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Auch nach ihrer historischen Wahlniederlage halten die Genossen lieber an ideologischen Positionen fest als sich damit zu befassen, was Volkes Wille ist
Wer dieser Tage die führenden Vertreter der deutschen Sozialdemokratie betrachtet, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Da fuhr die älteste Partei des Landes bei der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 mit 16,8 Prozent die größte Niederlage seit der Reichstagswahl von 1887 ein – und niemanden scheint es zu interessieren. Zumindest erreicht die Öffentlichkeit kein vernehmbares Wort der Eigenbefragung, warum sich so viele Wähler von der selbst ernannten Partei der sozialen Gerechtigkeit abgewandt haben.
Stattdessen zelebrieren die Sozialdemokraten ihre Macht, auch als Juniorpartner der an der Brandmauer festsitzenden Union den Kurs der – wahrscheinlich – künftigen Bundesregierung mitbestimmen zu können. Anstatt etwa zu überlegen, warum die eigene Partei soeben fast 1,8 Millionen Stimmen an CDU und CSU sowie rund 720.000 Stimmen an die AfD verlor, kämpfen die SPD-Vertreter in den Arbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen stur für Positionen, die so viele Wähler zur Konkurrenz getrieben haben.
Besonders auffällig ist dies beim Thema Migration. Obwohl unlängst Umfragen ergaben, dass über 70 Prozent der Deutschen und selbst eine Mehrheit der SPD-Anhänger für eine stärkere Begrenzung des Zuzugs von außen sind, kämpfen die Unterhändler der Genossen derzeit verbissen dafür, dass möglichst alles beim Alten bleibt. Und dort, wo sie – wie im Sondierungspapier mit der Union – doch einem Kompromiss zustimmen, betonen führende Sozialdemokraten wie Verteidigungsminister Pistorius umgehend, dass dies eh ohne praktische Folgen bleibe.
Gerade die Beharrlichkeit in der Migrationsfrage, die maßgeblich darüber entscheidet, wie sich der Souverän der deutschen Demokratie, das Wahlvolk, künftig zusammensetzt, wirft die Frage auf, was die Sozialdemokraten umtreibt, welche Ziele sie verfolgen und wessen Interessen sie vertreten. Spielt es an der Parteispitze noch eine Rolle, was die Bürger, vor allem die sprichwörtlichen „kleinen Leute“, wollen, in deren Namen die Sozialdemokraten seit über 150 Jahren Politik gestalten? Oder ist dies der Führung egal, solange es noch für ein paar lukrative Posten reicht?
Gewiss: Die Union des Jahres 2025 ist trotz ihres deutlich größeren Anteils an Bundestagsmandaten in den Sondierungen und Koalitionsverhandlungen bislang sehr gefügig, sodass die Genossen bei der Regierungsbildung wahrscheinlich besser wegkommen werden, als es ihnen gemäß Wahlergebnis zustehen würde. Und es mag sein, dass manch führender Sozialdemokrat dies als Bestätigung einer vermeintlich cleveren Verhandlungsführung betrachtet. Gleichwohl irritiert es, wenn niemand unter den Verantwortlichen an das ganz gewiss kommende Morgen zu denken scheint, an dem die SPD noch immer den Anspruch haben dürfte, aktiv am Politikbetrieb teilzunehmen.
Fortsetzung des Niedergangs
Dieses Morgen sieht für die Genossen alles andere als rosig aus. So verlor die SPD am 23. Februar nicht nur gegenüber der Bundestagswahl von 1998, als sie mit 40,9 Prozent stärkste Kraft wurde, mehr als die Hälfte ihrer Wählerstimmen. Vielmehr liegt sie in aktuellen Meinungsumfragen bei nur noch 14 Prozent – was zeigt, dass der Weg nach unten noch lange nicht gestoppt ist. Setzt sich dieser Trend fort, könnte Deutschlands älteste Partei bei der nächsten Bundestagswahl nur noch einstellig sein und beim übernächsten Urnengang vor der Fünfprozenthürde zittern.
Diese Fakten sind natürlich auch im Berliner Willy-Brandt-Haus bekannt. Dass die Parteiführung – bei Bürgermeistern und Landräten sieht es ganz anders aus – dennoch beharrlich ihren Weg geht, lässt sich nur mit den Karrieren des gegenwärtigen Spitzenpersonals erklären. Parteichef Lars Klingbeil etwa begann seine Laufbahn als Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von Bundeskanzler Gerhard Schröder und verdient seitdem seine Brötchen ausschließlich im Politikbetrieb. Oder, wie es die „taz“ vor ein paar Tagen schrieb: „Seine politischen Universitäten waren nicht der raue Alltag des gesellschaftlichen Lebens, das Sich-Behaupten müssen in der Arbeitswelt, sondern getragen hat ihn Diensteifer in den Vorzimmern seiner politischen Förderer, im Apparat der SPD.“ Kann es da verwundern, wenn Klingbeil und andere Spitzengenossen glauben, dass die eigene Karriere nichts damit zu tun hat, wie es den Menschen draußen im Lande geht?
Apropos: In den Analysen der Medien und Wahlforscher taucht immer wieder die Aussage auf, dass sich mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft auch die klassischen politischen Milieus aufgelöst haben und dass davon vor allem die Sozialdemokraten betroffen wären, die zuvor über hundert Jahre lang von sehr gefestigten sozialen Gruppen wie den Fabrikarbeitern getragen wurden. Das ist durchaus richtig. Doch gibt es gerade auch in der Gesellschaft von heute Millionen „kleiner Leute“, die eine starke politische Vertretung ihrer Interessen gut gebrauchen könnten.
Es sind einfache Bürger, die keineswegs der Meinung sind, dass Politiker „nicht so viel über das Thema Migration sprechen“ sollten, wie es die SPD-Vorsitzende Saskia Esken Anfang des Jahres forderte, weil sie die Folgen ungeregelter Zuwanderung deutlich in ihrem Alltag spüren. Es sind Menschen, denen der Spitzensteuersatz egal ist, weil sie sowieso nichts damit zu tun haben, denen dafür jedoch bewusst ist, dass ihr Arbeitgeber vernünftige Bedingungen braucht, um im eigenen Land noch produzieren zu können. Und es sind Menschen, die das Bürgergeld keineswegs als sozialstaatliche Verheißung ansehen, sondern vielmehr als Ärgernis, weil der „Lohn“ fürs Nichtstun oft kaum unter dem liegt, was sie selbst für ihre harte Arbeit bekommen.
Wenn die Genossen dies weiter ignorieren, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn die „kleinen Leute“ ihr Kreuz woanders setzen – und sie selbst schon bald keine Rolle mehr spielen.