21.11.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Russland-Politik

Die Sanktionen des Westens verfehlen bislang ihr Ziel

Hohe Exporteinnahmen und Ersparnisse – Russland kann es sich auch langfristig leisten, einem Embargo von USA und EU zu trotzen

Manuela Rosenthal-Kappi
14.05.2022

Mit dem gerade beschlossenen sechten Sanktionspaket gegen Russland versucht die EU, Putins Regierung bis ins Mark zu treffen. Mit einem weitgehenden Ölembargo will Brüssel verhindern, dass Russland sein Öl in Drittstaaten exportiert. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich jedoch erst langfristig zeigen.

Bei den bisherigen Sanktionen hat sich die damit verbundene Hoffnung, dass die Bevölkerung wegen der wirtschaftlichen Einschnitte Präsident Putin die Unterstützung entziehen würde oder es gar zu einem Umsturz kommen könnte, nicht erfüllt. Im Gegenteil: Laut aktuellen Umfragen unterstützen 80 Prozent der Russen ihren Präsidenten weiterhin.

Dabei zeigen die Maßnahmen grundsätzlich bereits Wirkung: Die Exporte sind seit Jahresbeginn um 30 Prozent, die Importe um 35 und die Investitionen in Russland um 17 Prozent gefallen. Laut Finanzminister Anton Siluanow beträgt das Defizit im Staatshaushalt 20,4 Milliarden Euro.

600.000 Russen befinden sich derzeit im Zwangsurlaub und müssen mit ihrer Entlassung rechnen. In erster Linie handelt es sich um Angestellte ausländischer Unternehmen. Betroffen ist auch der Automobilmarkt. Schon seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich die Autopreise verdoppelt. Im März wurden 64 Prozent weniger Autos verkauft. Gab es Ende 2021 Probleme mit der Beschaffung von Mikrochips, so fehlt es jetzt an allem. Ersatzteile für ältere Autos sind zwar noch erhältlich, kosten aber 25 bis 30 Prozent mehr als im Januar. Eine Autobatterie für ein herkömmliches Auto kann in Moskau bis zu 1000 Euro kosten. Wegen des Rückzugs ausländischer Hersteller fehlen etwa 800.000 Autos.

Da wegen harter Lockdowns der Nachschub aus China stockt und die russischen Hersteller von ausländischen Komponenten abhängig sind, wird Moskau Parallelimporte zulassen müssen, damit der russische Automarkt überleben kann. Russlands Wirtschaft bewegt sich damit in eine Grauzone. Parallelimporte meint den Import über Drittländer und de facto die Aushebelung des Rechtsinhabers und die Umgehung von Sanktionen. Die USA erwägen, durch die Verhängung von Sekundärsanktionen gegen die Beteiligten solche Geschäfte zu unterbinden.

Inflation und Rubelverfall

Für dieses Jahr wird mit einer Inflationsrate von 20 bis 25 Prozent gerechnet. Durch den Verfall des Rubelwerts zu Beginn des Ukrainekriegs stiegen die Verbraucherpreise steil in die Höhe. Panikartig hoben die russischen Kunden ihre Bankguthaben ab und tauschten sie in Euro oder Dollar um, was sich auf den Rubelwert negativ auswirkte. Mit strikten Beschränkungen des Umtauschs sowohl von Geschäftsleuten als auch Privatpersonen konnte Zentralbankchefin Elvira Naibullina den Rubelverfall aufhalten. Inzwischen hat er gegenüber Dollar (69,69 Rubel) und Euro (70,95 Rubel) den Vorkriegswert sogar überschritten.

Zwar haben sich der starke Rückgang der Importe, die Unterbrechung der Lieferketten und die Schwierigkeit, Importwaren nach Russland zu bringen wegen der Blockade der Schiffe und dem Fehlen von Transportflügen, schon negativ ausgewirkt. Die Gaslieferungen gingen um 27 Prozent zurück, was Russland aber eher nützt als schadet. Wegen der Importbeschränkungen wächst aber paradoxerweise die positive Handelsbilanz, was den Rubel wiederum stärkt. Durch die steigenden Rohstoffpreise erhöhen sich Russlands Erlöse aus den verbliebenen Energieexporten, was bei einem gleichzeitigen Rückgang der Importe um 50 Prozent zu einem erwartbaren Handelsbilanzüberschuss von bis zu 240 Milliarden US-Dollar führen dürfte. Im April hat sich der Preisanstieg bereits verlangsamt. Die Weltbank sieht die russische Wirtschaft in diesem Jahr um 11,2 Prozent einbrechen. Trotz der Sanktionen verfügt Russland jedoch immer noch über genügend Finanzmittel. Durch den Handelsüberschuss kann die Zentralbank die Wirtschaft mit Rubel-Krediten versorgen, ohne Einnahmen zu generieren.

So sieht es auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Russland habe in den vergangenen Jahren eine stabile Finanzlage erreicht, sagte der Handelsexperte Rolf Langhammer. Darüber hinaus liege die öffentliche Verschuldung bei niedrigen 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und Russland habe hohe Ersparnisse. Mit einer zurückhaltenden Ausgabenpolitik, einer starken Reservebildung sowie Preiskon-trollen, Einkommenshilfen und der Bekämpfung eines Schwarzmarktes könnte es Moskau gelingen, noch lange durchzuhalten. Russlands Erfolg hängt allerdings langfristig davon ab, inwieweit es gelingt, den Export in Drittstaaten, die die West-Sanktionen nicht unterstützen, wie China und Indien zu erhöhen, und wie sich der Einfluss des Westens auf diese auswirkt.

Vorbild Iran

Wie man Sanktionen langfristig trotzt, weiß Mohsen Karimi, Manager bei der iranischen Zentralbank. Er schlug den Russen vor, die „reiche iranische Erfahrung in der Umgehung von Sanktionen“ zu nutzen. Tatsächlich haben die seit 1979 verhängten Sanktionen gegen das islamische Regime im Iran weder zu dessen Sturz noch auch nur zu dessen Schwächung geführt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Frank Schmidt am 18.05.22, 13:47 Uhr

Aus der Kehrtwende von Russland zum Osten kann man mehrere Schlussfolgerungen ziehen. Erstens wird Russland den chinesischen Trumpf gegen die USA nicht ausspielen können. Russland ist ein wirtschaftlicher Zwerg im Vergleich zu China und es ist absolut lächerlich zu vermuten, dass Tianxia irgendwelchen Gaunern erlauben wird, sich selbst als eine Trumpfkarte auszunutzen. Ausserdem ist die Wirtschaft von China so eng mit der Wirtschaft von den USA verbunden, dass in absehbarer Zukunft die eine ohne die andere nicht existieren kann. Und ohne das russische Erdöl und Gas kann sich China aber ganz gut zurecht finden, zumal Kasachstan und Turkmenistan in der Nähe sind.

Zweitens kann China Europa als die Quelle der Finanzierung des russischen Business nicht ersetzen. Vor der Ausrufung der Sanktionen vergaben die westlichen Banken dem russischen Business billige Kredite für eine Gesamtsumme von 500 bis 700 Milliarden Dollar. Von China wird Russland kein Geld für die Entwicklung des privaten Business bekommen. Peking wird das Geld nur für solche Projekte auf dem Territorium Russlands investieren, die für die weitere wirtschaftliche Expansion von China unerlässlich sind. Von Entwicklung des russischen Business steht in Pekings Plänen nichts.

Drittens, wenn man das wirtschaftliche Potential beider Seiten betrachtet, werden nun die „kremlischen“ den „pekinger“ untergeben sein, und die Beziehungen zwischen ihnen werden an die Beziehung zwischen einem Vasallen und seinem Lehnsherr erinnern. Und das ist gut so. Am Ende muss doch jemand auf das Gesindel aufpassen. Ihr habt den liberalen und dekadenten Westen nicht gemocht? Dann bekommt Ihr den autoritären und harten Osten. Alexander Newskij hat sich geweigert, die königliche Krone vom Papst anzunehmen und bevorzugte, auf den Knien vor dem Horden-Khan zu kriechen und seine Stiefel zu küssen. Die geheimnisvolle russische Seele. Die Geschichte wiederholt sich, wie man so schön sagt…

Der Kreml wird auch seine aussenpolitischen Ambitionen zügeln müssen. Ein Vasall muss ein Vasall bleiben, und hat über ein mythisches Imperium nicht herumzuschreien. Um so mehr, weil China sich in Aussenbeziehungen äusserst zurückhaltend verhält, indem es auf die wirtschaftliche Expansion setzt, und nicht auf militärische Abenteuer. Überhaupt ist es für Peking wohl sehr seltsam, wenn über die eigene Grösse Menschen Reden schwingen, die sich in der Hochzeit eines wissenschaftlich-technischen Progresses davon ernähren, was ihnen der liebe Gott geschenkt hat (Erdöl, Gas, andere Bodenschätze), und alles, was sie dabei mit Händen und ihrem Verstand tun, auf den internationalen Märkten keiner Konkurrenz standhält. Und hört auf, über den russischen Export der Superwaffen zu erzählen. Faktisch alle davon wurden noch in der Sowjetunion ausgearbeitet.

Bei allem Grinsen und den äusserlich erwiesenen Aufmerksamkeiten müssen die chinesischen Kumpels die kremlischen Leader mit tiefer Verachtung wahrnehmen. Dafür, was mit Russland die Genossenschaft „Osero“ macht, wird man in China erschossen.

China erinnert sich bisweilen daran ,dass während des „Opiumkrieges“ das zarristische Russland 1,2 Millionen Quadratmeter Land in der Mandschurei, heimtückisch gestohlen hatte.Eines nicht mehr fernen Tages wird der"Russische Baer"den "Roten Drachen" dafür seinen Tribut zollen müssen.

Henry Bleckert am 15.05.22, 21:47 Uhr

Der wirkliche Verlierer steht für mich fest: Deutschland. Und mit dem bislang spendablen Weltenretter und Zahlmeister fällt auch die EU in ihrer heutigen Form.

Wer sich für die kommenden Jahrzehnte unseres Landes interessiert, sollte sich etwas umfassender mit den vergangenen Jahrzehnten des Libanon beschäftigen. Es wird nicht genauso kommen, aber grundlegende Entwicklungen sicherlich ähnlich.

Chinesische Technologie in Verbindung mit russischen Rohstoffen wird wohl letztendlich mittel- und langfristig gegenüber dem politischen Westen das Rennen machen. Noch dazu, wo sich drei Viertel der Welt aus den Sanktionen gegenüber Russland heraushält.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS