch für Putin-begeisterte „Blaue“ entscheiden mögen.

Und da kommt noch mehr. Angeblich wird Sahra Wagenknecht Ende Oktober ihre neue Querfront-Partei gründen, die zwar nicht so heißen soll, aber versuchen wird, Wähler sowohl aus linken wie aus rechten Blasen abzugreifen. Außerdem steht die Ankündigung des Ökonomen Markus Krall im Raum, zur Bundestagswahl 2025 mit einer eigenen Partei anzutreten, die auch koalitionsfähig mit der AfD sein soll. Und dann gibt es da noch das kleine „Bündnis Deutschland“, ebenfalls eine Neugründung im großen Feld zwischen Union und AfD, das bei seinem ersten Auftritt bei der Bürgerschaftswahl in Bremen mit 9,5 Prozent (zusammen mit der Liste „Bürger in Wut“) gleich Fraktionsstärke erlangte.

All diese neuen politischen Kräfte eröffnen die Perspektive, das traditionelle deutsche Parteiensystem umzukrempeln. Wie schnell das gehen kann, zeigt Italien, wo bei den vergangenen Parlamentswahlen kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Jahrzehntelang dominierte dort die „Democrazia Cristiana“ (DC), eine Schwesterpartei der Union, das Geschehen. Auch für die DC waren Wahlergebnisse um die 40 Prozent lange Zeit die Regel. Heute ist sie nur noch Geschichte.

Insofern dürfte das kommende Jahr für Deutschland ein schicksalhaftes werden. Die Wähler im Osten sind deutlich beweglicher als die Westdeutschen. Unter den „Ossis“ interessiert es niemanden mehr, ob eine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wenn sie die richtigen Themen anspricht. Eine Entwicklung, die – siehe Bayern und Hessen – nun auch im Westen Schule macht. Am Wahlabend stellte einer der zu Wort gekommenen Analysten Ergebnisse einer Wählerbefragung in Bayern vor. 95 Prozent der befragten AfD-Wähler sagten demnach, es sei ihnen vollkommen egal, ob die Partei in Teilen rechtsextrem ausgerichtet sei. Sie wählen sie trotzdem, weil die anderen ihre Politik nicht änderten.


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Kommentare

C R am 12.10.23, 12:30 Uhr

Ich denke dieses Land ist verloren. Oder bald verloren. Wenn selbst die PA absichtlich oder fahrlässig falsch zitiert: „95 Prozent der befragten AfD-Wähler sagten demnach, es sei ihnen vollkommen egal, ob die Partei in Teilen rechtsextrem ausgerichtet sei.“
Die Umfrage lautete: „… wenn die AfD als rechtsextrem BEZEICHNET werde …“ DAS ist den Wähler egal. Sie halten die AfD eben NICHT für rechtsextrem, egal was die Medien wahrheitswidrig behaupten. Das ist doch der entscheidende Punkt: Die Wähler haben sich vom FRAMING der AfD als rechtsradikal emanzipiert.
Es ist ihnen also beileibe nicht egal ob sie eine rechtsradikale Partei wählen oder nicht, sondern nur, wie diese Partei vom politischen Gegner bezeichnet wird. Das ist ein großer Unterschied. Und diesem sollten Sie in ihrer Berichterstattung ebenfalls Rechnung tragen! Sonst erweisen Sie der Sache der AfD nämlich einen Bärendienst.

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