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Aktivismus

Die unselige Tradition der Kinderkreuzzüge

Die Mitglieder der „Letzten Generation“ beanspruchen, in ihrem angeblichen Kampf für die Rettung der Welt Recht und Gesetz brechen zu dürfen. Die Geschichte lehrt, dass der Weg zu offenem Terror kurz ist

Wolfgang Kaufmann
08.10.2023

Kinder und Jugendliche „ticken“ anders als Erwachsene. Der Frontallappen ihres Gehirns, welcher unter anderem das Sozialverhalten steuert und daher auch als „Organ der Zivilisation“ bezeichnet wird, ist noch nicht vollständig entwickelt. Dies führt bei den Heranwachsenden zu spontanen, unüberlegten Handlungen. Außerdem sind sie auch leicht zu manipulieren und anfällig für ideologische Indoktrination. Selbiges machte sich in der Vergangenheit schon so mancher politische oder religiöse Drahtzieher zunutze.

Zum Anfang des 13. Jahrhunderts steckte die Kreuzzugsbewegung in einer schweren Krise, nachdem Sultan Saladin 1187 das Königreich Jerusalem erobert und das „Wahre Kreuz Christi“ erbeutet hatte. In dieser Situation verkündeten charismatische Prediger wie Petrus von Blois, nur ein Vormarsch der Unschuldigen und Armen könne zur Zurückgewinnung des Heiligen Landes führen. Und tatsächlich wurden solche Stimmen auch gehört: In Frankreich setzte sich 1212 ein junger Hirte aus Cloyes namens Étienne an die Spitze einer Menschenmenge, welche bald 30.000 Köpfe zählte und das Ziel verfolgte, nach Jerusalem zu ziehen. Parallel dazu trat in Köln ein gewisser Nikolaus als kindlicher Anführer auf und behauptete, Engel hätten ihm befohlen, das Heilige Grab von den Sarazenen zu befreien. In beiden Fällen darf man getrost annehmen, dass die Kinder als Marionetten von Erwachsenen agierten, denen es darum ging, die Kreuzzugsmüdigkeit von Adel und Klerus zu bekämpfen.

Im Februar 1497 wiederum begannen große Scharen Minderjähriger, durch Florenz zu marodieren. Diese sogenannten Fanciulli agierten im Auftrag des fanatischen Dominikanerpredigers Girolamo Savonarola. Der hatte das Machtvakuum nach dem Ende der Medici-Herrschaft genutzt, um sich zu einem lupenreinen Diktator der Moral aufzuschwingen. Als solcher ließ er die Fanciulli alle Gegenstände beschlagnahmen, welche als Symbol der „Verkommenheit“ der Menschen gedeutet werden konnten. Darunter fielen beispielsweise Gemälde, Schmuck, Kosmetika, teure Kleidungstücke und andere Luxusgegenstände. Diese verbrannte die Kinderpolizei Savonarolas auf der Piazza delle Signoria in einem „Fegefeuer der Eitelkeiten“. Am 23. Mai 1498 freilich verschlangen die Flammen dann an derselben Stelle auch den Bußprediger selbst, nachdem er durch Papst Alexander VI. exkommuniziert und von einer aufgebrachten Menge fast gelyncht worden war. Damit hatte zugleich der Spuk um die Fanciulli ein Ende.

Ihre Mitmenschen von einer „Sünde“ abhalten sollten gleichermaßen die von der Regierung der DDR gesteuerten Aktivisten der Freien Deutschen Jugend (FDJ), welche nach dem Mauerbau 1961 auf die Dächer des Arbeiter- und Bauernstaates stiegen, um durch das Herunterreißen von Antennen für den Empfang des Westfernsehens auch das „geistige Grenzgängertum“ auszurotten.

Es geht um Macht, nicht um Moral
Noch ärger trieben es die von dem chinesischen Diktator Mao Tse-tung 1966 losgelassenen „Roten Garden“, welche aus Schülern oder Studenten bestanden und die Große Proletarische Kulturrevolution einleiteten, deren Ziel darin bestand, eine „in der Geschichte der Menschheit noch nie dagewesene Umwälzung der Gesellschaft“ zu erreichen. Diese Horden vergriffen sich nicht nur am materiellen kulturellen Erbe Chinas, sondern massakrierten oft auch ihre Lehrer und Professoren.

Und heute wiederum sorgt eine Armee indoktrinierter Kinder und Jugendlicher unter dem Deckmantel des „Klimaschutzes“ oder des Kampfes gegen „Homophobie“ und „Rassismus“ für Aufruhr, Zerstörung und Chaos. Dabei dreht sich die Eskalationsspirale immer schneller.

Ein Beispiel hierfür sind die „Klimakleber“, welche bei ihren Eingriffen in den Straßenverkehr nun auch den Tod von Menschen in Kauf nehmen, oder jene anonymen Hetzer vom Humboldt-Gymnasium in Berlin-Tegel, die ein Pamphlet gegen ihre Lehrer in Umlauf brachten, in dem es hieß, diese „impotenten alten Männer ... gehören endgültig in die Mülltonne der deutschen Geschichte ... Sie zerstören unser Klima mit ihrer Lebensweise, machen uns unsere Freiheit und Freiräume streitig, sind Bonzenverfechter, Kriegstreiber und wollen unsere multikulturelle Welt in ihr Kleinbürgertum zurückverwandeln ... Wehrt Euch, zerstört sie.“

Wenn die fanatisierten Wiedergänger von Maos Roten Garden und ähnlichen Gruppierungen die Geschichte kennten und in der Lage wären, so nüchtern vorauszudenken, wie Erwachsene das im Prinzip können, hätten sie Angst vor ihrer ganz persönlichen Zukunft.

Der Preis des Aktionismus
Denn stets bezahlten die jungen Leute einen hohen Preis für den gezeigten Aktionismus. Die Protagonisten der Kinderkreuzzüge kamen entweder kleinlaut, barfuß, ausgehungert und von allen heftig verspottet wieder in ihre Heimat zurück oder gerieten in die Fänge von Sklavenhändlern. Quellen berichten, dass es 1230 allein in Alexandria siebenhundert Sklaven aus Deutschland und Frankreich gab, die einst als Kinder ausgezogen waren, um Jerusalem „zurückzuerobern“.

Ebenso wurden die Fanciulli des Savonarola, welche ihre Mitmenschen in Florenz viele Monate lang terrorisiert hatten, vollkommen zerstreut – und mancher bekam auch die handgreifliche Rache der Bürger zu spüren. Nicht ganz so schlimm traf es die FDJ-Angehörigen nach dem Auslaufen ihrer „Blitzaktion“ gegen das Westfernsehen. Sie blieben geduldete Mitglieder der Gesellschaft – sofern sie bei der Demontage der Antennen nicht vom Dach gestürzt waren und nun unter der Erde lagen.

Besonders ernüchternd war auch das Ende der „Roten Garden“. Als Mao seine politischen Ziele erreicht hatte, ließ er die juvenilen Krawallmacher im Juli 1968 mit einem Schlag fallen. Anschließend übernahm die Volksbefreiungsarmee deren Entwaffnung und Kaltstellung. Da den Angehörigen der Roten Garden der Respekt vor ihren Lehrkräften und zugleich auch jeglicher Leistungswille abhanden gekommen waren, verbrachte man sie nach und nach aufs Land, während neue, unbelastete Jahrgänge in den Schulen und Universitäten nachrückten. Insgesamt sollen so etwa 16,5 Millionen Jugendliche aus den Städten der Volksrepublik China deportiert worden sein.


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Kommentare

Pepe Collo am 15.10.23, 08:40 Uhr

Nahtlos in das hier geschilderte Geschehen, reiht sich auch das in der jüngsten Ausgabe der katholischen Kirchenzeitung publizierte Bild einer Audienz von Luisa Neubauer bei Papst Franziskus, wo die beiden zum gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel aufrufen und das man eigentlich nur noch mit dem Satz kommentieren kann: Kleben mit päpstlichem Segen!

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