27.07.2024

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Deutsche Wirtschaft

Die riskante Abhängigkeit von problematischen Staaten

Ob Corona-Pandemie oder Ukrainekonflikt – Eine Studie legt offen, dass die Politik der weltweiten Globalisierung gescheitert ist

Peter Entinger
09.01.2024

Lange Jahre lag das Augenmerk (nicht nur) der deutschen Wirtschaft darauf, Produktionsstandorte zu suchen, an denen möglichst kostengünstig hergestellt werden konnte. Das betraf auch Länder, in denen man es mit Arbeitnehmerschutz und Menschenrechten nicht so eng sah.

Das neue Lieferkettengesetz der EU soll dem einen Riegel vorschieben, doch es gibt auch Faktoren, die für Probleme sorgen können, die man nicht durch ein Gesetz regulieren kann. Als in der Ukraine der Krieg ausbrach, stellte die deutsche Öffentlichkeit ziemlich überrascht fest, dass man zur Energieversorgung vom russischen Gas abhängig war. Und als zuvor in China die Corona-Pandemie ihren Lauf nahm und die Asiaten ein striktes Ein- wie Ausfuhrverbot von Waren durchsetzten, fehlten in Deutschland plötzlich Arzneimittel.

Seitdem ist Resilienz ein häufig gebrauchtes Wort. Deutschlands Wirtschaft solle widerstandsfähiger und unabhängiger werden von politischen Faktoren. Einseitige Handelsbeziehungen könnten verstärkt als Waffe gegen die Handelspartner eingesetzt werden, so die Befürchtung. Viele Unternehmen strukturieren ihre Lieferketten deshalb neu.

Neues Lieferkettengesetz der EU
Auf politischer Ebene ist längst eine Diskussion über strategische Abhängigkeiten entbrannt. Eine neue Studie will nun Aufschluss darüber geben, welche Industriezweige besonders abhängig von Staaten sind, die man als „unzuverlässig“ einzustufen könnte. Die Ökonomen Claus Michelsen und Simon Junker haben die Studie für den Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erstellt. „Die internationale Arbeitsteilung hat sich als höchst anfällig für Störungen erwiesen. Zu unsicher erscheint die bisherige Handelsstruktur und das Risiko, dass einzelne wichtige Lieferanten ausfallen“, heißt es in der Studie, die einen interessanten Blick in die Vergangenheit richtet.

Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Wegfall der politischen Blockbildung habe die Globalisierung in den 1990er Jahren einen kräftigen Schub erfahren. Die zunehmende Integration Russlands und Chinas in weltweite Wertschöpfungsstrukturen habe Europa Zugang zu enormen, vielfach günstigen Energie- und Rohstoffvorkommen sowie zusätzlichen Fertigungskapazitäten eröffnet. Entsprechend stark sei der Index globaler Integration in den folgenden Jahren angestiegen. Dass derzeit eine neue Debatte darüber entbrannt sei, habe übrigens nicht nur mit der russischen Politik oder der Corona-Pandemie zu tun. Spätestens seit der damalige US-Präsident Donald Trump seine Maxime „America First“ ausgegeben habe, traten die bis dahin unterschwelligen Handelskonflikte offen zu Tage und mündeten in einem offenen Handelskrieg zwischen den USA und China.

Grundsätzlich sei es schwierig, zwischen Ländern zu unterscheiden, die verlässliche Handelspartner sind, und solchen, bei denen eine hohe Konzentration bei der Einfuhr von Rohstoffen und Waren problematisch erscheint. Um eine solche Klassifizierung vornehmen zu können, haben sich die Studien-Autoren am Abstimmungsverhalten der einzelnen Staaten bei den Vereinten Nationen porientiert. Demnach sind die politischen Interessen von Ländern wie Polen, Australien oder Südkorea nahezu deckungsgleich mit denen der Bundesrepublik. Staaten wie China, der Iran und Venezuela hingegen stehen eher im Widerspruch zu Deutschland. Und: Auch die USA zählen nach dieser Untersuchung nicht zu den verlässlichen Partnern.

Insgesamt hat die Konzentration der Staaten, aus denen Deutschland Waren importiert, in den vergangenen Jahren zugenommen: Kamen 2008 noch 7,6 Prozent aller Einfuhren der Bundesrepublik aus China, waren es im vergangenen Jahr schon 12,8 Prozent. Auch die Importe aus den Vereinigten Staaten sind angestiegen.

Die einzelnen Branchen sind allerdings höchst unterschiedlich betroffen. Importe aus dem Bereich der Elektrotechnik kamen im vergangenen Jahr zu 92 Prozent aus problematischen Ländern, was die Autoren vor allem auf die Abhängigkeit von China zurückführen. „Die Analyse zeigt, dass Konzentrationen in den Zuliefererstrukturen der Industrie Deutschlands durchaus markant sind. Dies trifft aber nicht für das verarbeitende Gewerbe in Gänze zu, sondern zeigt sich insbesondere dort, wo entweder Rohstoffvorkommen oder bestimmte technologische und Fertigungskompetenzen konzentriert sind“, schreiben die Autoren und stellen als Fazit fest, die deutsche Wirtschaft sei nicht in Gänze abhängig, aber doch in wichtigen Branchen. Augenfällig sei dies bei Öl- und Gasimporten, in der Elektronik, aber in gewissem Umfang auch in der pharmazeutischen Industrie. Inwieweit dieses Fazit interessegeleitet ist, sei dahingestellt, kann es doch dem Auftraggeber der Studie als Interessenvertretung von 48 (Stand Januar 2023) Pharmaunternehmen in Deutschland nicht egal sein, ob in der Bundesrepublik die einheimische Pharmaindustrie ausländischer Konkurrenz schutzlos ausgesetzt oder aber staatlich protegiert wird.


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Kommentare

Alex Lund am 09.01.24, 19:20 Uhr

Ja, es war billiger, aber man sollte DIE Grundregel der Politik nicht vergessen:
Ein Staat hat keine Freunde, er hat nur Interessen.

Wohin die Ignoranz uns geführt hat, sehen wir jetzt.
Wir haben auf McKinsey gehört (Outsourcing und Just-In-Time Lieferung) und jetzt haben wir die Beschwerung.
Wir haben nicht genug Munition, Ersatzteile usw.
Es war das dümmste, was man machen konnte. Wir müssen zurück. Es muss per Gesetz vorgeschrieben werden, dass alles, was in Deutschland verkauft wird, zu mindestens 80% hier in Deutschland hergestellt und verarbeitet wird. Und für wichtige Sachen (Computerchips, Munition, Nahrungsmittel) muss es bei mindestens 90% liegen.
Nur dann sind wir nicht erpressbar.
Und natürlich muss McKinsey auf den Müllhaufen landen. Wir brauchen wieder Vorratslager - große.

Stefan Stulle am 09.01.24, 10:08 Uhr

Seh ich genau gegenteilig: Je mehr die Völker zusammenarbeiten, desto geringer sind die Wahrscheinlichkeiten von kriegerischen Konflikten. Also statt die USA einen Putsch in der Ukraine organisierten, hätten sie sich um bessre Zusammenarbeit mit der Ukraine UND Russland bemühen sollen.

Kersti Wolnow am 09.01.24, 09:23 Uhr

Es gibt Dinge, die man aus der Vergangenheit übernehmen kann statt alles neu zu erfinden. Im Frankreich unter Ludwig IVX. nannte man das "Merkantilismus", unter Adolf "Autarkie". Jeder gute Händler meidet Zwischenhändler. Das alles weiß man ohne Studien. Aber die bRD macht es mit, weil es "schick" ist oder sie gezwungen wird vom großen Bruder USA, so auch im Schulsystem "Schreiben nach Gehör" oder "Englisch ab Klasse 1" ohne die deutsche Grammatik zu kennen. Und ja, es gibt 68 Geschlechter.
Übrigens---ich meide seit DDR-Zeiten Erzeugnisse von Großhändlern, bis heute. Kleinhändler tragen noch Verantwortung für ihre Erzeugnisse, aber die sollen ja verschwinden, bis man als Kunde gar keine Auswahl bei Inhaltsstoffen und Preisen hat.
Auch Transportwege können versagen, wie einmal der Suezkanal.

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