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„Die Steffi fahlt ganz ferchterlich“

Die Oberschlesierin Steffi WrÓbel engagierte sich für den Erhalt des deutschen Kulturerbes und ihres Dialekts

Chris W. Wagner
29.09.2023

Steffi Wróbel-Fuhrmann sang, spielte Akkordeon und dichtete in der schlesischen Mundart. Bei keinem Fest der deutschen Gesellschaft in Niederschlesien durfte die „Lerge vom Zobten am Berge“, wie sie sich selbst nannte, fehlen. Am 16. September verstummte sie im Alter von 94 Jahren für immer.

Am 30. April 1929 in Königlich Dombrowka [Dąbrówka Dolna] im oberschlesischen Kreis Oppeln als Tochter eines Försters geboren, kam Fuhrmann 1936 nach Klein Silsterwitz [Sulistrowiczki]. Dort, im Forstamt Zobten [Sobótka], am Fuße des heiligen Bergs der Schlesier, des „Zotabarchs“ [Zobten/Ślęża], wuchs sie unbekümmert auf, ging zur Schule und sog die niederschlesische Mundart auf. „Du pauerst wieder wie ein Bauer“, warf ihr die stets hochdeutsch sprechende Mutter vor.

Als der Sohn des Gutsbesitzers eines Tages im Dorf der kleinen Steffi seine Ziehharmonika auslieh und sie sofort eine Melodie darauf spielen konnte, war es um sie geschehen – das war ihr Instrument. Mit zehn Jahren schlachtete sie ihr Sparschwein, die Eltern gaben etwas drauf und Steffi bekam ihre „Quetschkommode“. 1945 kamen die Russen und stahlen das Instrument. Die Welt und Klein Silsterwitz standen Kopf.

Steffis Vater durfte zwar noch als Förster in Klein Silsterwitz arbeiten, aber von nun an für die Polen. Der neue, junge Förster, Eugeniusz Wróbel, warf ein Auge auf die 16-jährige Steffi. „Der Wróbel wollte mich nirgendwo alleine hingehen lassen, er hat auf mich aufgepasst wie auf einen kleinen Hund. Und das hat mich schon geärgert. Ich sagte zu ihm: ‚Heirate mich, oder lass mich in Ruhe!'“, berichtete die ebenso temperamentvolle wie willensstarke Frau, und ihre Augen funkelten hinter der großen Brille fröhlich.

Schwere Zeiten nach dem Krieg
„Es waren schwere Zeiten, aber mit ein wenig Mut habe ich es gemeistert. Ich bin in Klein Silsterwitz geblieben ... und manchmal habe ich gedacht, ich vergesse meine Muttersprache. Ich durfte doch so viele Jahre nach dem Krieg kein Deutsch sprechen, also blieb mir nur das Bücherlesen. Ich habe auch viel mit vertriebenen Bekannten und Freunden korrespondiert. Später habe ich in der Nähe noch ein paar Deutsche gefunden, mit denen man schlesisch ,pauern' konnte“, berichtete sie mir 2013 bei unserer Begegnung auf Schloss Klitschdorf [Kliczków].

1947 heirateten Steffi Fuhrmann und Eugeniusz Wróbel. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Sie las polnische Literatur, aus der sie die Hochsprache lernte. Doch im Dorf blieb sie die „Niemra“ (negativ für Deutsche) bis sie bei den katholischen Messen in Groß Silsterwitz [Sulistrowice] die Orgel spielte. Das Leben nahm einen geregelten Lauf an, Familie Wróbel zog in ein neugebautes Haus nach Zobten am Berge. Steffi war ehrgeizig und wollte lernen. Mit 41 Jahren bestand sie ihr Abitur auf der Forstabendschule in Militsch [Milicz].

Im Hause Wróbel wurde das „Słowo Polskie“ (Polnisches Wort) gelesen, ein von 1945 bis 2004 in Breslau erscheinendes Tagesblatt. „Eines Tages sehe ich darin, in einer kleinen Rubrik der Sonntagsausgabe, einen deutschen Text mit sehr vielen Fehlern. Darunter stand: Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft. Und da wusste ich, ich muss sie in Breslau aufsuchen“, so Steffi.

Das war 1991. Nun engagierte sich der Wirbelsturm vom Zobten am Berge in Breslau. Sie gründete die Trachtengruppe „Heimatsänger“, organisierte die Niederschlesischen Kulturtreffen mit.

Ende der 90er Jahre erschienen Steffis Mundartgedichte und später ihre Erinnerungen. Es verlangte große Überwindung, sagte sie, ihre oft traumatischen Nachkriegserlebnisse niederzuschreiben, aber überwogen habe die Liebe zur Heimat und der Wunsch, ein Stück dieser für die Nachwelt zu bewahren. In „Steffis Geschichte. Ich bin eine Deutsche in Polen“ schildert sie den Alltag einer daheimgebliebenen Deutschen. In Veranstaltungen und Jugendbegegnungen berichtete und unterrichtete sie junge Niederschlesier über die Suche nach eigener Identität und tat es am liebsten in „ihrer“ Mundart. Ihre Zuhörer lauschten und bewunderten sie, doch: „Ei denner Nähe fielt ma sich geburga/Du hilfst vergessa monche Surga,/aber Diech ploagt woas, genau asu wie miech,/ins fahln die Schlesier ganz ferchterlich“ (aus Steffi Wróbels Gedicht: Derr Zutaberg und die Schlesier).


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