Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Vor Erdbeben wähnen sich die Deutschen weitgehend sicher. Doch ein Blick in Geologie und Geschichte zeigt, dass auch schwere Erschütterungen unser Land heimsuchen können
Auch wenn dies in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorkommt: Deutschland ist ein typisches Erdbebenland. In den vergangenen 2000 Jahren ereigneten sich auf unserem Boden mehr als einhundert schwere Erdbeben und viele Millionen leichtere Erschütterungen der Erdkruste. Dabei waren ganz unterschiedliche Regionen von der Nord- und Ostsee bis zu den Alpen betroffen. Das größte Erdbebenrisiko hierzulande besteht in der Kölner Bucht, in der Schwäbischen Alb südlich von Tübingen, im Oberrheingraben sowie im Gebiet zwischen Leipzig und dem Vogtland.
In diesen Regionen fanden in den Jahren 803, 998, 1080, 1728, 1756, 1872, 1911, 1978 und 1992 Erdbeben mit Stärken von etwa 5,7 bis 6,4 auf der Richterskala statt. Die verheerendste dieser Naturkatastrophen ereignete sich wohl am 18. Februar 1756 im Raum Köln, Aachen, Jülich und Düren. Damals stürzten Teile der Stadtmauern von Düren und Bad Münstereifel ein, und der Turm der Aachener Augustinerkirche geriet derart in Schräglage, dass er später abgerissen werden musste. Außerdem starben vier Menschen. Nicht ganz so schwer war das Beben von Albstadt-Ebingen am 16. November 1911 – dessen Stärke betrug statt 6,4 nur 6,1. Dennoch kam es zu Schäden an 6250 Gebäuden.
Bis zu einer Stärke von 7,0
Es existieren ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass in Deutschland noch wesentlich folgenreichere Beben möglich sind. Dies jedenfalls meinen Paläo-Seismologen wie Christoph Grützner von der Universität Cambridge und Kirs Vanneste vom Königlichen Observatorium in Brüssel. Dabei verweisen sie auf einige uralte Verwerfungszonen unweit von Jülich mit erheblichen Höhenunterschieden zwischen den Bodenschichten auf beiden Seiten der geologischen Störungen, welche auf Erdbeben mit einer Magnitude von 7,0 oder mehr hindeuten. Und solche Ereignisse wären auf jeden Fall äußerst dramatisch, denn bei einem Beben der Stärke 7,0 auf der logarithmischen Richterskala wird zehnmal mehr Energie freigesetzt als bei einem 6,0-Beben.
Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die bestehenden deutschen Vorschriften zur „Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben“ tatsächlich ausreichend sind. Denn die Zuordnung von Kernkraftwerken, Chemieanlagen, Staudämmen und Hochhäusern zu einer Gefährdungszone basiert auf Erkenntnissen über die Erdbeben der vergangenen 1500 Jahre. Was nun aber, wenn in gewissen Abständen auch viel größere Beben möglich sind? So vermutet der Geophysiker Ludwig Ahorner von der Universität Köln, dass Erdbeben der Stärke 6,7 oder mehr im Bereich der Kölner Bucht alle 18.000 Jahre auftreten könnten. Und niemand weiß, wie viel Zeit seit dem jüngsten Beben dieser Art vergangen ist.
Indes leiden Wahrscheinlichkeitsannahmen wie die von Ahorner unter dem Manko, dass das klassische zyklische Erdbebenmodell nur sehr wenig taugt, um die Verhältnisse hierzulande zu beschreiben. Erdbeben entstehen zumeist, wenn zwei Kontinentalplatten aneinanderstoßen oder voneinander wegdriften, was zu kontinuierlich wachsenden Spannungen in den Gesteinsschichten an den Plattenrändern führt. Diese lösen sich dann plötzlich und ruckartig, wobei oftmals das Vielhundertfache der Energie einer Wasserstoffbombe freigesetzt wird. Danach beginnt der Prozess wieder von vorn. Der Zeitrahmen hierfür lässt sich relativ genau abschätzen. Deutschland liegt aber an keiner Plattengrenze, sondern mitten auf der Europäischen Platte. Deshalb sind die hiesigen Beben sogenannte Intraplattenbeben, bei denen weitgehend unklar ist, woher die Kräfte kommen, welche für die Spannungen im Gestein sorgen.
Schäden von 100 Milliarden Euro
Eine Theorie basiert auf der Tatsache, dass infolge der Kollision der Apulischen mit der Europäischen Platte nicht nur die Alpen in die Höhe wuchsen, sondern vor etlichen Millionen Jahren auch ein gewaltiger Riss in der Erdkruste vom Westrand der Alpen bis zur Nordsee entstand, den Flüsse wie der Rhein später mit einer 1000 Meter mächtigen Sedimentschicht füllten. Zu diesem Riss gehören unter anderem der Ruhrgraben, der Oberrheingraben und die Niederrheinische Bucht sowie zahlreiche weitere kleine Störungen, welche sich bildeten, als der große Graben im Bereich des Niederrheins vor 25 Millionen Jahren trichterförmig aufzuklaffen begann. Hier geschieht im Prinzip das Gleiche wie an den Plattengrenzen, allerdings in sehr viel geringerem Tempo. So verschiebt sich selbst die „schnellste“ der vielen niederrheinischen Verwerfungen, die Peelrand-Störung, um gerade einmal einen zehntel Millimeter jährlich.
Das ist hundertmal langsamer als das Wachstum von Fingernägeln. Bis hierdurch Spannungen in der Erdkruste entstehen, die Erdbeben auslösen können, vergehen Zehntausende von Jahren. Also muss es neben den Bewegungen im Bereich der Grabenbruchsysteme quer durch Westdeutschland noch andere Ursachen für die häufigen Erschütterungen geben.
Glaubt man einer weiteren Theorie, liegen diese in der Eiszeit. Beim Drenthe-Vorstoß während der Saale-Riß-Kaltzeit vor rund 150.000 Jahren schoben sich kilometerhohe Gletscher von Skandinavien aus bis in den Raum des heutigen Düsseldorf und von den Alpen her bis in die Gegend von München, Wien und Bern. Durch das ungeheure Gewicht dieser Eismassen wurde der Boden tief nach unten gedrückt. Danach kam es infolge des Abschmelzens der Gletscher zu einem Zurückschwingen der Gesteinsschichten nach oben, welches bis heute andauert. Dass dies Erdbeben auslösen kann, zeigte sich zu Beginn der Warmzeit vor rund 10.000 Jahren, als in Schweden plötzlich Erdbeben bis zur Stärke 8 auftraten. Und später wurden dann auch Usedom und die Nordseeküste erschüttert.
Aber was auch immer die Hauptursache für die Erdbeben in Deutschland ist: Sollte sich jetzt ein Beben mit einer Stärke um 7,0 ereignen, dann betrüge der Schaden nach Berechnungen der Rückversicherungs-Gesellschaft Munich Re wohl um die 100 Milliarden Euro. Dazu käme eine überhaupt nicht seriös abzuschätzende Zahl von Todesopfern.