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Polens Parlament stellt sich nach 80 Jahren der „Oberschlesischen Tragödie“ von 1945
Alle Jahre wieder wird zu Jahresbeginn in Oberschlesien der Ereignisse von 1945 gedacht, als die Rote Armee dort die deutsche Grenze passierte. Es folgten Plünderungen, Vergewaltigungen, Morde, Inhaftierungen in Arbeits- und Konzentrationslager sowie Verschleppungen in die Sowjetunion. Seit den 90er Jahren werden diese Ereignisse unter dem Begriff „Oberschlesische Tragödie“ zusammengefasst. 80 Jahre nach Kriegsende fand dieses Thema nun am 7. Januar seinen Weg ins polnische Parlament.
Zuvor beschlossen die oberschlesischen Sejmiks (Landtage), also die der Woiwodschaft Schlesien in Kattowitz [Katowice] und der Woiwodschaft Oppeln [Opole], 2025 zum Gedenkjahr der Oberschlesischen Tragödie zu proklamieren. Daraufhin stellte die oberschlesische Senatorin Halina Bieda den Antrag, polenweit der Opfer der Oberschlesischen Tragödie zu gedenken. „Die Massaker in Miechowitz [Miechowice] bei Beuthen [Bytom], wo 380 Menschen ermordet wurden, und in Boguschütz [Boguszyce] bei Beuthen, wo mindestens 270 Menschen getötet wurden, stehen symbolisch für alle bis heute nicht ermittelten Opfer und für die Massendeportationen in russische Arbeitslager, aus denen viele der Deportierten nie mehr in ihre Heimat zurückkehrten. Ihre Zahl wird auf 46.200 geschätzt. „Die kommunistischen Behörden der Volksrepublik Polen, die die Verwaltung der Region übernommen hatten, setzten die Repressionen gegen die oberschlesische Bevölkerung fort“, heißt es in der vorgelegten Resolution, die von der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, dem Senat, per Akklamation angenommen wurde. Erstmalig wurde damit eingeräumt, dass nicht nur die Sowjets, sondern auch polnische Behörden die Schuld am Leid der Oberschlesier trugen.
In der ersten Kammer, also im Sejm, wurde diese Resolution heftig diskutiert. Vertreter der rechten Konföderation wollten durchsetzten, dass das Gedenken nicht nur auf 1945 zu begrenzen sei, sondern auch 1939 einbeziehen. Denn „alles würde doch von den Deutschen ausgehen“, begründete der aus dem oberschlesischen Nikolai [Mikołów] stammende Abgeordnete der Konföderation Roman Fritz. Er vermisse in der Gedenkdebatte die Erinnerung an „die Verfolgung der schlesischen Aufständischen und ihrer Familien, die Erschießung polnischer Patrioten, die Massenaufmärsche der Wehrmacht in Nikolai und die Deportation an die Ostfront sowie die Verfolgung der Soldaten der Heimatarmee Armia Krajowa, die in Oberschlesien in einer besonders schwierigen Situation waren, weil in jedem zweiten Haus ein Deutscher wohnte und es daher leichter war denunziert zu werden als in anderen Regionen des Landes“, betonte Fritz gegenüber der Zeitung „Dziennik Zachodni“.
Letztendlich enthielten sich 22 Abgeordnete der Konföderation bei der Abstimmung. Zwei PiS-Vertreter stimmten dagegen, weil sie mit einem Interneteintrag des Europaabgeordneten Łukasz Kohut nicht einverstanden waren. Der schrieb in den sozialen Medien: „Wir dürfen nicht vergessen, dass es bei der Oberschlesischen Tragödie nicht nur um die Schuld der ,Russen' ging, es war ein Abschlachten von Oberschlesiern und Deutschen mit Unterstützung polnischer ‚Patrioten', die Schlesien für sich allein haben wollten und ihre Nachbarn oft kaltblütig ermordeten.“
Letztendlich wurde mit 406 Ja-Stimmen, 22 Enthaltungen und zwei Gegenstimmen entschieden, dass „der Sejm der Republik Polen anlässlich des 80. Jahrestages der oberschlesischen Tragödie das Gedenken an die unterdrückte Zivilbevölkerung ehrt und aller gedenkt, die ihr Leben und ihre Gesundheit verloren haben, sowie an diejenigen, die verfolgt wurden, weil sie die Erinnerung an diese Ereignisse aufrechterhalten haben.“
Mit der Abstimmung zum Gedenken an die Oberschlesischen Tragödie im polnischen Parlament ging die Präsentation einer Ausstellung einher. Unter dem slawisch-oberschlesisch formulierten Titel „Mein Opa wurde auch deportiert“ (Moj Opa tyż boł deportuwany) wurde den Parlamentariern eine Zusammenfassung der Ereignisse vor 80 Jahren aus Sicht der Oberschlesier geboten. Die Präsentation wurde von Wissenschaftlern des Radzionkauer „Dokumentationszentrums für Deportationen oberschlesischer Bevölkerung in die Sowjetunion von 1945“ erarbeitet. Sie beinhaltet Informationen, Dokumente, Fotos und Zeitzeugenaufnahmen in polnischer und englischer Sprache. Diese Ausstellung verlässt am 20. Januar Warschau und wird weiter nach Kattowitz und danach ins Europäische Parlament nach Brüssel ziehen.
Das Dokumentationszentrum in Radzionkau berichtet seit zehn Jahren über das Ausmaß der Repressionen an Oberschlesiern nach 1945, die „so groß waren, dass man noch heute von Besuchern des Zentrums einen Satz hören kann, der bereits eine Art Symbol für diese Tragödie ist: ‚Mein Opa wurde auch deportiert'“, erklärt Justyna Konik, die neben Dariusz Węgrzyn, Sebastian Rosenbaum oder Adam Dziurok an der Präsentation mitwirkte.