15.11.2025

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Foulspiel mit Folgen

Die Posse um Ludwigshafen

Wie demokratiefeindlich war der Ausschluss des AfD-Kandidaten zur Wahl?

Peter Entinger
01.10.2025

Die trübe Stimmung in Ludwigshafen passt an diesen Herbsttagen zum ebenso trüben Wetter. Es ist grau, stürmisch und ungemütlich. Dazu fand im Schatten monatelanger Rechtsstreitigkeiten Mitte September die erste Runde der Oberbürgermeisterwahl statt – und die AfD blieb außen vor. Der AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul war am 5. August vom Wahlausschuss mit 6:1 Stimmen aus dem Rennen genommen worden – offiziell wegen „Zweifeln an seiner Verfassungstreue“. Paul nannte den Ausschluss eine „undemokratische Wahl“, da den Bürgern de facto die Wahlfreiheit genommen werde, und kündigte Rechtsmittel an. Diese blieben jedoch ohne Erfolg.

Gleich drei Gerichte betonten, dass vor Kommunalwahlen nur bei „offensichtlichen Fehlern“ einschlägige Entscheidungen gestoppt werden dürften, und verwiesen auf das nachträgliche Wahlprüfungsverfahren. „Die Wähler in Ludwigshafen sind heute um ihre Stimme betrogen worden“, sagte Paul nach der Wahl. Alle Proteste konnten letztlich aber den Wahlvorgang nicht verhindern.

Niedergang einer Stadt
Das vorläufige Ergebnis ist ernüchternd: Nur 29,3 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Urne – ein historischer Tiefstand (2017 lag die Beteiligung noch bei etwa 60 Prozent). Den ersten Platz sicherte sich CDU-Kandidat Klaus Blettner mit 41,2 Prozent, vor dem SPD-Kandidaten Jens-Peter Gotter (35,5 Prozent). Beide treten am 12. Oktober zur Stichwahl an. Man muss fairerweise anmerken, dass die Oberbürgermeisterwahl erstmals losgekoppelt von anderen Abstimmungen war. Insofern lässt sich die Wahlbeteiligung nur bedingt vergleichen.

Aufsehen erregten allerdings die insgesamt 3.201 ungültigen Stimmen, was immerhin 9,2 Prozent im Ergebnis ausmacht. Spekuliert wurde, ob Wähler der AfD wegen des umstrittenen Ausschlusses von Paul eine Art „Protest an der Wahlurne“ demonstriert haben könnten. Amtsinhaberin Jutta Steinruck war nicht mehr angetreten, hatte aber maßgeblich dazu beigetragen, dass Paul nicht kandidieren durfte. Seitdem ist sie heftigen Anfeindungen ausgesetzt, steht teilweise sogar unter Polizeischutz. Steinruck verteidigte den Ausschluss mit den Worten, man lebe im Rechtsstaat. „Da gibt es Regeln. Diese Regeln haben wir als Wahlausschuss offensichtlich eingehalten. Es gibt inzwischen drei Gerichtsentscheidungen, die das bestätigen.“

Steinruck machte die Politik in Berlin für das Fiasko vor Ort verantwortlich. Die Kommunen seien kaputtgespart worden, einem Oberbürgermeister bliebe kaum Gestaltungsspielraum. Vor rund zwei Jahren ist sie aus der SPD ausgetreten. Ludwigshafen gilt mittlerweile als sozialer Brennpunkt im Südwesten. Jahrzehntelang galt der Chemieriese BASF als Arbeitgeber, der Generationen von Familien fütterte. Doch der Lack ist längst ab. Rund um den Hauptbahnhof lungern Junkies. Alteingesessene Geschäfte, Lokale und Kneipen haben mittlerweile geschlossen. Heute wimmelt es nur so vor finsteren Shisha-Bars und dubiosen Spielhöllen.

Bei der letzten Bundestagswahl wurde die AfD erstmals stärkste Kraft. 24,3 Prozent stimmten für die Rechten, knapp dahinter landete die CDU. Es ist eine Entwicklung mit Ansage. Sogar die längst vergessenen Republikaner erzielten in Ludwigshafen noch Ergebnisse oberhalb der Fünf-Prozent-Marke, als sie bundesweit längst Splitterpartei waren. Eine verwahrloste Geisterstadt sei Ludwigshafen, geeignet als Kulisse für osteuropäische Agentenfilme aus den 60ern, schrieb ein „Spiegel“-Reporter schon 2017, als er nach dem Tod des aus der Region stammenden ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl einen Spaziergang durch die Stadt machte. Sein Fazit: „Verglichen mit dem Zentrum von Ludwigshafen wirkt jeder Pissbahnhof in Vorpommern, jede Autobahntankstelle in Sachsen-Anhalt wie ein blühender Zukunftsort.“

Von zweifelhaftem Ruf
Egal, wer die OB-Wahl nun gewinnen wird, viel ändern wird er nicht können. Möglicherweise ist der verhinderte AfD-Kandidat Paul auch deshalb so gut gelaunt. Am Wahlabend präsentierte er sich lächelnd vor den Kameras. Der studierte Lehrer ist ein Zugereister, er stammt aus Bendorf bei Koblenz, wo er bis heute lebt. Im Dezember 2023 verhängte die rheinland-pfälzische AfD eine auf zwei Jahre angesetzte Parteiämtersperre gegen Paul, da dieser auf einem Foto den als Erkennungszeichen Rechtsextremer geltenden „White-Power-Gruß“ gezeigt haben soll. Pikanterweise nahm der Wahlausschuss gerade diesen Vorfall zum Anlass, ihn von der OB-Wahl auszuschließen.

Paul ist auch in der AfD nicht unumstritten. Als er im Bundesvorstand saß, stimmte er in aller Regel mit Jörg Meuthen. Heute gilt das als unverzeihlich, da Meuthen als zu moderat galt. Durch die Posse von Ludwigshafen ist er nun bundesweit bekannt. In einem halben Jahr wird in Rheinland-Pfalz gewählt. Paul steht auf Platz sechs der Landesliste. In Umfragen liegt die AfD bei 17 bis 19 Prozent. Paul geht von 25 Prozent aus, unmöglich scheint das nicht. Der Fall Ludwigshafen spielt der AfD in die Karten, ohne dass sie Verantwortung übernehmen muss. Nicht umsonst sagt CDU-Kandidat Blettner: „Ich hätte Paul gerne auf dem Wahlzettel gesehen.“ Es ist völlig unklar, wann die Gerichte entscheiden werden. Klar ist aber, dass der Vorgang Thema im Landtagswahlkampf werden wird.

Dieser Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie weit darf der Staat überhaupt gehen, um angebliche, aber nicht gesichert verfassungsfeindliche Kandidaten zu stoppen? Und wie lange muss ein Bewerber um ein öffentliches Amt dann warten, bis ihm Rechtsschutz gewährt wird?


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