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Politisches Klima

Die Spannungen in Europa wachsen

Im Zuge der Corona-Pandemie erinnern die jüngsten Debatten innerhalb der Europäischen Union an unselige Zeiten

Hans Heckel
13.05.2020

Die Lockdown-Krise droht die EU und noch mehr den Euro-Raum in eine Zerreißprobe zu treiben. Der Abstand zwischen Deutschland und anderen großen Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien könnte durch die Krise so groß werden, dass die Kluft nicht mehr zu überbrücken ist. Valdis Dombrowskis, einer der drei geschäftsführenden Vizepräsidenten der EU-Kommission, nannte es „extrem wichtig“ zu verhindern, dass sich die „wirtschaftlichen, sozialen und politischen Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen (der EU) vergrößern“.

In der Praxis heißt das: Wenn es nicht gelingt, den strukturell bedingten Rückstand der genannten Partnerländer gegenüber der Bundesrepublik zu beheben, dann liegt der einzige Ausweg zur Rettung von EU und Euro in der Schwächung Deutschlands. Denn nur so könnten die beklagten Unterschiede in diesem Falle verringert werden.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Widerstand der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen bestimmte Maßnahmen der deutschen Politik zur Unterstützung der eigenen Wirtschaft, um Lockdown-Folgen zu mindern, in einem grellen Licht: Sie fürchtet offenbar, dass die Deutschen „zu gut“ durch die Krise kommen. Auch die schmallippige Reaktion von EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Staatsanleihekäufen (siehe PAZ 19/2020) passt da ins Bild. Denn bei Letzterem geht es gegen Milliardentransfers innerhalb der Eurozone, deren Kosten und Risiken maßgeblich von den Deutschen getragen werden.

Hier stellt sich die Kernfrage nach dem Existenzgrund von EU und Euro: Soll mit diesen Instrumenten Europa tatsächlich stärker gemacht werden, wie die Verantwortlichen immerfort behaupten? Oder geht es vielmehr darum, vor allem Deutschland, den „europäischen Giganten“, wie spanische Zeitungen unser Land gemeinhin titulieren, kurzzuhalten?

Die Reaktionen von EZB und aus der EU-Kommission deuten leider auf Letzteres hin. Dies wäre nicht nur gleichsam ein Verrat an den europabegeisterten Deutschen. Es wäre auch antieuropäisch, denn es würde den Kontinent insgesamt schwächen, wenn man sein stärkstes Glied niederzuhalten trachtet.

Das Gerede vom gemeinsamen Europa entpuppte sich so als getarnte Fortsetzung jener kleinlichen Rivalitäten, die schon 1914 Pate standen für die Selbstzerfleischung des alten Kontinents. Da darf Berlin nicht mitmachen.


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Kommentare

Jan Kerzel am 19.05.20, 04:34 Uhr

Die EU ist sicherlich für Deutschland und seine Bevölkerung kein Gewinn, sondern Last und Verpflichtung. Man muss aber klar feststellen, dass dieses Gebilde nur wegen des unentwegten Drängens der bundesdeutschen Politik entstanden ist. Währungsunion, Vertiefung, Erweiterung sind alles Resultate Bonner und Berliner Polit-Strategien. Die EWG und die EG hat diesen Machern nicht gereicht, ein Bundesstaat sollte her. Groß, mächtig, friedlich, reich und sozial sollte das Monstrum werden. Also aller Mühen wert, das Paradies für die Ewigkeit. Die verhaltene Zustimmung anderer Staaten wollte man sich mit vielen Zugeständnissen und erheblichen finanziellen Anreizen sichern. Das Gesamtergebnis ist , wie bei fast allen bundesdeutschen Polit-Projekten, extrem ernüchternd. Zahlungs- und Haftungsverpflichtungen schier ohne Ende und kein europäischer Staat hat Bock darauf deswegen seine nationale Identität aufzugeben. Gut so, war auch nicht ihre Idee. Souveräne Staaten haben in erster Linie Interessen, Interessen für ihr Land, ihre Bevölkerung und ihre wirtschaftlichen Eliten. Und so wird es auch bleiben. Gottseidank! Abschließend gehen meine Gedanken zum großen Europäer Dr. Helmut Kohl sel. .

Michael Holz am 17.05.20, 18:41 Uhr

"Da darf Berlin nicht mitmachen."

Ein frommer Wusch. Die Dilletanten in Berlin vermurksen alles und wirklich alles. Angefangen mit Putin, weiter mit Orban und den griechischen Leicht-lebenden. Der (un)berechtigte Hass auf die Teutonen wird wegen des eigenen Versagens wieder herausgekramt. Leider machen die Südländer keinen Unterschied zwischen der deutschen Regierung und den Deutschen im allgemeinen.

Zur aktuellen Situation kann ich nur sagen: Ich fürchte nicht den Virus, ich fürchte nur die Herrschenden (in der EU)!

sitra achra am 13.05.20, 20:13 Uhr

Der Club Med ist international nicht konkurrenzfähig. Das kann die BRD nicht ausgleichen. Wenn das so weitergeht wie bisher, fällt der Saftladen auseinander. Der eine Teil ächzt dann unter dem Banner des Propheten, der andere wird von der Russischen Föderation gekapert.
Das ständige Gezerre und Geplärre der europäischen Zwergländer ist nicht mehr auszuhalten.
Schon Dostojewski hielt Europa für einen Völkerfriedhof.

Erich Hartmann am 13.05.20, 16:04 Uhr

Würden die Deutschen vom Euro profitieren, gäbe es ihn sicherlich nicht.

In einem Vortrag des von mir sehr geschätzten Prof. Dr. Dr. Bodo B. Gemper haben ich und andere Studenten bereits im Jahre 1995 auf alle die zu erwartenden Probleme hingewiesen. Hätten wir hier in der BRD Politiker, die sich für die Interessen der BRD-Personalausweisinhaber einsetzen würden, gäbe es diese Probleme nicht.

Wulf Wagner am 13.05.20, 10:41 Uhr

Als Deutscher, der in Sizilien lebt und dem Land sehr verbunden ist, muss ich sagen, dass hier in dieser Zeit doch grobe Desorganisation herrscht und ich mich frage, warum irgendein anderes Land für diese Untätigkeit zahlen soll.
Kein Restaurant, Hotel, B&B ... leistet hier die geringste Kritik oder sichtbaren Widerstand, obwohl jeder weiß, dass Sizilien vom Tourismus lebt.
Sizilien wurde in Grunde nicht von „Corona“ befallen, dennoch: Polizei vertreibt die Leute vom Strand, schwimmen und spazieren darf man - ohne Hund, sitzen und lesen nicht; in Parks nur mit Voranmeldung Eintritt; die Meerpromenade in Palermo wird überwacht, denn gejoggt werden darf, doch bitte nicht zum Sonnen (25 Grad) setzen, etc. etc.
Das sind Kleinigkeiten vielleicht, doch nunmehr seit über zwei Monaten. Flüge gibt es zwei am Tag. Bars, Restaurants, Frisöre etc. sind zu.
Bisher hört man nicht, wie hier der Tourismus wieder anlaufen soll. Und die Leute warten auf irgendwelches Geld anstatt selbstständig zu werden.
Mal sehen, wo das endet.
Dr. Wulf D. Wagner

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