Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Wer Sylt nur mit Champagner, Schickeria, Luxus und teuren Immobilien verbindet, kennt dieses Eiland nicht wirklich
Genauso wie Einheimische auf den Nordseeinseln noch den alten friesischen Traditionen frönen, Tänze ihrer Urahnen aufführen oder deren Liedgut an die Nachkommen weitergeben, wird auch anderes althergebrachtes Brauchtum gepflegt. Dazu gehört das Sylter Ringreiten, das jedes Jahr aufs Neue in verschiedenen Turnieren am Leben gehalten wird.
Ein wenig erinnert es an mittelalterliche Ritterspiele, wenn die Reiter der fünf Ringreitervereine der Männer im gestreckten Galopp mit Lanze im Arm auf Pfähle, den sogenannten Galgen, zureiten, um einen winzigen Ring zu ergattern. Die Geschichte dieses Sports geht bis ins Mittelalter zurück, als im Vorfeld zu den Ritterturnieren auch Knappen beim Ringstechen zeigen konnten, was sie können. Seit den 1980er Jahren gibt es auch drei „Amazonenriegen“, mit den Männern also insgesamt acht Gruppierungen.
Die Sylter Autorin Sina Beerwald behauptet sogar in einem ihrer Sylt-Reiseführer, dass Sylt ohne Ringreiten wie eine Insel ohne Meer sei. Und tatsächlich zählt die schleswig-holsteinische Tradition seit 2021 zum sogenannten „Immateriellen Kulturerbe des Landes“. Diese Bezeichnung geht zurück auf das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes, dem Deutschland 2013 beigetreten ist mit dem Ziel, die Vielfalt des lebendigen deutschen Kulturerbes zu erhalten, zu pflegen und – natürlich finanziell – zu fördern.
Begonnen hat alles im Jahr 1861, als elf Pferdenarren den ersten Verein, das „Sylter Ringreitercorps“, gründeten, was alsbald auch in ein erstes Turnier mündete. Diese finden zwischen Mai und August jedes Jahres in Keitum, Archsum und Morsum statt. Den klassischen Abschluss bildet das Amtsringreiten aller Vereine gegen Ende des Jahres auf einer Wiese hinter dem Muasem Hüs in Morsum.
Mit diesem in einigen Orten Schleswig-Holsteins, im süddänischen Raum und der niederländischen Insel Walcheren verbreiteten Sport möchten die Reiter den – symbolischen – Königs-, Kronprinzen- oder Prinzenwürde erzielen, respektive die weibliche Form dieser Rangbezeichnungen für die teilnehmenden Reiterinnen. Mit einer 1,90 Meter langen Lanze bewaffnet reiten die Teilnehmer mit drei Galopp-Sprüngen auf das Ziel zu, ohne dass sie sich beim Ringdurchstoß vom Sattel erheben dürfen.
Damit es auch schwer wird, haben die Ringe, die in einer Öse an einer gespannten Schnur hängen, nur einen Durchmesser zwischen zwölf und 25 Millimetern. Gute Augen und eine ruhige Hand reichen nicht aus. Entweder man kann es oder man kann es nicht, meinen die Einheimischen. Ebenso wichtig wie die Teilnehmer sind die Helfer, welche die gestochenen Ringe wieder einsetzen oder sich in den Pausen um die Pferde kümmern.
Essen und Trinken gehören zu so einer volksnahen Lustbarkeit natürlich dazu. So wird den Teilnehmern in den Pausen oft Teepunsch oder Bowle gereicht. Wer schlau ist, greift aber lieber erst nach dem Ende des Wettbewerbs zu, damit der Kampf um die Ringe nicht im Vollrausch endet.